Chapter 11

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Das Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich die gläserne Tür öffne und nach den Welpen das Wohnzimmer betrete. Sie haben keinen Augenblick gezögert den Garten zu verlassen als ich nach ihnen gepfiffen habe. Es fühlt sich gut an, wie sie um mich herum springen und um Streicheleinheiten bitten. Mein Bedürfnis nach Harmonie ist schlagartig gestillt und einmal mehr wird mir bewusst, dass sie es sind, was ich für die Zukunft brauche. Keine Sekunde länger als nötig möchte ich ohne sie sein und auch wenn mich Logans Worte deutlich gewarnt haben, lässt sich dieses Gefühl nicht unterdrücken. Auch wenn es ihr Überleben sichert in mir diese Gefühle zu wecken, auch wenn es eines Tages vorbei sein sollte, jetzt fühlt es sich gut an und jetzt schaffe ich es nicht mich von ihnen zu trennen. Es ist ein Risiko, das ich eingehe. Ganz allein ich aus vollster Überzeugung. Ich tue das, was ein Alpha tun sollte. Sein Rudel schützen. Das tue ich und der Gedanke an das folgende Gespräch bereitet mir sowohl Angst als auch Erleichterung. Es ist soweit. Tagelang habe ich es mir durch den Kopf gehen lassen. Gespräche geführt, immer wieder durchdacht was das alles für mich und jeden einzelnen bedeuten wird und bin dennoch nicht von meinem Entschluss abgewichen.

Aufgeregt wuseln die Welpen durch das Wohnzimmer und tun sich schwer damit einen geeigneten Platz zu finden um endlich zur Ruhe zu kommen. Ich kann es ihnen nicht verübeln, dass es einige Minuten dauert ehe sie sich entschieden haben. Das ganze Rudel kommt eben selten zusammen und mich verwundert es nicht, dass sie ihren gewohnten Bezugspersonen dennoch treu bleiben und bei Ethan und Cody zur Ruhe finden. Dieser Anblick macht mich nicht weniger nervös und außer Joshua, der dösend im Sessel sitzt scheint niemand diese Zusammenkunft zu genießen. Wie auch? Sie erahnen schließlich Veränderungen und die Furcht vor negativen Ergebnissen ist vor allem in solch einer zerstrittenen Situation kaum zu bändigen.

"Danke, dass ihr so spontan eure Pläne über den Haufen geworfen und euch hier zusammen gefunden habt." Mein Blick schweift durch die Runde, sucht vergebens nach Zustimmung und landet ausgerechnet bei Cody, dessen Lippen ein liebevolles Lächeln tragen. Es versetzt mir einen Schlag in die Magengrube, ihn so optimistisch zu sehen. Bisher ist er mir aus dem Weg gegangen und hat sich auch Bayan gegenüber deutlich zurückgezogen. Was hat ihn nun umgestimmt? Seine eifersüchtige Art mir gegenüber ablegen zu lassen? Verunsichert lächle ich zurück und fühle mich unsagbar schuldig. Er wird mich verabscheuen, ja er wird mich hassen nachdem ich meinen Vortrag beendet habe. Keinen Blick wird er mir je wieder zu werfen. Kein lieb gemeintes Wort, keine Zuneigung. Ich werde ihn verlieren, da bin ich mir sicher. Ich werde ihn verlieren, wie ich auch Logan verloren habe. Doch das gehört im Leben dazu, oder? Verluste in Kauf nehmen. Wie oft habe ich mir gewünscht, mehr wie er zu sein? Wie oft habe ich mir gewünscht solch eine Ruhe und innige Liebe verspüren zu können? Und nun zerbreche ich ihm mit meinem Entschluss sein Herz in tausend Teile. Gut gemacht, Heather.

"Jemand sagte mal zu mir, dass das Leben viele Verzweigungen hat. Überwunden werden diese durch Entscheidungen. Mal wirken sie klein und unbedeutend, mal erdrückend und falsch und manchmal fühlen sie sich einfach richtig an, während einem die Luft so schmerzhaft aus den Lungen gepresst wird, dass man am liebsten schreien würde.

Jemand sagte zu mir, ich würde wissen wann ich eine dieser Verzweigungen erreiche. Ich wurde auf so vieles im Leben vorbereitet, doch niemand erzählte mir wie viel Einfluss diese Entscheidungen auf andere haben.

Keiner von euch hat etwas schlechtes oder derart ungerechtes verdient und ja vielleicht trägt das was ich zu sagen habe unweigerlich zu eurem weiteren Lebensweg bei. Ihr sollt wissen, dass ich diese Entscheidung erst nach meinem Koma getroffen habe und Hunderte, wenn nicht sogar tausende Male durchdenken konnte.

Sie ist subjektiv und sicherlich nicht für jeden vertret- oder gar nachvollziehbar. Doch alle Konsequenzen, die mich erwarten trage ich mit Stolz, denn es ist die erste Verzweigung in meinem Leben die sich so gut anfühlt, dass ich nicht anders kann als sie mit dieser Entscheidung nun zu überwinden."

Wie erstarrt schauen mich die zahlreichen Augenpaare an und der Raum ist in unliebsames Schweigen gehüllt. Nicht einmal ein Knurren ist zu hören, dabei habe ich etwas derartiges zumindest von Zachary gedacht. Doch der lehnt bloß lässig im Türrahmen und überspielt seine Anspannung künstlerisch. "Ich habe lange mit mir gehadert, aber ich musste zu einem Entschluss kommen." Nervös beginnt Cody auf seiner Unterlippe zu kauen und legt schützend den Arm um Bayan, welcher mit geschlossenen Augen döst und sich von der Nervosität der Anderen nicht beunruhigen lässt. "Als Alphawölfin trage ich ein letztes Mal Verantwortung für dieses Rudel, bevor ich diesen Rang abtreten werde." Ein Raunen geht durch die Runde, gefolgt von einem frustrierten Knurren der Betas. Sie ahnen es. Sie ahnen, was für eine Entscheidung ich getroffen habe und welche Auswirkungen diese haben wird. Zumindest verrät mir das mein Gefühl und das täuscht mich in solch wichtigen Momenten nicht. Mein Blick fällt auf Joshua, der sich triumphierend über die Zähne leckt und mir ist durchaus bewusst, dass seine schamlose Seite einer hysterischen Auseinandersetzung entgegen fiebert und etwas in ihm sich am Leid anderer nährt und nun seine Chance wittert.

Warum habe ich mir seinetwegen den Kopf zerbrochen und nach Möglichkeiten gesucht, ihn mit meiner Entscheidung möglichst wenig zu belasten? Warum schlägt mein Herz dennoch für diesen eiskalten Idioten? Ich verziehe das Gesicht, als ich Blut schmecke und von meiner Unterlippe ablasse. Erneut öffne ich den Mund um etwas zu sagen, doch bringe nichts hervor. Alles in mir sträubt sich weiter zu sprechen. Verloren schaue ich mich um. Suche nach etwas, das mir die Kundtuung erleichtert und scheitere. Ich bleibe an Jaydens glitzernden Augen hängen. Dieser kaut nervös auf seinem Stift herum, hält sein Notizbuch fest in seiner zittrigen Hand und sucht in meinen Augen nach Hoffnung. Hoffnung, dass ich mich für das Rudel entscheide. Hoffnung, dass es der richtige Entschluss sein wird. Vergebens.

Cash streckt sich ausgiebig und erlangt meine volle Aufmerksamkeit, während das Rudel immer unruhiger wird. Er gähnt theatralisch und springt schließlich von Ethan hinunter. Verschlafen trottet er in meine Richtung und mir wird gerade wieder warm ums Herz, da streicht Milow dem Kleinen sachte über den Rücken und schnellt erschrocken zurück als dieser nach der Hand schnappt, die ihn zuvor berührt hat. Knurrend gibt der Kleine zu verstehen, dass er nicht berührt werden will. Anstatt es jedoch bei einer Warnung zu belassen, was völlig legitim sein würde baut Cash sich vor Milow auf und fordert diesen mit erhobener Rute und aufgestellten Nackenhaaren zu einem Kampf heraus. Ein energisches Pfeifen von Ethan dringt durch den Raum, doch findet kein Gehör. Cash ist viel zu sehr auf seinen Gegenüber fixiert, der zu beschwichtigen versucht. Erst als das tiefe und durchaus eindrucksvolle Knurren von Zachary erklingt kommt Cash zurück in die Realität und schaut den Blonden mit spielenden Ohren an. Dieser deutet ihm zu ihm zu kommen, erhält jedoch auch nur ein herausforderndes Knurren. Erschrocken von der Gewaltbereitschaft des Kleinen stehe ich einfach nur hilflos da und sehe zu, wie Zachary auf ihn zustapft, am Nacken packt und zur Tür schleppt. Wild schnappt Cash um sich, erwischt Zachary allerdings nicht und winselt schmerzverzerrt auf, als er in der Küche auf dem Boden landet. Unbeeindruckt schiebt Zachary die Tür zu und lässt Cash allein in der Küche zurück. Es trifft mich wie ein Donnerschlag, die Erkenntnis eine durchaus berechtigte Entscheidung getroffen zu haben und mit einem Mal kommt mir diese auch über die Lippen.

The Alpha And Me -Love The Way You Lie-Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt