Kapitel 41

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Ich fühle mich leicht, fast schon schwerelos als ich durch die Einsamkeit jage.

Meine Pfoten wirbeln den feinen Schnee auf, der in Wolken hinter mir her zieht.

Die weite weiße Ebene erscheint vor meinen Augen kein Ende zu nehmen.

Während des Rennens inhaliere ich die kalte klare Luft.

Plötzlich fange ich den Duft von Schneehasen mit meinen sensiblen Geruchsknospen auf.

Sofort erhöht sich meine Speichelproduktiv und ich drossle mein Tempo.

Mit zuckenden Ohren verharre ich für einen Moment, ehe ich das leise trommeln der Hasenfüße auf dem Schnee zu meiner rechten wahrnehme.

Hinter einigen Schneeverwehungen entdecke ich schließlich das dicke Tier, das unter dem Eis nach Nahrung zu suchen scheint.

Durch sein weißes Fell verschmilzt der Hase perfekt mit seiner Umgebung, doch trotz dieser Tarnung entgeht er mir nicht.

Mit glühenden Augen visiere ich meine Beute an und verfalle in eine geduckte Haltung um mich optimal nach vorne anpirschen zu können.

Lautlos bewege ich mich geschmeidig über den eisigen Boden.

Jegliche Muskelgruppen in mir sind angespannt und mein Körper bebt schon in fast in freudiger Erwartung.

Zu meinem Glück kommt der Wind aus der Richtung des Tiers und verrät meine Anwesenheit dadurch nicht schon vorzeitig.

Kurz darauf habe ich mich nahe genug an meine Beute angeschlichen und setzte schließlich zum finalen Sprung an.

Als ich mich schließlich kraftvoll vom Boden abstoße und in die Luft fliege, passieren mehrere Dinge gleichzeitig.

Ein Windzug streift mein Fell und völlig überrumpelt bemerke ich einen spitzen Pfeil, der nur Zentimeter an mir vorbeischießt.

Der Hase erkennt im selben Moment wie ich die drohende Gefahr und ergreift hakenschlagend die Flucht.

Ich lande strauchelnd in der Schneeverwehung.

Gehetzt werfe ich meinen Kopf herum, nur um in die kalten und berechnenden Augen eines Jägers zu blicken.

Der Mann befindet sich noch gute 40 Meter entfernt von mir und hält einen hölzernen Langbogen in seiner einen Hand.

Mit der anderen greift er sich ohne unseren Blickkontakt abzubrechen über die Schulter und tastet in seinem Köcher nach einem neuen Pfeil.

Zur Tarnung trägt er dicke Klamotten aus hellen Tierfellen.

Einige Meter hinter ihm, im Schutze einer leichten Erhöhung,  bemerke ich schließlich einen hölzernen Schlitten vor den mehre Huskys gespannt sind.

Die Tiere scheinen aufgrund meiner Anwesenheit unruhig zu sein, doch eine zweite vermummte Gestalt auf dem Gefährt gewinnt mit knallenden Zügeln die Kontrolle zurück.

Dieser kurze Moment der Unachtsamkeit reicht aus und als nächstes spüre ich einen brennenden Schmerz an meiner rechten Schulter.

Blut spritzt und befleckt den makellosen weißen Schnee.

Ein Streifschuss.

Hastig mache ich kehrt und fliehe tiefer in die Einöde des Berggipfels weg von den Menschen.

Mein Herz schlägt hart und schnell in meiner Brust.

Neben dem Rauschen des Bluts in meinen Ohren höre ich wie die Jäger die Verfolgung aufnehmen.

Ein weiterer Pfeil saust zischend durch die Luft, doch dieses Mal gelingt es mir dessen scharfer Spitze auszuweichen.

Ich ziehe mein Tempo an und fange, genauso wie es der Hase vorhin gemacht hatte, an Haken zu schlagen um meine Verfolger zu verwirren und ihren Geschoßen zu entkommen.

