Kapitel 25

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Was folgte war die Ruhe vor dem Sturm.

Siljan schwieg zwar auf meine Worte hin, jedoch war die Luft zwischen uns nur so geladen von elektrischer Spannung.

Mein Blick sucht den Seinen, um so möglicher Weise einen Einblick in seine Gefühlwelt zu erhalten, aber er weicht mir gekonnt aus.

Das unregelmäßige Heben und Senken seines breiten Brustkorbs ist schließlich das erste Anzeichen dafür, dass der Vulkan in ihm kurz vor dem Ausbruch steht.

Anschließend durchfährt ein Beben seinen Körper, als blitzschnell seine zur Faust geballte Hand auf den Fels unter uns donnert.

Der daraus resultierende Knall ist ohrenbetäubend.

Das gesamte Gestein, auf dem wir uns befinden, erzittert unter seiner Kraft.

Steinbrocken werden abgesprengt und sausen durch die Luft wie Geschoße.

Refleksartig reiße ich schützend meine Arme vor mein Gesicht und weiche taumelnd zurück.

Die aufgewirbelte Dreckwolke behindert drastisch meine Sicht und somit bemerke ich erst jetzt, dass ich schon die Kante des Felsbrockens erreicht habe.

Mit den Armen rudernd versuche ich mein Gleichgewicht wieder zu erlangen, doch es ist zu spät und ich falle.

Mein Körper segelt erneut den Fluten entgegen.

Das Gefühl des Freien Falls und der damit verbundenen Leichtigkeit berauscht mich und unwillkürlich schließe ich die Augen.

Der Wind erfasst meine Haare und peitscht sie mir ins Gesicht, als ich mich darauf vorbereite die Wasseroberfläche zu durchbrechen.

Doch so plötzlich wie mein Fall begann, so abrupt endet er auch.

Ein Ruck durchfährt mich und um mein Handgelenk geschlungene Finger verhindern meinen ursprünglich unweigerlichen Aufprall.

Verblüfft schlage ich meine Lider auf, nur um in ein Paar schwarzer, von glutroten Iriden umrahmter, Pupillen zu blicken.

Siljan´s Augen scheinen ebenso zu brennen, wie das Gefühl von seiner Haut auf meiner.

Augenblicklich kocht eine Hitze in mir auf und versetzt mein Blut in Wallungen.

Mechanisch greifen meine Finger nach seinem Unterarm und legen sich wie kleine Straubstöcke um ihn, nicht gewillt ihn auch nur für eine Millisekunde wieder loszulassen.

Warme Schauer laufen mir von meinem Handgelenk bis hinunter in die Fußzehen und mein Puls dröhnt laut und völlig aus dem Takt gebracht in meinen Ohren.

Es klingt schon fast wie eine Aneinanderreihung von musikalischen Klängen, deren Zusammenspiel einzig und alleine für ihn komponiert wurde.

Gefangen in dem Moment verharren wir so einige Augenblicke völlig erstarrt und ohne ein weiteres Mal in seine Spiegel der Seele zu blicken weiß ich, dass er gerade dasselbe empfindet wie ich.

Meine Muskeln sind durch seine Berührung wie paralysiert und somit hänge ich völlig bewegungs- und handlungsunfähig wie eine Stoffpuppe in seiner Hand.

Schließlich verhärtet sich sein zuvor gelöster Ausdruck wieder und er zieht mich ruckartig, als würde ich nicht mehr wiegen als eine Feder, über den Rand der Klippe zurück auf den nun demolierten Felsen.

Auch wenn ihn das Ganze keinerlei körperliche Anstrengung zu kosten scheint, sind seine Muskeln dennoch zum zerreißen angespannt und nur mit Mühe gelingt es mir sich von diesem , zugegebenermaßen herrlichen, Anblick loszureißen.

Sobald ich wieder festen Boden unter den Füßen habe gibt er abrupt mein Handgelenk frei und entreißt mir das seine, indem er einen raschen Schritt zurück macht.

Seine Zurückweisung fühlt sich an wie ein Schlag ins Gesicht, doch diesen nehme ich danken in Kauf um wieder Herr meiner Sinne zu werden.

Die Distanz zwischen uns ist jedoch auch eine zweiseitige Medaille.

Denn auch wenn sie mir zum einen dabei hilft, das alte Chaos in meinem Kopf zu sortieren, so erzeugt sie auf der anderen Seite auch wieder ein neues.

Ohne seine Berührung zu sein war qualvoller als ich es mir je hätte ausmalen können und dieses Wissen bereitet mir mehr Angst als ich zugeben würde, denn der Hunger nach ihm scheint unstillbar zu sein.

Alleine sein Geruch war wie eine Droge für mich.

Die vielen unterschiedlichen, aber allesamt zu intensiven Gefühle, die seine Gegenwart in mir herauf beschwört, machen es mir ebenfalls schwer nicht auf der Stelle in Ohnmacht zu fallen.

Voller Adrenalin sinke ich in mir zusammen und versuche leise keuchend das eben Geschehene zu verarbeiten, dabei fällt mein Blick auf meinen von blutenden Wunden gezeichneten Unterarm.

Siljan´s Gesichtsausdruck wird  von einem dunklen Schatten verzerrt ,als er meinen Augen folgt.

Plötzlich stößt er ein animalisches Knurren aus und macht wieder einen Satz auf mich zu.

Ich bilde mir ein für einen kurzen Moment so etwas wie Sorge in seinen Augen aufblitzen zu sehen.

„Was fällt dir eigentlich ein, bist du etwa lebensmüde, dass du es wagst mich derartig zu provozieren ?“,brüllt er mich mit einem Mal in voller Rage an.

„Ist dir nicht klar, dass ein einziger Moment, in dem ich die Kontrolle in deiner Gegenwart verliere, dein Letzter sein kann?“, seine Stimme bebt nur so vor Wut.

„Ihr Menschen seid so verdammt zerbrechlich, das eine winzige Bewegung von mir ausreicht um dich wie eine Fliege zu zerquetschen“, drohend baut er sich über mich auf und starrt zu mir nieder, wie ein dunkler Rachegott.

Sein Blick ist auf meinen leicht blutenden Arm gerichtet.

Von seinem plötzlichen Ausbruch überrascht, friere ich in meiner Bewegung ein und kann ihn nur sprachlos anstarren.

„Ach vergiss es, ihr denkt doch ihr wärt unbesiegbar, das stärkste Glied in der Nahrungskette…  wie unglaublich arrogant und dumm ihr doch seid“, höhnt er weiter.

“In deinen Augen mag ich ein Monster sein und das bin ich vielleicht je nach Definition auch, aber du solltest wissen, dass ich nicht immer so war…“, für einen kurzen Moment glaube ich mir einzubilden, so etwas wie Schmerz in seiner kalten Stimme mitschwingen zu hören.

Doch die nächsten Worte, die seinen Mund verlassen, sind klar die eines gebrochenen und zutiefst verletzten jungen Mannes, „Deinesgleichen hat mich zu dem gemacht,was ich heute bin und das werde ich nie vergessen“.

Der Satz schwebt wie eine dunkle Wolke zwischen uns, als sich Siljan ohne ein weiteres Wort zu verlieren oder mich eines letzten Blickes zu würdigen von mir abwendet.

SaoirseWo Geschichten leben. Entdecke jetzt