Every little lie gives me butterflies.
"Nicht, Mommy! Bitte, geh nicht! Er wird dich umbringen." Schluchzend fällt Bayan mir um den Hals und klammert sich mit seinen Beinen an mir fest. Beruhigend streiche ich seinen Rücken auf und ab und suche nach Worten, die ihn in irgendeiner weise trösten können. Das Adrenalin in meinem Körper hat vollständig die Kontrolle übernommen. Ich habe keinen blassen Schimmer, was ich hier gerade tue und was es für mich bedeutet. Ich weiß nur, dass ich diesen Weg gehen muss, um die anderen vor ihm zu schützen. Er würde sich nicht davon abhalten lassen, sie zu töten. Dieses Mal nicht. "Du glaubst gar nicht, wie sehr ich dich und deinen Bruder liebe." Ruhig atmend, um möglichst viel Gelassenheit auszustrahlen laufe ich im Wohnzimmer auf und ab, halte Bayan fest an mich gedrückt und erinnere mich an meine Kindheit. Wie oft habe ich mir gewünscht, endlich ein Rudel zu führen und ähnlich einflussreiche Entscheidungen zu treffen, wie es mein Dad getan hat? Unzählige Male bin ich untröstlich gewesen, weil ich es nicht abwarten konnte. Nun habe ich eine solche Entscheidung getroffen und fürchte mich unheimlich davor. Ich fürchte mich vor ihm und davor, was in meiner Abwesenheit geschieht. Dem Adrenalin habe ich es zu verdanken, in diesem Moment die Beherrschung nicht zu verlieren und mich von jedem zu verabschieden, während ich gleichzeitig die wichtigsten Notwendigkeiten aufführe um einen möglichst reibungslosen Ablauf, auch ohne meine Anwesenheit, aufrechtzuerhalten. "Doch das glaube ich und deshalb darfst du nicht gehen." Bayans Tränen rinnen wie ein Wasserfall über seine Wangen hinab und es bricht mir mal wieder das Herz, ihn so zu sehen. Andererseits habe ich keine andere Wahl und tröste mich damit, dass er meine Entscheidung eines Tages verstehen wird. "Das ist Irre." Faucht Joshua mich an, während ich mit Bayan auf dem Arm auf einem Zettel alles Wichtige notiere. "Bitte sag mir, das ist alles eine Finte und wir gehen gemeinsam irgendwohin, wo er uns nicht finden wird." Ich schiebe Ethan und Cody den Zettel zu, welche ebenfalls noch unter Adrenalin stehen und kein Wort herausbringen. "Er wird uns finden. Ich kann es nicht verantworten, dass er euch etwas antut." Flehend sehe ich Joshua an, welcher jedoch energisch den Kopf schüttelt und mich vom Gegenteil zu überzeugen versucht. "Was ist mit uns?" Widmet sich nun Cash dem Gespräch und wirkt dabei so erwachsen und gefasst, dass ich mich ernsthaft frage, ob sein Angriff bloß ein Traum gewesen ist. Hastig überlege ich, wie ich ihm die Situation vereinfacht und beschönigt darstellen kann. Wie erklärt man einem Kind, dass es nur sicher ist, wenn seine Eltern fortgehen? Wolf hin oder her. Es ist eine kaum realisierbare Aufgabe. Also stellt man es ihnen frei, was sie tun. Man gibt ihnen die Möglichkeit selbst zu wählen. Eine Wahl, die mir bereits bekannt ist. Sie werden bleiben.
Ich deute Cash, mir ins Wohnzimmer zu folgen und setze mich neben ihm auf die Couch. Bayan klammert sich noch immer fest an mich, seine Tränen tropfen still auf mich hinab und ehe ich etwas sagen kann, hat Cash mich bereits verstanden.
„Ich beschütze sie für dich." Stolz über seine Reife lächle ich und ziehe ihn in eine Umarmung, die er ausnahmsweise ohne Protest über sich ergehen lässt. „Beschützt einander. Das ist alles, was ich mir wünsche. Dass ihr euch gegenseitig am Nächsten seid." Ich entlasse Cash aus der Umarmung und streiche ihm eine Strähne aus seinem Gesicht. „Ich weiß, dass es manchmal schwer ist, aber ihr lernt damit zu leben. Ihr seid schon groß und stark, okay?" Cash nickt, nimmt Bayans Hand und drückt diese fest. Als habe dieser Ort eine magische Wirkung auf die Zwei, lässt Bayan tatsächlich von mir ab und setzt sich neben seinem Bruder auf die Couch. „Ich passe auf dich auf, ja?" Fragt Cash mit engelsgleicher Stimme an seinen Bruder gewandt und ich muss gegen die plötzlich aufsteigenden Tränen ankämpfen. Bayan nickt, wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und lässt sich von mir ein letztes Mal in den Arm nehmen, bevor ich aufstehe und alles was ich habe, zurücklasse. „Mom?" Eilig drehe ich mich nochmal um und schluchze leise bei dem Anblick der Kleinen, der vorerst mein Letzter sein wird. „Ich bin anders als die anderen hier. Das ist mir bewusst." Erklärt Cash leise, als habe er Angst etwas falsches zu sagen und ich lächle stolz. „Ich weiß."„Ich hasse dich dafür." Seufzend suche ich nach Worten, die Joshuas Zorn auf mich besänftigen können. Statt jedoch etwas gescheites zustande zu bringen greife ich meinen Rucksack und gehe zur Tür. „Was ist mit Jayden? Er kommt erst nächste Woche zurück von seinem Kurzurlaub." Joshua greift nach der Türklinke, damit ich das Zimmer nicht verlassen kann und ich lasse mich gezwungenermaßen auf eine unumgängliche Diskussion ein. „Er wird mich verstehen. Er mag Zack und meine Gefühle für ihn nicht, aber er würde sich genauso entscheiden, wie ich es nun tue. Versteh doch, ich entscheide mich nicht für ihn und gegen euch. Ich versuche euch bloß vor ihm zu beschützen!" Der Schwarzhaarige schüttelt den Kopf, verschränkt die Arme vor der Brust und stemmt sich gegen die Tür. „Wir können kämpfen. Du bringst es bloß nicht übers Herz ihn fortzujagen, weil ausgerechnet dieses Monster.." Ich hebe den Zeigefinger und er verstummt. „Ich will kein weiteres Blutvergießen verursachen. Bitte, Joshua. Gib mir die Zeit, ihn umzustimmen und in einigen Wochen entweder ohne ihn oder mit einem Zachary, wie ich ihn schon erleben durfte, zurückzukehren." Ich schultere meinen Rucksack und greife in die Lederjacke, als würde es etwas an seiner Meinung ändern. „Was ist, wenn nicht? Was, wenn du nie wieder zurückkehrst?" Tränen bilden sich in seinen frustriert drein blickenden Augen und ich bete innerlich, dass sich all der Schmerz eines Tages auszahlen wird. „Dann lebt ihr an diesem paradiesischen Ort ohne mich weiter. Du wirst heiraten, ein Kind bekommen und ihm Abends von mir erzählen.." Er unterbricht mich, indem seine Hände sich an meine Wangen legen und einen Schauer über meinen Rücken jagen. „Ich will nicht von dir erzählen und wen anderes heiraten schon gar nicht." Eilig beißt er sich auf die Unterlippe, als bereue er seine Aussage und weicht meinem Blick aus. „Warte auf mich. Zwei Wochen. Gib mir zwei Wochen und wenn ich dann nicht wieder zurück bin, kommst du mich suchen." Seine Augen treffen wieder auf meine, woraufhin ich nach Luft ringe und hoffe, diesen Satz nicht eines Tages zu bereuen. „In Ordnung." Presst er hervor, zieht mich näher an sich heran und haucht mir einen Kuss auf die Wange um mich dann in eine innige Umarmung zu ziehen. „Ich habe solche Angst." Überkommt es mich und ich gewähre einer Träne, sich den Weg über meine hitzigen Wangen zu bahnen und in seiner Jacke zu enden. „Ich auch." Flüstert er und hätte nicht besser reagieren können. Ich will nicht hören, dass alles gut wird oder dass ich keine Angst zu haben brauche. Ich habe jeden Grund, Angst zu haben und ob alles gut wird, wissen nicht einmal die Sterne. Ein dunkles Knurren erklingt im Hof und gibt mir deutlich zu verstehen, dass ich gehen muss. Fort von diesem Ort, der mehr zuhause für mich ist, als ich es mir eingestehe. Fort von denjenigen, die mich an meisten brauchen. Fort von Ethan und Cody, denen ich wieder einmal den Rücken kehre. Fort von Jayden, der mit seiner konsequenten, aber hilfsbereiten Art mir die letzten Wochen so viel Last abgenommen hat. Fort von Joshua, ohne den ich diese Zeit nicht überstanden hätte. Joshua, den mein Herz viel zu nah an sich rangelassen hat. Den ich viel zu gern habe.
Ich öffne den Mund, als ich Ethan und Cody ansehe, die noch immer schweigend in der Küche stehen und keine Emotionen zeigen. „Du brauchst nichts sagen. Wir verstehen es, wirklich. Du sollst nur wissen, wir hätten auch an deiner Seite gekämpft." Dankend nicke ich Cody zu, welcher mich gleich darauf in den Arm nimmt. „Wenn du etwas brauchst, wir sind hier und wenn all das hier in einem Kampf enden muss, dann werden wir dafür bereit sein." Ich schluchze, gerührt über Ethans Worte und ziehe ihn in eine allerletzte Umarmung, bevor ich das Haus und gleichzeitig auch mein bisheriges Leben verlasse. Ein letztes Mal ziehe ich es in Erwägung einen Kampf zu führen, doch ich entscheide mich gegen diese blutige Möglichkeit. Der Hass auf Zack darf kein Grund sein, um dieses Rudel in einen Kampf zu involvieren. Knurrend beobachtet Zack mich dabei, wie ich mich noch einmal umdrehe und Joshua winke, welcher als Einziger es über das Herz gebracht hat, auf die Veranda zu treten. Es tut so verdammt weh, jeden Einzelnen von ihnen zurückzulassen, doch ich habe mich entschieden. Nicht mein Herz wollte gehen. Nicht mein inneres Verlangen. Nicht mein Instinkt. Es ist der Verstand und die Rolle des Alphas, die mich dazu zwingt. Ich kann nicht all diese wunderbaren Wesen in Gefahr bringen, wenn ich auch mich dieser Gefahr aussetzen und sie damit retten kann. „Wohin gehen wir?" Ich traue mich nicht, das nachtschwarze Tier zu berühren, das voller Hass und Frust da steht und Joshua fixiert. „Weit weg."
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
Hombres LoboStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...