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Ich grinste breit. „Das würde Ihnen gefallen, oder?"
Er verdrehte seine Augen, packte mich fester am Oberarm und zog mich mit sich Richtung Hotel. „Können Sie mir nicht mal auf meine Frage antworten."
Eigentlich hätte ich jetzt gut eine Zigarette gebrauchen können, aber das würde ich niemals zugeben. Entschlossen presste ich die Lippen aufeinander. „Ich war nur was trinken."
Er musterte mich im Gehen von der Seite und zog die Augenbrauen hoch. „Und da finde ich Ihre Tasche auf der Straße?"
Ich verdrehte die Augen. „Okay, vielleicht hab' ich auch etwas mehr getrunken." Ich wollte ihm nicht von meinem kleinen Ausflug in den Kofferraum eines Autos erzählen, weil er mir dann garantiert wieder meine eigens angestellten Ermittlungen vorwarf.
„Und wo kamen Sie dann jetzt her?"
Ich kratze mich kurz am Hinterkopf und erkannte zwei dunkle Gestalten hinter uns. Ob sie uns folgten oder nicht, konnte ich nicht genau erkennen. „Ich... war noch bei jemandem." Ich torkelte noch etwas, weswegen er mich erneut festhielt, damit ich nicht hinfiel.
Er tat so, als würde ihn das nur wenig interessieren, doch ich merkte, wie sich seine Haltung anspannte. „Ohne Ihre Tasche?"
Kurz schüttelte ich meinen Kopf und erkannte, dass die zwei Gestalten sich entfernten. Wahrscheinlich, weil ich jetzt nicht mehr allein war. Meine Lippen hoben sich ein kleines bisschen. „Ich... hatte sie wohl verloren und wollte sie hier suchen gehen."
Wir waren inzwischen am Hotel angekommen und gingen durch die Schwingtür, an der Rezeption vorbei und zum Fahrstuhl. „Die Geschichte ist doch von vorne bis hinten erfunden. Ich glaube Ihnen kein Wort", war Marcs Kommentar.
Die Fahrstuhltür öffnete sich mit einem »Ding!« und ich trat wortlos ein, Marc dicht hinter mir.
„Schon allein der Fakt, dass Sie immer wieder zurück geschaut haben, ist ein deutliches Indiz."
Blitzschnell wandte ich den Kopf und starrte ihn an. Vor Verwunderung blieb mein Mund offen stehen.
Marc schüttelte unwillkürlich seinen Kopf und nahm unerwartet und grob meine Handgelenke. „Diese Abschürfungen hier stammen eindeutig von Panzertape, das gelöst wurde. Und die Wunde an Ihrem Finger spricht ebenfalls Bände", fuhr er unbeirrt fort. Ich schüttelte meinen Kopf, ungläubig und gleichzeitig fasziniert von seinem logischen Verstand.
„Mir scheint fast, dass Sie verfolgt werden, Special Agent Evans, und ich befehle Ihnen, offen darüber zu sprechen, was heute Nacht vorgefallen ist."
Der Fahrstuhl hielt und die Türen öffneten sich. Ich warf Marc einen langen Blick zu und seufzte laut, ehe ich zu meinen Zimmer ging und es mit der Schlüsselkarte in meiner Tasche entriegelte.
„Durch Ihren Undercover-Auftritt sind Sie jetzt eine Zielperson, verstehen Sie?" Marc trat an meine Seite und starrte mich eindringlich an, doch ich rührte mich nicht, starrte nur in mein Zimmer.
„Ja", meinte ich langsam und lief zu meinem Bett. Nachdenklich ließ ich mich auf die federnde Matratze fallen. Erst jetzt wurde mir das ganze Ausmaß der vorangegangenen Ereignisse bewusst. „Ich..." Ich schüttelte mich, um einen klaren Kopf zu bekommen. „Ich hab' etwas unfassbar Dummes getan." Und damit hob sich mein Blick zu Marc, der mich bis jetzt stumm betrachtet hatte. Als er diese Aussage vollständig verstand, setzte er sich neben mich.
„Ich..." Mein Bewusstsein hatte Schwierigkeiten, sich an alle Einzelteile zu erinnern und sie in die passenden Worte zu fassen. „Ich... wollte nur ein bisschen trinken... Und dann..." Die Erinnerung an den starken Cocktail, den mir jemand zugeschoben hatte, sprang mir wieder ins Bewusstsein. Aber so sehr ich mich auch bemühte, ich konnte nicht genau sagen, von wem das Glas gekommen war. „Jemand hat mir was ins Glas gemischt." Als ich aufblickte, sah ich, wie Marcs Kiefer mahlten. „Ich... Dann kompletter Filmriss... Und dann..." Ich holte tief Luft. „Wache ich gefesselt im Kofferraum eines Autos wieder auf." Ich endete und wagte nicht, Marc anzusehen, aus Angst, was ich da sehen würde. Stattdessen studierte ich seine Hände, die sich langsam zu Fäusten ballten.
„Das war in der Tat unfassbar dumm", begann er langsam.
„Ich war total betrunken", hörte ich mich sagen, ein erbärmlicher Versuch, dieses leichtsinnige Verhalten zu rechtfertigen.
„Aber ich hätte auch ein bisschen mehr auf Sie Acht geben müssen." Er seufzte müde und aus dem Augenwinkel nahm ich wahr, wie er erschöpft in sich zusammensackte.
Ich konnte mich nicht zurückhalten, ich kicherte los wie eine Irre. „Pfft", prustete ich. „Machen Sie sich keine Umstände." Und etwas ernster fügte ich hinzu. „Ich kann auf mich selbst aufpassen. Immerhin bin ich nicht umsonst ein Special Agent."
Er zog die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen und musterte mich mit Missfallen. „Aber ich bin Ihr Vorgesetzter und Sie sind ein Mitglied meines Teams. Und Regel Nummer 1 lautet: Niemand wird zurückgelassen."
Kommentarlos studierte ich sein Gesicht genauestens. Ich könnte ihm vorwerfen, wie scheiße er mich als Neuling behandelt hatte oder dass es diese Regel bei ihm noch nie gegeben hat, geschweige denn von ihm vorgelebt wurde. Es gab tausend Dinge, die ich ihm an den Kopf werfen könnte, die seiner Aussage die Basis rauben würden. In diesem Moment verfluchte ich ihn innerlich. Verdammtes Arschloch! Bog sich die Regeln so zurecht, wie er sie gerade brauchte.
Mein Blick wurde dunkel und ich presste die Lippen zu einer schmalen Linie zusammen, während ich ihn hoch- und zur Tür zerrte. „Ich glaube, ich verstehe", meinte ich fast tonlos. „Aber Sie gehen besser jetzt. Wenn ich nüchtern werde, heule ich nur rum, und das wollen Sie sicher nicht ertragen."
Sein Gebrummel klang ein wenig nach Protest und auch sein wenig kooperatives Verhalten zeigte mir, dass er mit meiner Aktion nicht so ganz einverstanden war. Aber seine Widerworte trafen bei mir auf wenig Anklang, vor allem jetzt, da ich sowieso mehr als sauer auf ihn war, und ich schob ihn einfach zur Tür hinaus.
Sobald ich die Tür zugedrückt hatte, lehnte ich mich mit dem Rücken dagegen und rutschte erschöpft hinab. Schon wieder hatte ich versagt, als Special Agent und als Person. Ich merkte kaum, wie sich leise Tränen in meine Augen stahlen. Ich machte alles nur noch schlimmer! Ich hatte in voller Linie versagt, ich sollte mich nicht wundern, wenn Marc mich von dem Fall abzog. Ich hatte es verdient. Ich schloss meine Augen und ignorierte die Tränenspuren auf meinen Wangen. Alles, was passiert war, war aus einem Grund passiert. Ich war ein schlechter Mensch und ein noch schlechterer Agent. Alles Schlechte, das in der Vergangenheit über mich gewalzt war, ich hatte es verdient. Ja, es war meine Strafe, und ich weigerte mich zu lernen, wie ein stures Kind. Ich hatte alles Schlechte verdient.

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