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Eine halbe Stunde später saßen wir im Auto auf den Weg zu den Supermarkt. Marc fuhr, während ich neben ihm auf dem Beifahrersitz saß und Devan hinten. Es hatte sich gezeigt, dass die Überwachungskameras nur in Echtzeit Bilder übertrugen und nicht speicherten. Deshalb waren wir auf dem Weg, um mit dem Marktleiter zu reden. Vielleicht könnte er Alexander auf einen Bild identifizieren. Oder Tony, wie mir Clay gesagt hatte.
Als wir auf den Parkplatz fuhren, standen nicht viele andere Autos da. Wir gingen hinein und fragten nach dem Filialleiter. Ich hatte vorgeschlagen, dass ich mich im Nahbereich umschaute, während die anderen zwei mit dem Marktleiter sprachen. Aber Marc hatte meine Idee weniger gut gefunden. Allein würde er mich so schnell nirgendwo mehr hinschicken, weil er sich idiotischerweise um mich sorgte. Ich war schon zu tief, zu persönlich in den Fall verstrickt und schon spürbar zur Zielscheibe geworden. Irgendwie war ich die ganze Zeit wie weggetreten, erlebte alles hinter einer dicken Glasscheibe. Der Marktleiter erkannte Tony auf dem Bild. Er hatte noch was besseres. Zwar überschrieben seine Kameras die Aufnahmen nach 24h, aber er speicherte sie auf DVDs. Wir suchten uns die entsprechende DVDs heraus und verabschiedeten uns.
Ich hatte darauf bestanden, mitzukommen und es selbst zu überprüfen. Wenn ich zurückdachte, fragte ich mich eigentlich warum. Ich war mir die ganze Zeit wie fremdgesteuert vorgekommen. Jedenfalls war Marcs Bedingung gewesen, dass ich sie zu der Zweitwohnung von Tony führte.
"Evans", riss mich Marc aus meinen Gedanken. "Wir sind gleich da. Wo muss ich langfahren?"
Ich holte tief Luft und fasste mir an den Kopf, da ich plötzlich Kopfschmerzen bekam. "Stellen Sie sich einfach hier hin auf den Parkplatz, ich muss erstmal überlegen."
Marc fuhr den Wagen in eine Parklücke und machte den Motor aus. "Alles gut?"
"Ja klar", antwortete ich, ohne seinen Blick zu erwidern und öffnete die Tür. Ich stieg aus und schlug die Tür zu. Meine Tasche war ja noch in der Wohnung, und darin die Adresse, die mir die Frau in der Bar genannt hatte. Ich blieb stehen, kniff die Augen zusammen und massierte mir die Schläfen. Wenn nur diese verdammten Kopfschmerzen nicht wären! Dann fiele es mir vielleicht leichter, mich zurück zu entsinnen. Sie lautete...
"Evans?", tönte erneut Marcs Stimme herüber.
"Dieses Haus", erwiderte ich nur und zeigte auf das Haus hinter mir.
"Sicher?", erkundigte sich Devan. "Die Häuser sehen hier alle gleich aus."
Wortlos starrte ich ihn an. "Schon 'ne Idee, wie wir in das Haus kommen, wenn's zu ist?"
Marc zuckte mit den Schultern. "Wir sagen, wir sind Agenten."
Ich zog die Augenbrauen hoch. "Aus Ihrem Mund klingt das so leicht."
Diesmal drehte er den Kopf zu mir, während wir Richtung Haustür liefen. "Ist es auch, Special Agent Evans. Die Bombenbastler wissen sowieso schon, dass Sie vom FBI sind und die Nachbarn stellen das geringste Problem dar."
Kurz schloss ich die Augen und holte Luft. "Schon klar. Was tun wir, wenn jemand zu Hause ist?"
"Wir erschießen ihn", antwortete Marc trocken, ohne den Kopf zu drehen.
"Er macht nur Witze", raunte Devan mir zu. "Denke ich jedenfalls."
Ich nickte nur. Das konnte ja lustig werden.

In der Wohnung hatten wir niemanden angetroffen. Alles verlief reibungslos, und ich fragte mich, ob ich wirklich etwas beisteuern konnte zu der Arbeit der beiden erfahrenen Ermittler. Mit meiner Tasche und einigen Beweisen waren wir wieder auf dem Weg zum Hotel.
Marc fuhr den Wagen in eine Parklücke und ich sprang schon heraus, ehe er den Motor ausgestellt hatte. Es war 17:00 Uhr, also bereits Feierabend für mich. Außerdem wollte er mich ja eh ins Hotelzimmer verbannen, also tat ich ihm nur einen Gefallen. Ich sah es nicht ein, noch zu arbeiten. Es war immerhin schon spät und ich konnte sowieso nichts ausrichten.
"Evans!", jagte ein markerschütternder Ruf über den Parkplatz und ließ mich innehalten. Ich war schon fast beim Eingang und die anderen noch beim Auto, auf der anderen Seite des Parkplatzes.
"Ja?", ertönte meine genervte Antwort und prompt hörte ich, wie Marc näherjoggte.
"Ich kann mich nicht erinnern, Ihnen erlaubt zu haben zu gehen", fing er an, wobei ich nur die Augen verdrehte und erneut losmarschierte. "Das war doch eh Ihr Plan, also tun Sie jetzt nicht so", beschwerte ich mich mit zusammengekniffenen Augen.
"Nein", schnaufte er nachdrücklich, "Devan wird Sie begleiten."
Ich runzelte die Stirn. "Ich glaube eher nicht."
"Oh doch", knurrte er mit einer Bestimmtheit, die keine Widerrede zuließ. "Ich will nicht, dass Sie jetzt allein sind."
Nachdenklich wog ich den Kopf, vermied es aber, ihn anzusehen. "Ich wäre jetzt eigentlich ganz gern allein."
Marc packte mich unerwartet am Arm und stoppte mich so ruckartig in der Bewegung. Er beobachtete, wie Devan näherkam. "Ich scheiß' darauf, was Sie wollen."
Oho. Ein Empath. Angepisst entriss ich ihm meinen Arm und stellte mich gerade neben ihn. "Fahren Sie zur Hölle."
Er schmunzelte, während er mich intensiv musterte. "Ich halte Ihnen einen Platz frei."
Schnaubend wandte ich mich ab und beobachtete meinerseits Devan, die einzigen positiven Aussichten, die ich momentan hatte.
Als er bei uns angekommen war, liefen wir schweigend zum Hotelzimmer.

Vor seiner Tür verabschiedete sich Marc und bedachte Dave und mich mit einem strengen Blick, als er uns sagte, dass er morgen nochmal vorbeischauen würde. Ich ignorierte ihn bewusst und wünschte ihm auch keinen schönen Abend.
Ich duschte mich noch und machte mich bettfertig. Dann ging ich hinüber in das andere Zimmer und zog mich um, bevor ich mich auf mein Bett fallen ließ. Bevor ich die Augen schloss, hörte ich noch Devan im Wohnzimmer etwas knistern. Er würde auf der Couch schlafen.

Am nächsten Tag wälzte ich mich von einer Seite zur anderen. Eigentlich war ich schon lange wach und mir sicher, dass ich nicht mehr würde einschlafen können. Aber ich wollte das Gespräch mit Dave noch etwas hinauszögern.
Ich hörte ein Geräusch. Hatte jemand geklopft? Egal, dachte ich, gähnte herzhaft, streckte mich und rollte mich auf die andere Seite.
Im Hintergrund plätscherten Stimmen vorbei und ich döste vor mich hin.
Als ich mich nach einigen Momenten wieder auf die andere Seite wälzte, sah ich verschwommen zwei hochgewachsene Gestalten am Fuße meines Bettes. Aber ich maß dieser Beobachtung kein weiteres Gewicht bei, bis mich ein Räuspern komplett in die Realität zurückholte.
Devan und Marc starrten auf mich hinab. Blitzschnell zog ich meine Waffe unterm Kopfkissen hervor und zielte auf sie, doch ich bemerkte relativ schnell, dass dies nicht nötig war.
"Ihr hättet mich auch ruhig vorwarnen können", seufzte ich auf, legte meine Waffe auf meinen Nachttisch und ließ mich zurück in meine Kissen fallen.
"War doch eine schöne Überraschung", kommentierte Marc, wofür ich ihm einen bösen Blick zuwarf.
"Marc wollte uns sagen, dass wir heute hierbleiben sollen", berichtete Devan unbewegt.
Ruckartig setzte ich mich auf und starrte Marc böse an. "Das heißt, Sie sperren mich ein?"
Marc seufzte, wandte sich ab und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen. "Sie brauchen jetzt Ruhe."
Angesäuert verzog ich mein Gesicht und wühlte mich aus den Laken, um ins Bad zu gehen. "Sie haben keine Ahnung, was ich brauche."
Ich hörte Marcs Grinsen in seiner Stimme, als er sagte: "Devan wird darauf achten, dass Sie auch die Ruhe bekommen, die Sie brauchen."
Abrupt hielt ich inne. "Ich nehme an, notfalls fesselt er mich?"
Ich drehte mich um und sah, wie Marc abwägend den Kopf wog. "Notfalls." Und damit drehte er sich um und ging.

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt