Interessiert begutachte ich die neue Folierung von Ethans Motorrad. "Das sieht verdammt sexy aus." Mache ich ihm ein Kompliment zu dieser akkuraten Arbeit und greife Cash am Nacken, als dieser mit seinen schmierigen Fingern nach der Maschine greift. "Was bedeutet, sexy?" Fragt er an mich gewandt, doch ich ignoriere ihn. Mich stört seine Anwesenheit sowieso immens, da habe ich kein Interesse daran ihn auch noch zu bespaßen. Er hätte genauso gut mit Heather ins Haus gehen können oder wo auch immer sie sich mittlerweile aufhält. Ich habe sie nicht mehr gesehen, seitdem ich mich vor einem weiteren Kampf gedrückt habe und gemeinsam mit Ethan den Strand entlang spaziert bin, anstatt Joshua für seine respektlose Art mir gegenüber, eine Lektion zu erteilen. Zugegeben, das ist gerade einmal eine Stunde her. Mir kommt es allerdings vor wie eine halbe Ewigkeit und ich beginne zunehmend, mich nach ihrer Nähe zu sehnen. Sie braucht Zeit hat Ethan erklärt und auch wenn ich ihm recht gebe und nachvollziehen kann, wie überwältigend ihr Wiedersehen mit Koda ist stört es mich, dass sie lieber Zeit mit ihm verbringt als mit mir. Vorausgesetzt, sie ist noch bei ihrem Bruder und nicht längst gemeinsam mit Joshua durchgebrannt. Ich schüttle den Kopf, um diese hysterischen Eifersuchtsgedanken loszuwerden. Nein, wir haben eine klare Abmachung gehabt. Sie wird nicht mit ihm allein sein. Heather hält sich an Abmachungen. Im Gegensatz zu mir. "Warum gehst du nicht zu den anderen und spielst ein wenig mit deinen Legosteinen?" Versuche ich es ausnahmsweise freundlich, doch wenn Cash etwas nicht beherrscht, dann das Reagieren auf freundliche Aufforderungen. "Nö." Gibt er mir zu verstehen und windet sich aus meinem Griff, um sich neben das Motorrad auf die gestapelten Paletten zu setzen. Verdammter Mistkerl. Normalerweise klebt er Heather an den Fersen, wie ein lästiges Kaugummi und hat mich nur aufgesucht, wenn er meine Nerven absichtlich strapazieren wollte. "Ich will dich aber nicht hier haben." Knurre ich und balle die Hände zu Fäusten, lockere sie allerdings sofort wieder. Meine Bemühungen haben sich bereits am Strand ausgezahlt. Ich werde sie sicherlich nicht über den Haufen werfen, nur weil ein kleines Kind meinen Forderungen widerspricht. "Das gesamte Rudel will dich nicht hier haben und du bist trotzdem da." Entgegnet er frech und begutachtet dabei seine Fingernägel ausgiebig, als würde ihn der Zustand dieser auch nur ansatzweise interessieren. Szenarien unterschiedlicher Möglichkeiten rasen mir durch den Kopf, doch ich schweige stattdessen. Cash scheint genauso überrascht zu sein wie Ethan, welcher sich die mit Öl verschmierte Hände in einem Lappen abwischt und mich irritiert mustert. "Hast du mich gehört?" Fragt der Plagegeist und schaut dafür sogar von seinen Fingernägeln auf. Ich nicke und kämpfe inständig gegen den brodelnden Vulkan in meinem Inneren an, welcher sich danach sehnt, auszubrechen. Cash springt von den Paletten und kommt auf mich zu. "Sie hassen dich, haben Angst vor dir oder finden dich schlichtweg unfähig in deiner Position als Alpha und dich interessiert es nicht?" Er bleibt nur wenige Zentimeter von mir entfernt stehen und verschränkt die Arme vor der Brust. Vielleicht denkt er, er sieht dadurch weniger schmächtig aus oder verleiht seiner Frage etwas mehr Nachdruck. Beides scheitert kläglich und ich finde es viel mehr belustigend, als einschüchternd. "Es interessiert mich einfach nicht." Erkläre ich schief grinsend und schaue auf ihn hinab. "Du solltest sie für diese Äußerungen zur Rechenschaft ziehen und ein paar Korrekturen mit deinen 42 Argumenten verteilen." Er ballt die Hände zu Fäusten und hüpft auf der Stelle herum, wie ein Boxer kurz vor seinem ersten Kampf. "Du musst noch verdammt viel lernen." Lache ich ihn aus, wuschle ihm durch die Haare und folge Ethans stummer Aufforderung, ins Haus zu gehen. "Also wirst du einfach garnichts tun?" Entsetzt über meine Gleichgültigkeit hüpft er neben mir her und erprobt seine Kinnhaken in der Luft. "Richtig." Cash schenkt mir einen unverständnisvollen Blick, doch lässt von seinen Luftschlägen ab und läuft schweigend neben mir und Ethan her. Sein Hang für Gewalt kommt dem meinen bedrohlich nahe. Ob ich in seinem Alter ähnlich auffordernd agiert habe? Andere dazu angestiftet, sich zu schlagen oder zu beißen? Ich denke kurz darüber nach, doch verdränge die Erinnerungen gleich wieder. Ich werde mich nicht mit ihm vergleichen, nur weil das Blut in unseren Adern dasselbe zu sein scheint. Zumindest die Ähnlichkeit werde ich nicht mehr leugnen können. "Ich denke, deine Gelassenheit verfliegt in 3, 2, 1.." Kündigt Cash an, als wir über den Hof gehen und ich verdrehe gerade genervt die Augen und besinne mich darauf, ihn weiterhin zu ignorieren und für seine provozierende Art nicht auch noch mit Aufmerksamkeit zu belohnen, da tritt Shannon aus dem Haus auf die Veranda hinauf. Mir fällt alles aus dem Gesicht und bevor ich überhaupt begreifen kann, wer dort steht und mit quietschender Stimme ins Handy kreischt gleiten meine Gedanken zu Heather. Ob sie einander bereits gesehen haben? Das Blut in meinen Adern gefriert, fängt jedoch sofort wieder Feuer, als Shannon mich sieht und völlig außer sich vor Freude auflegt und auf mich zu gelaufen kommt. Ich habe meine Sinne noch nicht wieder beisammen, als sie mich umarmt und mir einen Kuss auf die Wange drückt, als sei solch eine Begrüßung das selbstverständlichste der Welt. Was zur Hölle ist hier los. Ich habe ja damit gerechnet, dass es ohne meine Anwesenheit drunter und drüber geht, aber in diesem Maße habe ich es auch nicht erwartet. "Was machst du hier?" Knurre ich zwischen zusammen gebissenen Zähnen hervor, als sie endlich von mir ablässt und sich Cash widmet, der ebenso wenig begeistert zu sein scheint. Quietschend wie eine Gummiente drückt sie den Kleinen an sich und misshandelt seine Wange, wie es normalerweise nur Omas tun. "Du solltest vorsichtiger sein, mein Schatz. Dort draußen ist es gefährlich so ganz allein." Sie tätschelt Cash den Kopf und ich gönne es ihm insgeheim, wie ein Kleinkind behandelt zu werden. Es fällt ihm sichtlich schwer sich zu beherrschen, doch mit geschlossenen Augen und geballten Fäusten schafft er es dann doch, diese Gummiente zu ertragen und ihr nicht jedes Haar einzeln rauszureißen. "Oh, natürlich meine ich das nicht ernst. Du bist mein wahrer Schatz, aber Kinder brauchen solche Spitznamen damit sie sich geliebt fühlen, verstehst du?" Ich lege den Kopf schief und frage mich, ob sie wirklich daran glaubt. Vor allem aber brennt mir die Frage auf der Brust, ob sie gerade begreift, dass ihr Flüstern noch immer so laut ist, dass Cash sie hören kann. Wie habe ich mir diese Frau jemals auch nur annähernd erträglich saufen können? Literweise Alkohol reicht da ganz sicher nicht aus. "Was du hier machst, will ich wissen." Wiederhole ich meine Frage mit derselben Intensität in der Stimme, doch Shannon scheint nicht zu begreifen, wie sehr mich