Kapitel 30

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„Du solltest lernen dich bei derartigen Bemerkungen zu zügeln, es sei denn dir liegt nicht viel an deiner Zunge“, zischt der Norweger daraufhin so grollend wie der Donner.

Überrascht von seiner plötzlich aufkochenden Wut lege ich meine Stirn in Falten und weiche einen Schritt von ihm zurück.

Sicher ist sicher.

Njal verzieht zwar keine Miene, erdolcht mich aber dennoch weiter mit seinen Blicken.

Schließlich scheint er genug von mir und meinem Anblick zu haben, denn er wirbelt herum und stürmt mit großen Schritten aus dem Krankenzimmer.

Ich bleibe mit einem Fragezeichen über dem Kopf zurück.

Sicher braucht es nicht viel, meist ist meine Anwesenheit schon genug, um dem Brünetten die Laune zu verderben, aber dennoch erklärt sich mir nicht, was ihn gerade bis aufs Blut gereizt hatte.

Er hatte mich an einen Vulkan, der kurz vor einem Ausbruch steht, erinnert.

Der Rauch war ihm schon fast sichtbar aus dem Kopf gequollen und sein Körper hatte nur so vor Wut und Anspannung gebebt.

Nachdenklich wende ich mich Arn zu, der immer noch die schlafende Prinzessin mimt.

Er scheint von der schon fast greifbaren Spannung, die noch immer im Raum hängt, nicht weiter Notiz zu nehmen.

„Du kannst erwachen holde Maid, es sei denn du verzehrst dich noch nach einem Kuss“, scherze ich.

Ohne die Augen zu öffnen formt mein bester Freund seine Lippen zu einem Kussmund und streckt seine Arme fordernd in meine Richtung aus.

Kichernd schüttle ich den Kopf,“ Es ist zu spät, wie es scheint hatte dein Prinz doch keine Zeit mehr für dich“.

Gespielt gequält verzieht Arn sein Gesicht, ehe er seine grünen Augen aufschlägt und mich angrinst.

„Wie schade, ich war gänzlich in der Aura seiner Liebe und Zuneigung gefangen. Ich dachte, das wir dafür bestimmt wären, für immer zusammen zu sein.“, steigt er dramatisch in mein Spiel ein.

Gerade als ich ihn weiter necken will, fällt mein Blick auf die kleine, silberne Uhr an meinem rechten Handgelenk.

„Mist! Ich war schon vor einer halben Stunde mit Lin und Rya verabredet “, rufe ich erschreckt aus und breche in Hektik aus.

Eilig häufe ich meine Aufzeichnungen, ehe ich mich entschuldigend Arn zu wende.

„Du weißt wie gerne ich noch hier bleiben würde, aber ich befürchte, dass die anderen nur misstrauisch werden würden“.

Mein Inneres sträubt sich dagegen ihn jetzt zu verlassen, vor allem da er in seiner momentanen Verfassung so gut wie schutzlos ist.

Was ist wenn Njal zurückkommt und erkennt, dass er wach ist?

Ich würge meine Ängste und Bedenken hinunter als ich Arn zum Abschied flüchtig umarme.

Seine Nähe hat eine unbestreitbar tröstliche Wirkung auf mich und gibt mir das Gefühl, es seien der Hoffnung keine Grenzen gesetzt.

Ich werfe einen letzten Bick in das triste Krankenhauszimmer und auf Arn, der darin so hell strahlt wie eine Sonne.

Meine Sonne.

Er zwinkert mir freundschaftlich aus seinen leuchtend grünen Augen zu, ehe er die Augen schließt und ich das selbe mit der Tür mache.

Zwei Tage waren nun vergangen. 48 Stunden, in denen ich das Unausweichbare, krampfhaft ignoriert und aufgeschoben hatte.

Es galt eine Lösung dafür zu finden, wie ich Arn möglichst zeitig und unauffällig aus dem Lager und generell auch aus dem Revier des Nordruddels schmuggeln könnte.

Bis jetzt war ich noch ratlos und auch meinem besten Freund blieb die zündende Idee aus.

Anfangs hatte er sich gesträubt auch nur einen meiner Fluchtpläne anzuhören, da es für ihn undenkbar war mich alleine zurückzulassen.

Er schlug eine gemeinsame Flucht vor, doch diese musste ich leider ablehnen.

Durch mein vermeintliches Insiderwissen wurde ich schließlich rund um die Uhr beobachtet und wenn ich mich auch nur ein bisschen zu weit von dem Lager entfernen würde, wären alle in Alarmbereitschaft.

Ohnehin setzte ich meine Tarnung auch schon genug aufs Spiel, indem ich täglich so viel Zeit wie nur möglich im Krankenhauszimmer 46 verbrachte.

Lin hatte mich bereits darauf angesprochen, doch ich hatte mit der Begründung, das mich der Patient an ein Familienmitglied erinnerte, meinen Hals aus der Schlinge gezogen.

Zugegeben eine gute Ausrede war das nicht, jedoch reichte sie vollkommen für die mitfühlende Ärztin aus.

Außerdem war sie verdammt nah an der Wahrheit, Arn war ja praktisch ein Familienmitglied für mich, und somit musste ich auch nicht lügen.

Gerade hielt ich mich, wie für gewöhnlich um diese Uhrzeit, im Krankenhaus auf und lungerte unauffällig in der Nähe von meinem Lieblingszimmer herum, als das Klackern von hohen Abätzen die friedliche Stille durchbrach.

Gehüllt in eine Wolke von blumigen Parfüm steuerte Christin auf mich zu.

Der Krankenhausflur schien sich unter ihren langen Beinen und den, in hochhakige Poems verschwundenen Füßen, in einen Laufsteg zu verwandeln, der prompt vor mir endete.

Mit einer schwungvollen Kopfbewegung warf sie sich ihre blonde Mähne über die Schulter und beendete somit ihre Performance.

Wie sie nun so huldvoll lächelnd von oben auf mich hinabblickte, juckte es mir ungemein in den Händen danach lautstark zu applaudieren.

Was für ein Auftritt.

Misstrauisch starre ich zu ihr hoch und frage mich gleichzeitig im Stillen, mit welcher Hiobsbotschaft ich nun konfrontiert werden würde.

Immerhin kam es nicht häufig, ehrlich gesagt noch nie, vor, dass mich die blonde Grazie mit ihrer Anwesenheit beehrte.

In der letzten Zeit hatte ich sie außerhalb des Kindergartens zwar unschöner Weise auch öfter in meinem Gastzuhause angetroffen, jedoch galten ihre ständigen nächtlichen Besuche dort nicht mir.

Und wenn sie doch bis zum Frühstück blieb, so hatten wir keinen Blick für einander übrig.

Dieses Meidungsverhalten hatte mir bis jetzt immer zugesagt und ich sah keinen Grund es zu verändern.

Nun gut, jetzt musste ich es wohl doch zwangsläufig, da sie direkt vor mir stand und mich aus ihren giftsprühenden Augen abfällig musterte.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt