"Wie oft hast du daran gedacht? Wie oft hast du das Verlangen gehabt, mir etwas anzutun?" Ich zittere, kann mich kaum auf den Beinen halten und kämpfe gegen meinen Fluchtinstinkt an. Ein stechender Schmerz kriecht durch meinen Körper und kettet sich um mein Herz, welches die Packung mit Pflastern wieder verschließt und in die Untiefen meines Inneren hinab wirft. Erst ruhig und besonnen, dann wild gestikulierend hat er mir von all den schrecklichen Dingen erzählt, die ihn betreffen. Den Rausch, die Frauen und warum er davonläuft anstatt sich mir anzuvertrauen. Habe ich es erahnen können? Gibt es nun unzählige Stimmen, die ihre Augen verdrehen und bereits seit dem Beginn unserer Beziehung dieses Ausmaß vermutet haben? Oder ist es unscheinbar gewesen und eine markante Wendung für jeden von uns? Ich muss mich zwingen zu atmen, um nicht völlig den Verstand zu verlieren und stütze mich an der Couch ab um das Gleichgewicht halten zu können. Dieser Mann hat weitaus mehr Macht über mich, als ich es gutheißen kann. "Sie haben Angst und verdammt nochmal keine Ahnung, wer oder was ich bin. Sie reimen sich Dinge zusammen, die ihrer mystischen Legenden entsprechen, die nichts mit der heutigen Welt zutun haben. Sie sind zig Jahre alt und Geschichten verlieren ihren wahren Kern, umso öfter sie erzählt werden. Ich konnte nicht zulassen, dass Shannon es euch erzählt, bevor ich es über das Herz bringe." Einatmen, ausatmen, blinzeln. Immer wieder gehe ich die grundlegende Struktur meines Körperbewusstseins durch und erinnere mich daran, dass dieser Albtraum in der Wirklichkeit lebt. "Deshalb habe ich sie versucht zu besänftigen und bin ihrem Wunsch nachgekommen, Zeit mit mir zu verbringen." Ich nicke. Langsam und mit schweren Lasten, die auf meinen Schultern liegen und diese Geste kräftezehrender als nötig gestalten. "Sie ist seit Jahren total in mich verliebt und ich habe keinen anderen Ausweg gesehen, als sie ruhig zu stellen bis ich dir Antworten geben kann, die ich selbst noch gesucht habe." Seine Stimme zittert, wie meine zu Eis gefrorenen Gliedmaßen und trägt einen Hauch von Panik in sich, wie ich sie von ihm bisher nicht entgegen gebracht bekommen habe. "Ja, irgendetwas abscheuliches in mir hat dich verletzen wollen. Aber ich habe mich bis zum heutigen Tag dagegen gewehrt. Ich liebe dich über alles in dieser Welt, auf meine vielleicht sogar kranke Art und Weise. Aber du musst mir glauben, dass ich nicht der bin, den sie aus mir machen werden." Meine Fingernägel krallen sich in das Polster, Gänsehaut überfährt mich und erfüllt mich mit eisiger Kälte in den letzten Winkeln meines Körpers, die sich vor dieser Starre bisher noch bewahren konnten. "Heath, ich bin ein Idiot, ein Arschloch, ein Hitzkopf und nicht selten ein ziemlicher Sturkopf und Egoist, aber ich bin kein Mörder." Der Tagebucheintrag flimmert vor meinem inneren Auge auf. Nervös trete ich einen Schritt zurück, halte mich noch immer an der Couch fest und versuche einen klaren Gedanken zu fassen. "Du hast mit ihrem Herzen gespielt und mir monatelang etwas vorgemacht? Wie kannst du noch in den Spiegel schauen?" Verachtend knurre ich ihn an und weiche wieder etwas zurück, als er Anstalten macht auf mich zu zugehen. "Ich brauchte doch bloß Zeit." Tränen schimmern in seinen Augen. Aus Frust, wie es bei ihm üblich ist oder Angst, kann ich nicht ergründen. "Du hast mich hintergangen und dabei nicht nur mich verletzt, sondern auch sie. Ich hoffe, du bist stolz auf dich." Eine Träne rinnt meine Wange hinab. In seiner Gegenwart zu weinen scheint Alltag geworden zu sein, weshalb ich mich schon lange nicht mehr für meine Emotionen schäme und sie stumm über mich ergehen lasse. "Ich wollte dich nie verletzen, Baby. Aber wie hätte ich dir klar machen sollen, dass meine Genetik nicht lebensfähig sein dürfte und ich einfach unheimliches Glück hatte, dennoch am Leben zu sein? Wie in Gottesnamen könnte ich erklären, was mit mir im Rausch passiert und wie unberechenbar ich dann bin? Verdammt nochmal, wie hätte ich es anstellen sollen, ohne dich zu verlieren?" In einem anderen Moment würde mich seine bröckelnde Stimme mitreißen und mich besänftigen. Ich würde Mitleid empfinden können, doch jetzt und unter diesen Umständen stehe ich bloß da und starre durch ihn hindurch, ins Leere. Viel zu tief sitzt der Schmerz, viel zu stark ist der Frust und die Enttäuschung über ihn und seine monatelangen Spielchen. Und ich habe sie auch noch erduldet. Ich habe mich auf ihn eingelassen. Ich habe ausgerechnet ihn als Mate. Einen Menschen, der mich mit vollem Bewusstsein angelogen und hintergangen hat und jetzt Vergebung fordert. "Ich kann nichts für meine Abstammung. Ich kann nichts dafür." Er fährt sich mit den Händen durch die Haare, doch mir entgeht nicht die eigentliche Absicht hinter dieser Geste. Das Wegwischen seiner Tränen. "Du hast Recht. Du kannst nichts für deine Gene, aber für den Umgang mit ihnen allemal." Knurre ich ihm verbittert entgegen und blicke ihn finster an. "Und du bist sehr wohl ein Mörder. Ich habe ihre Tagebücher gelesen. Ihre Liebe gespürt, als sei es mein eigenes Kind, das dort in der Wiege liegt und später im Wald umher tobt. Ihren Schmerz gespürt, als du ihn getötet und ausgenommen hast." Mein Blick fällt zu Boden. Ich ertrage es nicht länger, ihn anzusehen. Nicht mit diesen zahlreichen Erkenntnissen, die mich tief unter sich begraben und alles was zwischen uns gewesen ist, bedeutungslos machen. "Ich war doch noch ein Kind." Seine Stimme ist heiser und kaum zu hören, so leise spricht er. "Das ist es ja. Du warst ein Kind und bist bereits zu so etwas in der Lage gewesen. Warum hast du das getan? Weil du dich ausprobieren wolltest? Weil er dir dein Spielzeug weggenommen hat?" Knurrend fletscht er die Zähne und tritt einen Schritt näher an mich heran, woraufhin ich ihn ansehe und es ihm gleich tue. Nein, damit macht er mir keine Angst. "Mein Vater hat es zugelassen, dass er geboren wird. Es ist einzig und allein das Recht des Alphas Nachkommen innerhalb des Rudels zu zeugen. Er hat den Wolf in uns verraten mit dieser absurden, menschlichen Entscheidung und somit Konkurrenz auf den späteren Rang als Anführer geschürt. Das haben wir nicht dulden können, schätze ich." Ich öffne den Mund, schließe ihn doch direkt wieder. Für diese absurde Ansicht der Rudelstruktur habe ich keine Worte. "Es war mein erster Rausch. Ich habe es gehasst, wenn mein Vater ihn mit auf unsere Ausflüge genommen hat. Irgendwann sind Cloud und ich dieser Eifersucht zum Opfer gefallen und haben diesen Rausch erlebt. Ich erinnere mich bis heute nicht daran, etwas in diesem Augenblick empfunden zu haben. Ich habe mich einfach so leer und dennoch berechtigt gefühlt, das zu tun." Er stellt seine konfrontative Haltung ein und weicht meinem Blick aus, um sich der Fassungslosigkeit, die ich für ihn empfinde, zu entziehen. "15 Mal hast du ihn durchlebt, während deines Lebens an diesem Ort und du hast jeden Einzelnen ins Holz hinter deinem Bett geritzt. Habe ich Recht?" Er nickt, fragt jedoch nicht nach dem Ursprung meines Wissens. Mittlerweile sollte ihm bewusst sein, dass ich mich gründlich umgesehen habe und so einiges aus seiner Vergangenheit weiß. Etwas anderes bleibt mir schließlich auch nicht übrig. Er scheint kein Interesse daran gehabt zu haben, mir in sein Leben Einblick zu gewähren. Letztendlich habe ich nichts über ihn gewusst bis zu dem Tag, an welchem wir dieses Dorf betreten haben. "Deshalb hast du mir nichts von Cash erzählt? Weil du dich in ihm wiedererkennst." Er nickt. "Und du hast ihn mit strenger und konsequenter Hand versucht zu begegnen, weil dir genau das damals geholfen hat?" Wieder ein Nicken. Wieder ein Puzzleteil mehr in meiner Sammlung. "Und als du ihn dennoch nicht einschätzen oder kontrollieren konntest, wolltest du ihm ein Ende setzen, wie es mit Hybridnachkommen damals getan worden ist um uns alle zu schützen?" Er weicht meinem Blick eine ganze Weile lang aus, ehe er sich zu einem Nicken überwindet und ich nicht genau weiß, wie ich mit dieser Erkenntnis umgehen soll. Andererseits habe ich in den letzten Tagen und auch heute viel Schlimmeres erfahren als diese Beichte. "Damit bist du ein Mörder, Zack." Sein eingeschüchterter Blick beginnt zu lodern und wechselt zu einer Art Frust, die ich nicht einzuordnen vermag. "Ich habe euch beschützen wollen. Cash ist mein Ebenbild und ich liebe ihn, wie meinen eigenen Sohn, aber er stellt eine Gefahr dar, die für uns alle tödlich enden könnte!" Er kommt auf mich zu, bewahrt jedoch eine gewisse Distanz, als ich ebenfalls erneut zu Knurren beginne. "Nur weil du Angst vor ihm hast, wolltest du ihn töten? Ich glaube, du hast keinen blassen Schimmer davon, was Liebe ist. Wüsstest du, was es bedeutet zu lieben wärst du zu solchen Gedanken niemals im stande." Seine Augen beginnen vor Wut zu lodern, doch ich mache mir nichts aus seinem Zorn. Er wird mir nichts tun. Wenn von ihm wirklich eine Gefahr ausgehen würde, hätte er es längst getan. Zumindest rede ich mir das in diesem Augenblick ein um nicht wie ein scheues Häschen davon zu laufen. "Vor dir habe ich nicht gewusst was Liebe ist, das stimmt. Aber mittlerweile liebe ich intensiver und extremer, als jeder von euch." Ich schmunzle amüsiert über diese Worte, die mit seinen Taten rein garnichts zu tun haben. "Warum hast du ihn dann töten wollen?" Mein Knurren durchrbricht Wände und ich habe gerade das Gefühl, ihn bezwungen zu haben, da durchbricht er meine anfängliche Euphorie mit einem Satz, der mich noch viele Nächte begleiten wird."Weil sie mich damals hätten töten sollen!"
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
WerewolfStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...