ihre Anwesenheit ankotzt. Sie spielt viel lieber mit ihren Haaren herum und kichert unerträglich. "Da war dieses Mädchen, sie hat mich eingeladen. Wann bekommt man mal die Chance ein Rudel kennenzulernen, das nur aus Rüden besteht? Wie hieß sie noch gleich.. Jessica oder so. Süßes Mädchen, aber schminken kann sie sich wirklich überhaupt nicht." Wieder kichert sie und ich schäme mich allmählich dafür, dass ich diese Frau jemals attraktiv gefunden habe. Verdammt, wie viele Drogen habe ich intus gehabt? Eine Menge. "Jess ist auch hier?" Keife ich nun Ethan an, der sich verlegen am Hinterkopf kratzt und hilflos nach Worten sucht. "Ich habe ja gesagt, 42 Argumente." Brummt Cash und legt dabei ein gehässiges Grinsen auf seine Lippen. Mein Geduldsfaden reißt und ich packe ihm am Shirt, ehe ich ihn hochhebe und knurrend entgegen blicke. "Diese 42 Argumente bekommst du gleich zu spüren, wenn du mir nicht einen plausiblen Grund lieferst, warum du mir nichts von unseren Gästen erzählt hast!" Brülle ich ihn an und weiche Ethan aus, welcher nach meiner Schulter greift um mich vermutlich zu beruhigen. Von ihm kann ich anscheinend keine Ehrlichkeit erwarten. Dabei ist er als Beta dieses Rudels dazu verpflichtet mich über jegliche Veränderungen in Kenntnis zu setzen. Cash hingegen hat um einiges mehr Zeit gehabt, mich einzuweihen und es dennoch nicht getan. "Warum sollte ich?" Fragt er völlig tiefen entspannt und scheint tatsächlich keinerlei Angst zu verspüren, obwohl ich ihn in meiner Gewalt habe. Kleiner Mistkerl. Seine Gelassenheit bringt mich nur noch mehr zum Toben und ich muss die Zähne aufeinander pressen, um nicht vollkommen die Kontrolle über mich zu verlieren. "Weil das die Pflichten eines Sohnes sind!" Brülle ich ihn nieder, doch immer noch keine beachtliche Reaktion. Er scheint sich seinerselbst ziemlich sicher zu sein. "Ich dachte, du bist nicht mein Dad?" Mein Griff lockert sich und ich lasse ihn knurrend los, während ich mir eingestehe, dass ich ihn nicht verantwortlich machen kann. Ich würde es gern, um meine Wut an jemandem auszulassen, doch ich kann es nicht. Er hat alles richtig gemacht. Ich habe ihm verboten, sich als meinen Sohn zu bezeichnen. Ich habe verboten, dass er solch eine Bindung zu mir aufbaut. Er ist mir nichts schuldig. Er sagt nichts, schaut mich bloß still an und wartet auf eine Reaktion von mir. Irgendetwas. Doch ich stehe bloß da und starre durch ihn hindurch. Wie viele Fehler wie diese habe ich in den letzten Monaten übergangen und von mir abgewiesen ohne es zu bemerken? Ich will es gar nicht wissen. Die Wut verpufft im Wind, gefolgt von der Enttäuschung über meinen Kontrollverlust während meiner Abwesenheit und Ethans Feigheit, mich in die Besucherliste einzuweihen. Was hat er gedacht? Dass ich damit umgehen könnte, wenn sie plötzlich vor mir stehen? Dass es besser ist, wenn sie mich überraschen als wenn er mich einweiht und ich mich damit arrangieren kann? Ich will es nicht wissen. Nichts von all dem. Ich habe meine Trance noch nicht überwunden, als Heather plötzlich vor mir auftaucht und Cash in den Arm nimmt. Wütend schaut sie mich an, sagt irgendetwas, doch es dringt nicht zu mir durch. Besorgt streicht sie dem Plagegeist die Haare aus dem Gesicht und schiebt ihn vor sich her, ins Haus. Wieder ein Schritt in die falsche Richtung. Wieder ein Fehler, den sie mir nicht verzeihen wird.
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
WerewolfStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...