Kapitel 8

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"Pause?", fragte ich.
"Pause.", antwortete er.
Klar, nach mehreren Stunden, in denen man durch die überfüllte Stadt huschte, brauchte man eine Pause.

"Ich hol' uns mal was zutrinken.", sagte ich und verschwand mit einem Lächeln auf den Lippen in dem nächsten Starbucks.
Felix ließ ich draußen warten.

Als ich mit zwei kühlen Getränken wieder in die brüllende Hitze trat, sah ich auf dem ersten Blick keinen Felix der auf mich wartete.
Auf dem zweiten Blick sah ich seinen Kopf über eine Menschentraube hinausragen. Viele Mädchen und Jungen im Alter von 12-16 Jahren hatten sich um ihn versammelt.
Von jeder Ecke war ein lautes "Dner!" zu hören und die ahnungslosen Menschen starrten ihn nur so an.
Sicher, er hatte mir von seinem YouTube-Hobby erzählt, doch dass diese Sache auf den Straßen solche Ausmaße nehmen würde hätte ich nicht gedacht.
Doch anstatt dass es weniger Zuschauer um ihn rum wurden, wurden es eher immer mehr. Diese Traube erregte eine Horde an Aufsehen.
Mir leuchtete jetzt auch ein wieso er die Stadt vorerst meiden wollte, genau deswegen.
Doch warum er trotzdem darauf bestand mit mir Klamotten shoppen zu gehen, obwohl er doch wusste was passieren könnte, und ja letztendlich auch geschehen war, fragte ich mich trotzdem.

"Dner! Ich liebe dich!", schrie eines der Mädchen aus einer Ecke.
Irgendwie fand ich es süß. Ich fand diesen ganzen Trubel um ihn süß. Und ich fand es süß wie er versuchte mit jedem ein Foto zu machen. Und da ich mich nicht durch die ganzen Leute bis zu ihm durchdrängen wollte, was dazu noch ziemlich unhöflich war, wartete ich ab bis jeder zufriedengestellt wurde.
Die Minuten vergingen, 10 Minuten, 20 Minuten. Ich hatte mir schon einen Stuhl gesucht in dem ich mich niederlassen konnte, weiterhin das Geschehen im Auge.
Zwischendurch wanderten auch seine Blicke zu mir rüber, und jedes Mal grinste er nur entschuldigend.

"Wartet mal Leute, einen Moment.", rief er durch die immernoch bestehende Masse und drängte sich zu mir durch. Doch bei ihm empfand ich es nicht als 'unhöflich'.

"Komm her!", rief er mir zu und sah aufmunternd zu den Zuschauern zurück. Er hielt mir seine Handy hin, ich nahm sie. Er zog mich mit zu der Masse, welche direkt wieder einen dichten Kreis um uns bildete. Unsere Getränke musste ich dann wohl mutterseelenallein auf dem Tisch neben dem Stuhl auf dem ich saß stehen lassen.

"Und wozu jetzt das ganze?!", fragte ich und wurde von allen Seiten an ihn gequetscht. Gut, dagegen hatte ich nichts einzuwenden.
"Ich will ein Foto für Instagram machen!", rief er auch den anderen zu.
Er zückte sein Handy aus seiner Hosentasche, ich tat es ihm gleich um diesen Moment ebenfalls festzuhalten.
"Alle Lächeln!", rief er und grinste mit mir und vielen Zuschauern zusammen in die Kamera.
Ein knipsen ertönte von meinem, sowie auch von seinem Handy.
Keine paar Minuten später war sein Bild auch schon auf seiner Instagram-Seite zu sehen.

"Wer ist die Olle?"
"Was macht die hier?"
"Das ist doch kein Fan!", hörte ich hin und wieder rufen. Sie meinten mich, und je öfter ich diese Sprüche hörte, desto schneller wollte ich aus dieser Menschentraube hinaus.

Weitere Viertel-Stunden vergingen und es wurde nicht leerer. Ich, immernoch mitten im Geschehen mit Felix zusammengequetscht.

"Hör zu, bevor mir Stress mit der Polizei bekommen sollten wir uns langsam mal verziehen.", flüsterte er in mein Ohr. Ich nickte bloß.

Seine Hand klammerte sich wieder in meine.
"Siehst du diese kleine Lücke dort vorn?", er deutete mit seinem Blick auf einen winzigen Spalt Freiheit zwischen ein paar Mädels.
"Ich zähle jetzt bis 3, dann rennen wir 2 dort so schnell wie möglich durch und drängen uns durch die Leute bis zu einem Hinterhof oder einer Gasse. Sie werden uns folgen also mach dich auf alles gefasst.", wies er mich hin. Mein Herz war bereits in meine Hose gerutscht.

"1.....2.....", flüsterte er kaum hörbar und sah nochmal beschäftigt durch die Menge.
"...3!", rief er und zog mich hinter sich her. Auf der Flucht vor anhänglichen Zuschauern.

"DNER WARTE!" , hörten wir auch schon die ersten schreien und beschleunigten unser Tempo.
Seine Hand krallte sich immer fester in meine. Ich blickte kurz zurück und sah die Fans hinter uns her rennen.
Das nächste Hinderniss. Die Treppenstufen zum Dom rauf.
Unsere Füße ratterten so schnell wie möglich die vielen Stufen hinauf.
Weiter rannten wir quer über die Domplatte, ein paar Stufen wieder hinunter und in die nächste Gasse verschwunden und von dort an wieder in eine Gasse.

"Die sollten wir abgehängt haben.", schnaufte Felix außer Puste und auch ich war am Rande meiner Kräfte.
Ich erhaschte mir noch einen schnellen Blick um die Ecke in die Gasse davor, doch da war niemand.
Langsam und erschöpft ließ ich mich zu ihm auf den Boden sinken und wir atmeten im Takt schwer ein und aus.

"Ich schulde dir 4,95€.", schnaubte er weiter.
"Nichts schuldest du mir. Die Getränke sind jetzt egal.", mir fehlte fast die nötige Luft zum Reden.

"Danke..", sagte er leise und lehnte seinen Kopf gegen die kalte Backsteinwand.

Verwirrt sah ich ihn.

"Danke dafür, dass du diesen Marathon mitgemacht hast.", ergänzte er sich selbst.

"Du hast mir keine Wahl gelassen.", neckte ich ihn.

"Du hättest dich auch losreißen können, hast es aber nicht.", fuhr er fort.

"Ganz einfach, weil ich dir vertraue. Und es war irgendwie Nervenkitzel.", fügte ich hinzu und ein breites grinsen überkam mich.

Weiter schnappte ich nach Luft zum Atmen. Meine Unsportlichkeit zeigte sich wiedermal von der besten Seite.
Mein Puls senkte sich nach ein paar Minuten wieder und mein Herzschlag sank zurück auf 70-80 Schläge die Minute.

"Wir hatten bisher ein Laber-Date, ein Aachener-Weiher-Date und nun auch ein Flucht-vor-Zuschauern-Date. Besser gehts ja wohl nicht.", lachte Felix, der nun vor mir stand und mir seine Hand anbot damit ich aufstehen konnte.

"Dazu kommt noch dass ich dir Geld schulde.", sagte er und zog wieder seine Augenbrauen nach oben sodass ich mir ein Lachen nicht verkneifen konnte.

"Hör auf...", bat ich ihn.
"Du schuldest mir überhaupt nichts. Und außerdem hast du das wir-schwänzen-Uni-klausur-Date vergessen."

"Ah, das kommt auch noch auf die Liste.", sagte er und schnippte mit den Fingern.

Wir liefen die Gassen wieder zurück in Richtung Zivilisation.
Und ehe wir uns versahen, ging auch die Sonne schon unter.
Mit der Bahn fuhren wir zurück zur Schulzalee. Vom Dom bloß 5 Minuten mit der Bahn.

Unsere Verabschiedung endete dann wie jede andere auch. Mit einer Umarmung die jedoch komischer Weise von mal zu mal länger andauerte und in der ich fast tagtäglich meinen Kopf in seinen Nacken grub und den lieblichen Duft seines Parfüms einatmete.

HopeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt