Die Sonne kitzelt mich behutsam und weckt mich aus dem wohligen Schlaf. Ich setze mich im Bett auf und zeichne mit meinem Zeigefinger Muster auf Kodas Rücken. Der murmelt etwas vor sich hin, beginnt zu lächeln und schläft seelenruhig weiter. Ich habe es am vorigen Abend nicht über das Herz gebracht, ihn wieder allein zu lassen und habe mich dazu entschieden die Nacht hier zu verbringen. Mein Herz setzt einen Augenblick aus, als mir die missliche Lage bewusst wird und meine Augen es nicht wagen, ihn anzusehen. Ein Seufzen verlässt meine Lippen, gefolgt von einem Gefühl, welches mir die Luft aus den Lungen drückt. "Es tut mir so leid." Hauche ich schweren Herzens und stehe auf. Ein letzter prüfender Blick und ich wende mich mit zu Blei erstarrten Gliedern von meinem Bruder ab.Ich schließe die Tür hinter mir und schaue in zwei zornige Augenpaare, die nach einer hitzigen Diskussion zu schreien scheinen. Unbefangen fahre ich mir durch die Haare und richte meine Frisur. Da sich das Lodern nicht verflüchtigt beschließe ich darauf einzugehen und setze eine unwiderstehliche Unschuldsmine auf. "Ist was?" Joshua legt sein freches Grinsen auf und lässt seine Hände in den Hosentaschen verschwinden. "Nein, alles perfekt." Er leckt sich triumphierend über die Zähne, mustert Zachary gründlich und als dieser nichts erwidert macht er auf dem Absatz kehrt und verschwindet schließlich in seinem Zimmer. Unbeeindruckt schaue ich Joshua nach und denke mir nichts weiter dabei. Manchmal denke ich, dass seine Bestimmung daraus besteht jeden in seinem Umfeld zur Weißglut zu treiben. Seine provozierende Art ist demnach nichts beunruhigendes, sondern leider Alltag. Kein Wunder, dass er nicht all zu selten in Streitigkeiten geraten ist und diese auch noch zu genießen scheint. Normalerweise würde mich dieser Hang zu Streiten neugierig machen oder bewundernswert sein, doch gleichzeitig ist dieser selbstgefällige Rüde so anstrengend, dass ich ihm lieber aus dem Weg gehe als mich wegen seiner Art zu amüsieren.
"Wo sind die Kleinen?" Frage ich kleinlaut und versuche Zacharys erdolchendem Blick auszuweichen. Ich spüre deutlich die Wut, die er ausstrahlt und am liebsten über mich herein brechen lassen würde. Unbehaglich auf der Stelle herum tapsend schaue ich zu ihm auf und lächle so unschuldig, wie es mir in diesem Augenblick gelingt. Als sich seine Miene weiter verfinstert wünsche ich mir im Boden zu versinken und erwarte seufzend eine weitere seiner zahlreichen Standpauken. Ich habe wirklich gedacht, dass uns ein Neustart gelingen würde und er seine Aufgabe als Alpha auch ohne mich gut gemeistert hat. Anscheinend habe ich mich ein weiteres Mal an diesem Mann gettäuscht und muss mir eingestehen, dass er sich nicht ändern wird. Zumindest nicht hier und nicht innerhalb diesem kurzen Zeitfenster. Verunsichert stehe ich da und warte auf die Lawine, welche gleich darauf über mir einbricht. "Du warst also die ganze Nacht bei ihm?" Das, bei ihm, betont er dabei so abwertend, dass es mich nicht wundert, weshalb Koda nichts mit ihm zu tun haben möchte. Dieser Satz reicht mir bereits um die Verachtung Koda gegenüber zu spüren, die vermutlich schon lange in Zachary brodelt. Warum kann er sich nicht über diesen Hass hinweg setzen und dem Leben positiv entgegen blicken? "Ob du bei ihm warst habe ich gefragt." Sein Knurren ist so eindrucksvoll, dass ich reflexartig nicke, um weiteren Streit aus dem Weg zu gehen und ihn nicht unnötig zu verärgern. Es trifft mich wie ein Schlag, als ich in seine Augen schaue und erkenne, er und Koda werden sich nie mehr aufeinander einlassen können. "Er ist mein Bruder." Rechtfertige ich mich für etwas Selbstverständliches und beiße mir gleich darauf auf die Zunge. Am liebsten würde ich ihn anschreien und ihm verdeutlichen, dass seine Lösung in keinsterweise vertretbar ist. Jemanden einzusperren und vor sich hin vegetieren zu lassen ist für niemanden in diesem Rudel förderlich. Es schürt bloß den Argwohn einander gegenüber und schürt die Wut, wenn eine Aussprache verweigert wird.
Ich möchte ihn anschreien und zur Vernunft bringen. Ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, doch all die Wut bleibt mir fern, all der Hass so fremd. Ich bin es leid ihn von mir wegzustoßen und mit seinen Waffen zu kämpfen. Feuer wird nun einmal nicht mit Feuer gelöscht. Ich brauche ihn an meiner Seite um dieses Rudel zu führen. Entschlossen atme ich ein und möchte gerade beginnen ihm genau das verständlich zu machen, da erinnere ich mich daran, dass Zachary diese Form der Kommunikation nicht vertritt. Er scheint nicht von hochwertigen Diskussionen zu leben, er lebt von Hass. Also ändere ich meine Taktik und gehe schweigend an ihm vorbei in mein Zimmer. Ich spüre deutlich, wie er mir verdutzt nach schaut und bin erleichtert, als er mir folgt und hinter sich die Tür schließt.
"Erkläre es mir, Zachary. Ich will es von dir hören. Was ist hier geschehen?" Ich halte seiner eisernen Mine stand und atme erleichtert auf, als er seine Maske ablegt und sich zu mir aufs Bett setzt. Seine Hand umfasst meine, was einen ungeahnten Wirbelsturm in mir auslöst. Mir wird abwechselnd heiß und kalt und ich muss mich bemühen nicht zu schwitzen vor Nervosität. Warum hat ausgerechnet er solch eine Wirkung auf mich? Warum ist es nicht Jayden, Ethan oder auch Cody? Sie wären um einiges einfacher zu lieben. "Ich habe dich schützen wollen und alle, die dir etwas bedeuten. Auch wenn es mir zusetzt Kerle zu schützen, die dich genauso anschauen wie ich es tue." Seine Stimme lässt ein Knurren erahnen, doch er lächelt seine Eifersucht so schmeichelnd fort, dass ich keinen weiteren Gedanken an diese Worte verschwende. "Cash verhält sich in Kodas Gegenwart wie eine verängstigte Katze." Amüsiert über diesen Gedanken beginne ich zu schmunzeln und lasse dabei das eigentlich erschreckend Offensichtliche außer Acht. Niemand sollte sich vor einem Rudelmitglied ängstigen müssen, doch ich habe kein Interesse an diesem Teil der Wahrheit. Nicht jetzt. "Hör zu, Koda ist kein Monster. Das ist mir bewusst. Doch Wunden brauchen Zeit um zu heilen. Der Hass, der ihn vor sich selbst schützt ist unberechenbar. Ich hatte keine andere Wahl, als ihn zu separieren. Ich wusste nicht, wie ich anders hätte damit umgehen sollen. Es ist eine Notlösung." Verständnisvoll nicke ich und genieße diesen Augenblick der Zweisamkeit, die mich so selten bei ihm erwartet. "Ich habe dich beschützt, Koda vor sich selbst und die kleinen Quälgeister vor der Trauer ihre Mutter zu verlieren. Ethan und Cody haben sie von Sonnenauf- bis untergang mit voller Hingabe betreut und nachts schliefen sie neben dir im Bett. Ich habe nichts mit Welpen gemeinsam, aber sie benötigen deine Nähe mehr als alles andere auf dieser Welt."
Verträumt schaue ich ihm in die Augen und lasse die Schmetterlinge in meinem Bauch ihre Arbeit erledigen. Warum kann er nicht öfter so sentimental und verkopft sein? Mich an seiner anderen Seite teilhaben lassen? "Irgendwann hat Cody sich geweigert Bayan abzugeben und ihn völlig isoliert. Wir haben auf ihn eingeredet und letztendlich bedroht, doch Cody wollte nichts von all dem hören. Ich habe zu viel Angst um dich und deinen Zustand gehabt, als dass ich das Rudel hätte führen können. Es war jeder auf sich allein gestellt. Vermutlich ist das auch der Grund, warum Logan sich nicht mehr hier sehen lässt und stattdessen das Geschehene vor Ort zu begreifen und verarbeiten versucht. Ich habe alles in meiner Macht stehende versucht, Heath. Ja, ich habe sie opfern wollen. Ja, ich wäre ein miserabler Vater und ja, ich bin dankbar um die Zeit, wenn Ethan und cody sie mir abnehmen, doch diese innige Bindung zu dir kann ich ihnen nun einmal nicht nehmen. Diese Liebe hätte ich von meinen Eltern erfahren wollen, wie kann ich es mir dann je verzeihen ihnen diese Liebe zu verwehren?"
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
WerewolfStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...