siebzehn

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"D-das tut mir so leid!" Aufgelöst fuhr er sich durch die Haare, als wir vor dem Raum ankamen, in dem ich gleich Unterricht hatte. Unsere Lehrerin schien noch nicht da zu sein, denn die Tür stand offen und es drang Gegröle von innen heraus.
"Hätte ich das gewusst, hätte ich dich kein einziges Mal aus den Augen gelassen, das verspreche ich dir. Wirklich, ich hätte mir aber schon irgendwas denken können, oder? Ich meine Lydia is-"

Ich nickte nur und unterbrach ihn, indem ich seufzte. "Danke Ryan. Aber es ändert nichts mehr und ich muss jetzt so mit der Situation klarkommen, wie sie gerade ist."

"Meinst du sie wird heute normal mit dir reden?", fragte er unsicher und trat einen Schritt näher zu mir. Ganz sanft zog er mich in eine Umarmung.

Ich ließ es zu und zuckte nur abgehakt mit den Schultern. "Ich gehe heute vor der Mittagspause."

"Kommt schon, genug gekuschelt, ihr zwei! Komm mit rein, Haley!" Mrs Benway tauchte neben uns auf, weshalb Ryan mich losließ und sich räusperte.

Ich nickte nur und senkte meinen Blick, als ich ihr gut gemeintes Lächeln sah, aber ich würde gerne den Kontakt zu irgendwelchen Leuten auf dieser Schule vermeiden.
Außer zu Ryan wahrscheinlich. Er war vollkommen okay. Wenn er mich nicht anlog.

Ich schluckte und setzte mich auf meinen üblichen Platz. Meine Bewegungen liefen ab, wie die eines Roboters.
Ich konnte ganz genau den Blick einer gewissen Verräterin spüren, welcher verschwand, als ich allen Mut aufnahm und zur Seite sah.

Ihre Haare waren hochgesteckt und sie trug eine enge Bluse.
Das Mädchen, was neben mir saß, war nicht Eren. Sie hätte sich niemals so angezogen. Sie liebte ihre großen Hoodies und mochte es nur sich in auffällige Kleidung zu stecken, wenn sie einen Grund hatte sich richtig aufzubretzeln.
Das neben mir war die Version, die Lydia von Eren haben wollte und es geschafft hatte.

Aber was sollte mich es jetzt noch stören? Wäre der Vorfall am Wochenende nicht geschehen, dann hätte ich mich vielleicht noch für sie eingesetzt.
Jetzt saß ich mit trockenem Mund und zusammengezogenem Brustkorb neben ihr, wünschend sie wäre nicht hier.

Ich lief mit eingezogenem Kopf durch den Korridor, an allen Schülern vorbei, die ich bestimmt bei der Party gesehen, nur nicht beachtet hatte.

Sie musterten mich, wandten dann ihre Blicke ab und verschwanden aus meinem Blickfeld. Kurz dachte ich, dass alles okay wäre und fragte mich, warum ich mir so einen Stress gemacht hatte. Doch dann liefen immer mehr an mir vorbei und tuschelten, während sie mir direkt in die Augen sahen.

Ich schluckte und Unbehagen überkam mich schneller als ich wollte. Meine Bücher drückte ich gegen meine Brust und krallte meine Finger in deren Umschlag.

Aufgewühlt trat ich um die Ecke und atmete leise und schwer aus. Vielleicht würde ich heute doch schon früher verschwinden.

Mit leicht zusammengekniffenen Augen sah ich nach vorne, als eine Person die Schule betrat. Den Motorradhelm unter Arm und den Rucksack über der Schulter lief er gelangweilt wie immer durch den Flur. Seine Haare lagen unordentlich auf seinem Kopf und hingen ihm in die Augen, was ihn jedoch nicht zu stören schien. Seine breiten Schultern waren noch immer von der Motorradjacke verdeckt, unter welcher er ein graues Sweatshirt trug.

Der Junge schien mich erst zu bemerken, als ich hochsah.

"Hey." Meine Mundwinkel hoben sich und verdeckten, wie miserabel ich mich gerade fühlte.

Wir liefen gerade aneinander vorbei, als ich gesprochen hatte. Er sah nur vom Boden auf und sah mich durch seine dunkeln Augen intensiv an, zwischen welchen sich seine leicht gelockten Haare definierten.
Dann wandte er seinen Blick wieder ohne irgendeine Reaktion ab, weshalb ich schluckte.

look at me now | germanWo Geschichten leben. Entdecke jetzt