Heather POVIch schließe die Augen und genieße mit einem Lächeln auf den Lippen das Zwitschern der Vögel, welche in den Baumkronen sitzen und sich an der Schönheit dieses Waldes erfreuen. Der sanfte Tannengeruch umgarnt mich mit seiner Einzigartigkeit und rundet diesen bezaubernden Augenblick perfekt ab. Ich habe es nicht für möglich gehalten, mich eines Tages an diesem Ort so wohlfühlen zu können und doch sitze ich nun hier und wünschte, nie mehr fortgehen zu müssen. Ein leises Knabbern dringt in meine wölfischen Ohren und ich blinzle vorsichtig, um meinen scheuen Besuch nicht zu verschrecken. Jeden Tag kommen sie nah an das Dorf heran und suchen nach feinen Köstlichkeiten. Natürlich habe ich mich bereits dazu durchgerungen ihnen eine Futterstelle einzurichten und schon vor gut einer Stunde etwas hinaus gelegt. Entzückt über die dort bereit gestellten Leckereien hüpfen die Eichhörnchen aufgeregt umher und beobachten mich neugierig, während sie mit ihren zarten Pfötchen die Körner greifen und knabbern. Vorsichtig öffne ich die Augen und mache innerlich Luftsprünge, als sie sitzen bleiben anstatt, wie in den letzten Tagen, ängstlich davon zu laufen. Sie gewöhnen sich an mich. Schenken mir ihr Vertrauen. Bayan würde in diesem Moment auf der Stelle dahin schmelzen. Er hat ein Händchen für Tiere und genießt jeden noch so kurzen Augenblick mit ihnen. Sicherlich ist seine Geduld und der nahezu grenzenlose Respekt, den er gegenüber Artfremden hegt, der Grund dafür, dass sie so schnell Vertrauen zu ihm aufbauen. Ich habe alle Mühe gehabt sämtliche Streunerkatzen wieder aus unserem Garten zu verscheuchen. Er hat sie alle nach und nach aufgetrieben und mitgebracht. Schade nur, dass sie es als Notwendigkeit gesehen haben, mein Beet mit ihren Hinterlassenschaften zu bestücken. Bedrückt schaue ich zu Boden und bemerke, wie tief der Wunsch nach Rückkehr in mir verankert ist. Ich muss Zack allmählich darauf vorbereiten, dass wir nachhause zurückkehren müssen. Ich werde an diesem Ort keinen Frieden finden. Dafür ist der menschliche Anteil in meinem Herzen viel zu groß. Ich brauche meinen Arbeitsalltag, das Beet, meine Freunde und vor allem Bayan und Cash. So anstrengend es auch ist an manchen Tagen, so notwendig sind diese Dinge auch. Ich seufze leise, als die Eichhörnchen aufschrecken, die Körner fallen lassen und ängstlich davon laufen. Sie sind und bleiben eben Wildtiere.
„Tut mir leid, ich wollte sie nicht verjagen." Murmelt Zachary und schaut meinen kleinen Fellfreunden mit finsterer Miene nach. Ich kann den Frust deutlich spüren, der sich in ihm aufbaut, weil sie vor ihm geflüchtet sind anstatt ihm ein solches Vertrauen entgegenzubringen, wie sie es mir gegenüber tun. Er wird ihn wohl nie loswerden können, den ständigen Frust. Das höchste Maß, das ich von ihm erwarten kann scheint der Umgang mit diesem zu sein. Er wird lernen, diesen Frust zu kontrollieren und schließlich bezwingen zu können. Aus seinem Emotionenkompass löschen, bleibt wohl nur eine meiner rosaroten Fantasien. „Schon okay, ich wollte sowieso gerade rein gehen." Ich möchte aufstehen, doch Zack legt seine Hand auf meine Schulter und drückt mich sanft wieder zu Boden ehe er sich neben mich setzt. „Wir sollten heimkehren, schätze ich." Meine innere Stimme verkriecht sich in die hinterste Ecke meines Körpers und erwartet einen Wirbelsturm von Hass, sollte ich nun eine falsche Antwort geben. Es ist eine Falle, ganz sicher sogar. Niemals habe ich damit gerechnet, dass diese Worte aus Zacharys Mund kommen. Das ist auch der Grund, weshalb ich in den Wald schaue anstatt mich seinem Blick zu beugen. „Ich weiß, dass ich dich hier nicht ewig festhalten kann. Es ist gelogen, wenn ich sage, dass ich es nicht wollen würde, aber.." Er räuspert sich. „Das wäre nicht fair. Du brauchst die Kleinen, du brauchst die Uni und du brauchst all diese Leute um dich herum." Unsicher wage ich es, ihn anzusehen und versuche das zaghafte Funkeln in seinen Augen der richtigen Emotion zuzuordnen. „Brauchst du sie etwa nicht? Dein Rudel? Deinen Beruf?" Er schweigt einen Augenblick, lässt mich aber nicht an seinen Gefühlen teilhaben und bemüht sich, die kalte Fassade aufrechtzuerhalten. „Du wirst das nicht verstehen können, aber ich brauche nur dich. Dich und diese Ursprünglichkeit dieses Ortes." Ich nicke sanft, habe ich es doch in den letzten Tagen intensiv zu spüren bekommen, wie gut ihm dieses isolierte Leben tut. Er ist nicht der Mensch für das Stadtleben. Sogar der Rand der Stadt, an dem wir gemeinsam gelebt haben, hat für ihn unzumutbaren Stress bedeutet. „Warum bist du dann mit uns in die Stadt gezogen?" Die Angst, etwas falsches zu sagen, verschwindet und verkriecht sich tief in einer der vielen Schubladen, die mein Inneres vor der Welt hütet. Ich fühle mich wohl in seiner Gegenwart. Wohler und zufriedener, als ich es noch für möglich gehalten habe. Doch ob seine Gelassenheit noch vorhanden ist, wenn wir zurückkehren? Die Angst trommelt gegen ihre Schublade, doch ich schließe sie ab. „Für dich. Für uns. Ich habe mir geschworen, dort neu anzufangen. Alles besser zu machen und mich auf meine menschliche Seite zu fokussieren. Keine Gewalt, kein Frust, keine Hetzjagden. Bloß ein Leben als Mensch mit meiner Familie." Familie. Er bezeichnet uns als Familie. Zumindest hat er das damals noch so empfunden. Es steckt so viel Gutes in diesem Kerl und dennoch wendet er sich immer wieder davon ab. „Aber das kannst du nicht. So wie ich nicht hier draußen leben kann." Spreche ich aus was ich denke und weiß nicht, wie ich sein stilles Nicken einordnen soll. Es klingt plötzlich nach einem Ende. Einem Ende von uns. Aber das geht nicht. Mates können sich nicht voneinander trennen. Die Liebe endet nicht. Das ist doch gerade das, was einen Mate auszeichnet, oder?
Er antwortet nicht, schaut bloß mit glasigen Augen in den Wald hinaus und setzt mich einem Gefühl aus, das ich nicht zu beschreiben wage. Es zerfrisst mich an allen Enden meines Herzens und sorgt wieder einmal für ein inneres Chaos, wie ich es längst gewohnt bin und satt habe. Warum kann mein Leben nicht so herrlich unkompliziert sein wie das meiner Cousine? Die sich längst melden wollte und es noch immer nicht als nötig erachtet hat, mich mit versprochenen Informationen zu versorgen. „Ich denke, es ist besser, wenn wir zum Rudel zurückkehren und uns dort.." Er bricht ab, lässt mein Herz in Einzelteile zerbrechen und mich gegen die Tränenwand ankämpfen, die sich in mir aufbaut, während ich das Schlimmste erwarte. „Dort darüber entscheiden, wo wir in Zukunft leben." Schnell schlucke ich die Tränen hinunter. „Wir.. wir trennen uns also nicht?" Er scheint mit diesem Gedanken nicht einmal ansatzweise gespielt zu haben, zumindest wirkt er äußerst verwirrt und zieht fragend eine Augenbraue hoch. „Ich werde niemals von deiner Seite weichen." Knurrt er verhalten, rappelt sich auf und schaut mit finsterer Miene auf mich hinunter. Da ist sie wieder, seine eiskalte Aura, die jeden fortjagt. „Oder ist es das was du willst, um mit Joshua.." Ich unterbreche seinen Gedankengang harsch, springe schnaubend auf und hebe ermahnend den Zeigefinger. „Komm mal wieder runter von deinem Thron. Ich sitze schließlich mit dir hier in dieser Oase und nicht mit Joshua, oder?" Stolz über mein beherztes Knurren, das ziemlichen Eindruck bei meinem Gegenüber hinterlassen hat, hüpft meine innere Stimme auf und ab. Endlich habe ich den Mut wieder gefunden, mich gegen seine Ausbrüche zur Wehr zu setzen. Hat ja auch lange genug gedauert, diese Form von Heather zurückzuerlangen. „Um genau zu sein, stehen wir." Entgegnet er mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen, nach denen ich mich so verzehre und lacht, als ich ihn zwischen die Rippen boxe für diesen blöden Spruch. „Jetzt pack endlich deine Sachen, sonst hängen wir noch zehn Jahre hier rum." Er zwinkert mir zu, dreht sich um, doch hält inne als ich seine Hand nehme und mich leise räuspere. „Eigentlich bin ich ziemlich gern hier. Können wir nicht noch etwas bleiben und die Ruhe genießen, bevor.." Er wendet sich mir zu und streicht eine Strähne aus meinem Gesicht, während ein liebevolles Lächeln seine Lippen ziert und ich mich in diesen Anblick auf der Stelle verliebe. „Bevor wir uns in das Chaos stürzen?" Ich nicke. Und bevor du wieder in deine alten Muster fällst .., doch ich spreche sie nicht aus. Die Befürchtung, die mein Gewissen belastet und dessen wahren Kern ich zu verdrängen versuche. So erleichtert ich über seinen Vorschlag, nachhause zurückzukehren, auch bin. Ich vergesse seine heimlichen Ausflüge genauso wenig, wie seine hysterische Art, der er wieder verfallen könnte. Wie soll es auch zuhause weitergehen? Das Rudelhaus scheint der perfekte Kompromiss für unsere Zukunft zu sein, doch gemeinsam mit Joshua wird er nicht unter einem Dach leben können. Abgesehen davon, dass wir noch zwei Welpen im Rudel haben, dessen Fähigkeiten uns vollkommen unbekannt sind. Ich kann nur hoffen, dass sie sich noch nicht ins absolute Verderben gestürzt haben und meine Bitte befolgen und sich wie ganz normale Kinder, mit etwas mehr Fell, benehmen.
Kein Wunder, dass ich mich danach sehne noch ein wenig Zeit an diesem Ort zu verbringen. Hier scheint die Zeit stillzustehen, während um uns herum vermutlich längst Katastrophen herrschen.
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
WerewolfStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...