Genervt trotte ich zu Joshua in die Küche und zeige Logan und ihm meine Lösungen, woraufhin Joshua mir lächelnd ein Eis reicht und durch meine Haare wuschelt. Ich ducke mich, um seiner Hand zu entkommen, doch meine Frisur ist bereits zerstört als es mir gelingt. „Wie wäre es, wenn wir zum Strand gehen?" Ich versuche die Verwüstung auf meinem Kopf einigermaßen zu bändigen, doch lasse mich auf diesen äußerst guten Vorschlag ein. Mit einem Eis in der Hand und ausnahmslos guter Laune machen wir uns schließlich zu zweit auf den Weg zum Strand und ich tue mich äußerst schwer damit, Barfuß durch den Sand zu stapfen. „Das Gefühl ist mit Pfoten deutlich angenehmer." Ich verziehe das Gesicht und versuche den Sand zwischen meinen Zehen loszuwerden, ohne Erfolg. „Man gewöhnt sich dran." Tröstet Joshua mich, kann sich sein breites Grinsen aber nicht verkneifen. Natürlich amüsiere ich ihn mit meiner staksigen Fortbewegung. Ich sehe vermutlich aus wie ein Storch mit Ataxie. Ich bin dieses menschliche Dasein eben nicht gewöhnt. Woher soll ich also wissen, wie man mit solchen Untergründen umgeht? Nach einigen Metern gebe ich es auf, gegen den Sand zwischen meinen Zehen anzukämpfen und versuche mich zwanghaft an das Gefühl zu gewöhnen, das die kleinen Körnchen verursachen. „Warum kann ich nicht einfach auf meinen Pfoten laufen?" Eigentlich hasse ich es, zu jammern. Es ist schwach und zieht negative Aufmerksamkeit auf einen. Andererseits interpretiere ich es dieses Mal eher als Protest und Protest klingt nach Rebellion. Eben genau das, was mich hoffentlich eines Tages beschreiben wird. Das Wort, das jeder von ihnen mit mir verbindet. Nein, ich jammere nicht. Ich protestiere und das ist ziemlich cool. „Weil du dich daran gewöhnen musst, die Welt als Mensch zu entdecken." Joshua hält seine Füße in die sanften Wellen, ehe er ihnen zu vertrauen scheint und sich dazu entschließt direkt am Wasser entlang zu laufen. Der Anblick reicht mir schon, um mich zu ekeln. Nein, das werde ich nicht ausprobieren. Ganz bestimmt nicht. „Kein Wolf mag diese Eingewöhnungszeit, glaub mir. Aber wenn man sich damit vertraut gemacht hat ist es eigentlich ganz nett." Ich tue mich schwer, seinen Worten Glauben zu schenken. Es fühlt sich kein bisschen so an, als sei es ganz nett. Im Gegenteil. Mir ist ständig kalt oder viel zu warm und ich muss meine Kleidung stetig wechseln. So etwas passiert einem mit Fell nicht. Außerdem komme ich auf zwei Beinen viel langsamer voran, als mit vier. Kämpfen macht vermutlich auch nicht sonderlich viel Spaß. Wozu also Mensch sein? Ich sehe bisher noch keinen triftigen Grund. „Hör mal" Beginnt er zögerlich und ich ahne nichts Gutes. Während er jedoch eine ganze Weile braucht um nach den passenden Worten zu suchen, greife ich nach geeigneten Steinen im Sand und versuche diese über das Wasser hüpfen zu lassen. Er hat es mir vor wenigen Tagen versucht beizubringen, doch wirkliche Fortschritte sind noch nicht eingetreten. Ich hasse es, nicht voran zu kommen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass ich auch jetzt ziemlich angespannt bin und den Frust versuche runterzuschlucken, der nach etlichen Fehlversuchen in mir aufsteigt. „Du kannst dich nicht auf die Rangordnung berufen, wenn es innerhalb des Rudels um Streitigkeiten geht. Ich weiß, du hast es nicht anders vorgelebt bekommen, aber so läuft das bei uns nicht. Du genießt durch deine Mom zwar einen hohen Status im Rudel, aber das befähigt dich nicht dazu, andere niederzumachen. Wir sind viel mehr als diese Rangordnung, verstehst du? Es ist egal, ob Alpha oder Omega. Jeder darf seine Meinung äußern und sollte mit Respekt behandelt werden." Ich werfe erneut einen Stein und schaffe es zu meiner Überraschung sogar, ihn zwei Mal hüpfen zu lassen. „Wegen dieser menschlichen Moral, ich weiß. Das hat Ethan mir hunderte Male erklärt." Entgegne ich gleichgültig und suche nach weiteren Steinen. Vielleicht habe ich ja doch Fortschritte gemacht. „Du wirst dich daran gewöhnen müssen, ob du willst oder nicht. Jeder von uns musste das." Joshua beobachtet mich interessiert und nickt mir aufmunternd zu, als er seinen Satz beendet und ich ihn skeptisch mustere. Konzentriert wende ich mich wieder dem Meer zu und werfe den Stein, welcher ebenfalls zwei Mal über das Wasser hüpft, ehe er untergeht. „Es fühlt sich aber nicht richtig an. Ja, ich gehe gerne zur Schule und ich mag es, dass man sich die Haare frisieren kann und jeden Tag anders aussieht, je nachdem was man anzieht. Aber ich fühle mich so fremd in diesem Körper." Wieder ein Wurf, dieses Mal eine glatte Niederlage gefolgt von einer Welle des Frusts. „Gib dem Ganzen etwas mehr Zeit." Wiederholt er sich, doch ich bleibe hartnäckig. „Du verstehst das nicht. Es fühlt sich schrecklich an, als Mensch umher zu laufen. Es ergibt keinen Sinn, keine positiven Gefühle, einfach nichts was mich an dieser Gestalt hält." Ich werfe den letzten Stein in meiner Hand aufs Meer hinaus und beobachte ihn dabei, wie er drei Mal hüpft, ehe ich mich dazu entschließe es für heute gut sein zu lassen. Aufhören, wenn es am Besten ist. Das hat Mom mir immer und immer wieder gepredigt und ausnahmsweise erinnere ich mich an ihre Worte und setze diese um. „Ich möchte so ein Verhalten nicht wieder erleben, hörst du? Wir sind ein Rudel, eine Einheit und keine Konkurrenten." Ich nicke mürrisch. „Das hat Mom dir eingeredet, habe ich Recht?" Er schweigt, doch in dem Funkeln seiner Augen bekomme ich meine Antwort und lasse unser Gespräch damit im Sande verlaufen. Er hat keinen Schimmer wie es ist, ich zu sein. Das wird er nie haben. Keiner von ihnen.Es ist später Nachmitttag, als ich mich im Haus gründlich umsehe und kleinlichst prüfe, wer sich wo aufhält und wie aufmerksam jeder Einzelne ist. Bedingt durch das sonnige Wetter sind die meisten auf dem Hof oder im Garten, weshalb ich mich unbemerkt in das Zimmer von Mom schleichen und Bayan einen Besuch abstatten kann. Dieses Kontaktverbot ist vollkommen übertrieben. Was erwarten sie von solch einer Maßnahme? Eines Tages müssen sie uns schließlich wieder zusammen lassen. Spätestens, wenn Mom zurückkehrt wird sie dieses Verbot aufheben und jedem Einzelnen die Leviten lesen. Ich grinse breit bei dem Gedanken daran, wie sie vor ihr stehen und nacheinander zur Schnecke gemacht werden. Die verhaltenen Blicke, die Versuche, sich zu rechtfertigen und letztlich zu entschuldigen. Das darf ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Irgendjemand muss schließlich hinter Mom stehen und sie mit höhnischen Blicken strafen. Als ich die Tür öffne und das abgedunkelte Zimmer betrete, ist mein Bruder gerade dabei, sich quer durch das Zimmer in Richtung Fenster zu schleppen. Er sieht wirklich erbärmlich aus. Die Klamotten kleben an seinem Körper wie Kaugummi, seine Haare hängen ihm ins Gesicht und sind in Schweiß getränkt. Er scheint noch immer Fieber zu haben. „Was hast du vor?" Frage ich gerade heraus und grinse amüsiert, als er zusammenzuckt und mich nicht bemerkt zu haben scheint. Er ist wirklich vollkommen von der Rolle. Seine glasigen Augen treffen auf meine und tragen keinerlei Emotion in sich. Nicht, weil er endlich gelernt hat dieser Welt kalt und mächtig gegenüber zu treten, sondern weil er keine Kraft dazu aufbringen kann. Am vorigen Abend hat er noch deutlich gesünder ausgesehen. Ich mache mir nichts weiter aus seinem Zustand, schließe die Tür leise hinter mir und lehne mich an den Türrahmen. „Irgendetwas stimmt nicht." Krächzt er mit heiserer Stimme und ich frage mich, ob er in einer Art Halluzination gefangen ist. Bei Fieber nicht ungewöhnlich. Das hat Cody mir erklärt, als Milan mit extrem hohen Fieber im Bett gelegen hat und mich für seinen Opa gehalten hat. "Mit dir stimmt was nicht, da hast du recht. Du solltest dich lieber ausruhen anstatt hier rumzuwandeln wie ein herrenloser Geist." Ich lege seinen Arm um meinen Hals um ihn bestmöglichst zu stützen. Die Hitze, die er ausstrahlt, ist kaum auszuhalten und ich beginne daran zu zweifeln, dass dieser Zustand durch einen simplen Heilungsprozess hervorgerufen werden kann. "Nein, mit Mommy. Irgendetwas ist geschehen." Ich verdrehe die Augen. Definitiv Halluzinationen. "Das bildest du dir bloß ein. Bei solch hohem Fieber ist das völlig normal." Ich greife um seinen Oberkörper und versuche ihn davon zu überzeugen, mit mir zum Bett zu gehen. Doch trotz seiner schwachen Statur steht er wie ein Baum mitten im Zimmer und bewegt sich keinen Millimeter. "Ich spüre es ganz deutlich, Cash." Eindringlich sieht er mich an, doch ich schüttle ernst den Kopf. Er spinnt. Er hat nun offiziell seinen Verstand verloren. Wir haben es doch auch sonst nie gespürt, wenn Mom in Gefahr gewesen ist und das ist nicht selten der Fall gewesen. Außerdem fühle ich nichts derart auffälliges und wittern kann ich sie seit ihrer Abreise ebenfalls nicht. Warum also sollte er es in seinem Zustand können? "Sie ist viel zu weit weg, um sie wittern zu können. Woher willst du also wissen, dass etwas geschehen ist? Und was soll ihr zugestoßen sein? Du bist vollkommen fertig. Schlaf etwas und wenn du wieder fit bist erzählst du Cody und Ethan von diesem Gefühl, wenn es dann noch da ist und nicht nur bedingt durch das Fieber verrückt spielt." Wieder versuche ich ihn zum Gehen zu bewegen, doch bekomme ihn nicht vom Fleck bewegt. "Ich muss sie suchen gehen. Mein Herz rast so schnell, dass es zu kollabieren droht und atmen fällt mir auch viel schwerer als sonst. Ich werde gehen, ob du willst oder nicht!" Knurrt er mit der geringsten Intensität, die ich jemals wahrgenommen habe. Es ist beinahe schon bedauernswert. "In deinem Zustand kommst du keine 100 Meter weit." Wieder verdrehe ich die Augen, doch ehe ich mich umdrehen und gehen kann umfasst er mein Handgelenk und drückt meine Hand auf seine nasse Brust. Meine Augen weiten sich, als ich sein kleines Herz wie wild schlagen höre. "Ich habe drei Liter Wasser in zwei Stunden getrunken und könnte ein Nashorn verdrücken. Gleichzeitig versuche ich zu atmen und nicht an einem Herzinfarkt draufzugehen. Das ist kein Krankheitsbild. Das spüre ich. Also hilfst du mir oder nicht?!" Seine kratzige Stimme verliert sich im Nichts und es dauert eine gefühlte Ewigkeit, ehe er seinen Satz zu Ende gebracht hat und ich seufzend zustimme. Eine Suche nach der Nadel im Heuhaufen ohne überhaupt zu wissen, ob er nicht doch halluziniert. Das klingt immerhin nach einem Abenteuer.
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The Alpha And Me -Love The Way You Lie-
WerewolfStark und furchtlos im Sturm. Der Retter in der Flut. Ein Held. Doch die Rolle des Helden ist viel mehr als das Retten von den vermeidlich Schwachen. Was, wenn die Starken einen Helden benötigen? Nach Wochen im Koma hat sich im Rudel viel getan und...