Bayan POVIch krächze nach Luft und spüre meine trockende Zunge im Wind wehen, während ich mühsam versuche Anschluss zu halten und gleichzeitig nicht zu stolpern. "Du bist eine lahme Ente!" Ruft Cash mir zu, woraufhin ich ihm in die Rute beiße und die Ohren anlege, um noch windschnittiger zu sein. Knurrend nimmt er meine Aufholjagd zur Kenntnis und versucht den kürzesten Weg durch das Unterholz zu wählen. Dumm nur, dass ich den selben Plan habe und er mich somit nicht abwimmeln kann. "Dieses Mal gewinne ich!" Rufe ich euphorisch, weiche einer Wurzel aus, die aus dem Boden ragt und ziehe triumphierend an meinem Bruder vorbei. Wettrennen sind meine Stärke und so kommt es nicht selten vor, dass ich Cash meilenweit voraus bin und den Heimweg für mich entscheiden kann. Am liebsten würde ich es ihm vor Ethan und Cody unter die Nase reiben, doch ich weiß genau, wie sehr es ihn stören würde. Wozu also auf etwas aufmerksam machen und darüber lachen, wenn er es nicht ebenfalls amüsant findet? Das wäre einfach nur gemein und ich habe nicht vor gemein zu ihm zu sein. Ich schlage einen Haken, um wieder auf unsere reguläre Route zurückzukehren, die wir für eine Abkürzung verlassen haben und schaue mich gerade nach Cash um, da packt mich dieser an der Rute und stemmt die Pfoten in den Boden. Ich stoße einen Schrei aus und funkle ihn böse an. Er ist ein schlechter Verlierer. Das war er schon immer, aber solche Mittel sind nicht fair. Nicht einmal für Cash drücke ich dabei ein Auge zu. "Was soll das?" Knurre ich ihn an, doch die Aufmerksamkeit meines Bruders liegt nicht auf mir, sondern auf den dunklen Gestalten, die etwa hundertmeter entfernt von uns stehen und uns zwielichtig beobachten. Ich verharre in meiner Position, während Cash einen Schritt vor geht und neugierig mit den Ohren spielt. Wölfe am helligten Tag? Nein, das kann kein wildes Rudel sein. Sie hätten uns schon längst aus ihrem Revier verjagt oder wären selbst geflohen. Abgesehen davon, dass kein Wildtier am Nachmittag durch den Wald spaziert und sich fremden Artgenossen zeigt. Sie müssen ebenfalls Gestaltwandler sein. Nicht unbedingt verwunderlich, gibt es doch genügend solcher Wesen in dieser Welt. "Was guckt ihr so blöd?" Meldet Cash sich, liebevoll wie immer, zu Wort und fletscht drohend die Zähne. "Wir sollten gehen." Knurre ich ihn an und behalte dabei die zwei Fremden im Blick, die sich noch immer nicht vom Fleck bewegt haben. "Ich habe keine Angst vor denen." Und mit diesem Fakt, der mir sehr wohl bekannt ist, stolziert Cash wie ein König auf die Wölfe zu. Warum habe ich ausgerechnet ihn als Bruder? Egal wo er ist, er sucht die Konfrontation und geht dabei volles Risiko ein. Er wird niemals ein Rudel führen können. Zumindest keines, das aus stabilen Strukturen besteht. Cash wird mit dieser Risikobereitschaft ein Rudel zur Revolution führen, da bin ich mir sicher. "Ethan hat gesagt, wir dürfen nicht mit Fremden reden!" Erinnere ich ihn an die wenigen Regeln, die unser Leben bestimmen und weiß bereits genau, dass es ihm egal ist. Ihm ist alles egal, wenn er einer Konfrontation gegenüber steht. "Wir sollten wirklich gehen, Cash! Das ist zu gefährlich." Widerwillig trotte ich hinter meinem Bruder hinterher und versuche die Umgebung bestmöglichst nach weiteren Wölfen abzusuchen. Was ist, wenn sie uns in einen Hinterhalt locken wollen? Meine Nase ist längst nicht ausgereift genug, um jeden von ihnen aufzuspüren. Wir würden also direkt in eine Falle laufen und das sogar mit Anlauf und Kopfsprung. All das nur, weil mein Bruder ein viel zu großes Ego besitzt und sich andauernd provoziert fühlt. "Ich habe euch was gefragt!" Ruft er den Fremden zu, die sich nicht sicher zu sein scheinen, wie sie reagieren sollen. Ihre Ohren drehen sich nervös in die verschiedensten Richtungen, während ihre Augen auf uns gerichtet sind und keine Bewegung unbeobachtet lassen. "Schön, dann erkläre ich es euch eben anders. Das hier ist unser Revier und ihr habt genau zwei Minuten Zeit um euch aus dem Staub zu machen, bevor wir euch in Stücke reißen." Beschämt senke ich den Kopf und lasse die Ohren hängen. Woher stammen nur diese grausamen Fantasien? Ich habe nie das Verlangen jemanden zu verletzen. Warum machen wir uns nicht einfach auf den Heimweg und erzählen Ethan von dieser Begegnung. Er wird wissen, was zu tun ist und ob Gefahr besteht. Das wird er um einiges besser einschätzen können als ein Grundschüler. "Habe ich mich nicht deutlich genug ausgedrückt?" Tief knurrend, stellt Cash die Nackenhaare auf und zieht das Tempo an. Er sieht aus wie eine Hyäne und ich habe panische Angst vor Hyänen. Seine geringe Größe und die Tatsache, dass wir aussehen wie handzahme Wolfswelpen, dessen Knopfaugen die Menschen zum Strahlen bringen, wird von seinem drohenden Auftreten in den Schatten gerückt und hinterlässt deutlichen Eindruck bei den Fremden. "Das sind sie nicht." Knurrt einer der Beiden, als wir nur noch wenige Meter entfernt sind und macht auf dem Absatz kehrt. Cash knurrt auf und setzt zum Sprint an, woraufhin auch der andere Wolf die Flucht ergreift. Ich bleibe als Einziger zurück und schaue meinem Bruder neugierig nach. In wenigen Minuten wird er die Verfolgungsjagd aufgeben und zurückkehren. Noch ist er eben nur ein kurzbeiniger Welpe und hat keine Chance mit ausgewachsenen Wölfen Schritt zu halten. Also trotte ich gemütlich in Richtung Heimat und denke darüber nach, wie ich Cody und Ethan meinen Wunsch für ein eigenes Haustier unterbreiten kann. Vielleicht ist es etwas makaber als Raubtier potentielle Beutetiere zu halten, aber ich finde Kaninchen oder auch Meerschweinchen unheimlich spannend. Sie dürften bei mir im Zimmer schlafen und bei gutem Wetter im Garten umher tollen. Ich würde mich um sie kümmern, ganz bestimmt sogar. Nicht so wie Cash, der nach wenigen Tagen die Lust an ihnen verlieren würde. Ich kann Verantwortung übernehmen. Das hat die Lehrerin auch bestätigt. Vielleicht bitte ich sie um eine Notiz, die mich als potentiellen Haustierbesitzer vorschlägt.
"Warum bist du mir nicht gefolgt?" Erklingt die Stimme meines Bruders hinter mir und ich lecke mir zufrieden über die Zähne. Ich habe ja gesagt, er wird schon bald zurückkehren. "Sie haben uns nicht bedroht und sind der Konfrontation ausgewichen, wieso sollte ich ihnen weh tun wollen?" Knurrend verdreht er die Augen, wie er es immer tut, wenn ich seinen komischen Hobbys oder Launen widerspreche. Dieses Mal verzichtet er allerdings auf eine Belehrung und verwickelt mich stattdessen in ein neues Abenteuer. "Ich glaube, ich weiß wo ihr Versteck ist. Auf der anderen Seite vom Berg gibt es zwei Häuser, die eine direkte Anbindung an die Stadt haben. Es sind erst vor wenigen Wochen welche dort eingezogen." Desinteressiert mustere ich meinen Bruder, antworte jedoch nicht. "Ich muss unser Revier beschützen, jetzt wo Dad nicht da ist. Also was sagst du? Heute Abend?" Euphorisch springt er um mich herum, als sei das der beste Plan, den er jemals hatte und scheint wirklich der Überzeugung zu sein, dass ich meine Meinung ändere und diese Wölfe aufsuche. Wenn es überhaupt Wölfe sind, die dort seit kurzem wohnen. "Er ist nicht unser Dad und außerdem würden Ethan und Cody es uns niemals erlauben." Das Rudelhaus taucht in der Ferne auf und lenkt mich von dem Schmerz ab, der durch meine Venen fährt und mich an Zacharys Worte erinnert. "Dein Dad vielleicht nicht, aber mich mag er noch immer." Er scheint gar nicht zu bemerken, wie verletzend diese Worte sind. Zumindest wedelt er freudig mit dem Schwanz und läuft triumphierend heulend auf das Haus zu, auf dessen Veranda Ethan sitzt und ein Buch liest. Er wird gehen. Er wird sich wieder einmal ins Unglück stürzen. Das ist die Bestimmung von Cash. Ins Unglück stürzen und sich irgendwie daraus befreien. Zumindest hoffe ich, dass letzteres eintreten wird.
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
WerewolfStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...