Zwar kann ich die Jäger durch diese Taktik nicht abschütteln, allerdings vergrößere ich dadurch unseren Abstand.

Ich ändere meinen Weg und mache mich wieder an den Abstieg.

Mein Ziel und gleichzeitig auch meine Rettung ist der Fjord.

Meine Schulter brennt jedes Mal wie Feuer wenn ich schon Felsen zu Felsen springe und meine Vorderpfoten auf den steinigen Boden donnern.

Verbissen ignoriere ich den Schmerz. Schließlich nehme ich das Rauschen des Meeresarms wahr und mein Herz macht vor Erleichterung einen Satz.

Kurz werfe ich einen Blick über die Schulter und stelle fest, das ich meine Verfolger weit hinter mir zurück gelassen habe.

Aufgrund ihres Schlittens sind die Männer zwar schnell aber ebenso auch ungelenker und schwerfälliger als ich.

Die letzten Höhenmeter zu überbrücken spare ich mir, als ich mich von einem Felsen abstoße und in das dunkle Wasser unter mir springe.

Im Schein des Vollmonds schwimme ich mit kräftigen Bewegungen zum anderen Ufer.

Da ich noch in Wolfsgestalt bin spüre ich die stechende Kälte kaum, da mich mein dicker Pelz ausreichend schützt.

Einzig und alleine das Salzwasser frisst sich schmerzhaft in meine Wunde.

Erschöpft von der ganzen Aufregung des Tages und durch das mittlerweile nachlassende Adrenalin in meinem Körper schleppe ich mich aus dem seichten Wasser.

Ich schüttle die Nässe aus meinem hellen Pelz und sinke anschließend in mir zusammen.

Die Rückverwandlung zum Menschen erfolgt schneller und ist außerdem auch weniger schmerzhaft.

Nachdem als letztes mein Kiefer sich wieder umgeformt hat und meine Reißzähne meinem menschlichen Gebiss gewichen sind, strecke ich mich ausgiebig.

Bis auf den immernoch anhaltenden Schmerz in meiner Schulter fühle ich mich wie neugeboren.

Jede Zelle meines Körpers hatte sich schließlich nach dieser Verwandlung gesehnt.

Behände angle ich mir meine Klamotten und streife sie mir hastig über um der Kälte und dem Gefühl der Nacktheit zu entkommen.

Plötzlich knackt es unweit entfernt von mir und aufgeschreckt fahre ich herum, bilde mir ein, einen Schatten im Augenwinkel gesehen zu haben.

In meinen Gedanken herrscht die Angst und Befürchtung vor das Siljan jeden Moment um die Ecke kommen würde.

Angestrengt starre ich in die Richtung aus der das Geräusch kam, doch außer den Schehmen einiger Büsche ist nichts zu erkennen.

Ich habe Glück, denn von dem blonden Norweger fehlt jede Spur.

Trotzdem bin ich unruhig und beeile mich um zügig nach Hause zu kommen bevor noch jemanden mein Verschwinden bemerken würde.

Kurz bevor ich das Haus erreiche bete ich, das Lin noch nicht von der Arbeit heimgekehrt sein möge, schließlich würde es schwer werden den Blutgeruch vor ihr zu verbergen.

Leise öffne ich die Haustür und schleiche in das Innere ohne dabei Licht anzumachen.

Ich schließe sie geräuschlos hinter mir und atme tief durch.

Geschafft.

Eine Last fällt mir von der Brust.

Beschwingt drehe ich mich um, nur um mich zum zweiten Mal Auge in Auge mit einem Mann zu befinden.

„Ich weiß was du bist“, ist das einzige das mir Njal mit unbewegter Miene vorwirft.

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Huhu ihr Lieben, ich hoffe euch hat das Kapitel und vor allem auch das Ende zugesagt ;)
Und das oben beigefügte Musikvideo echt cool oder? Ich liebe das Lied und es war sehr inspirierend.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt