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Wir ermittelten gemeinsame Telefonkontakte von Clay, dem Mordopfer und Tony und suchten ihre Adressen heraus. Einige Streifen fuhren zu den jeweiligen Häusern und klingelten, ob die Gesuchten zuhause waren. Dann spielten wir noch etwas herum und riefen Alex per Skype an. Der freute sich, was von uns zu hören, und vor allem, dass wir bald wieder zurückkommen würden.
Zwischendurch war Devan zu uns gestoßen und musste sich ebenfalls tiefgehend mit Alex austauschen.
Somit war es schon Mittag, als Marc zu uns ins Labor kam.
"Die Verdächtigen sind eingetroffen und werden in die Verhörräume gebracht", sagte er und schaute von einem zum anderen. "Ihr könntet uns helfen."
"Ja klar, Boss", meinte Devan und sprang sofort Beifuß.
Marc lief los und wir folgten ihm. "Devan, du führst das eine Verhör und ein Polizist wird dich unterstützen. Evans kommt mit mir, Lou beobachtet und gibt danach ihre Analyse ab."
"Okay", antworteten wir im Chor.

Seufzend zog ich mir den Stuhl hervor und setzte mich. Ich starrte den Mann vor mir an. In dem Moment kam Marc herein und setzte sich neben mich.
Er holte tief Luft und ich merkte, wie der Mann gegenüber nervös die Hände knetete.
"Können Sie sich vorstellen, wieso Sie hier sitzen?", fragte Marc.
Sein Blick flog unsicher von der einen Seite zur anderen. "Neeeiiin", antwortete er gedehnt. "Ich habe nichts Unrechtes getan." Er zuckte mit den Schultern. "Vielleicht mal falsch geparkt oder so, aber..."
"Sie sitzen nicht wegen Falsch-Parkens hier", unterbrach ich ihn.
Er musterte mich reglos.
Marc seufzte und legte ihm ein Bild des Mordopfers hin, erst ein Bild seines Führerscheins. "Kennen Sie ihn?"
Der Mann hob die Schultern. "Nie gesehen."
Marc knallte das Foto mit der Leiche auf dem Tisch. "Und wie ist es jetzt?"
Geschockt schnappte der Mann und erhob die Hände. "Ich war's nicht!"
Marc zog die Augenbrauen hoch. "Achja, und was?"
"Ich... Ich... Jakob war mein Freund, ich würde ihm doch nichts tun. Ich..." Zitternd strich er sich durch die Haare. "Wir... Haben gemeinsam Sport gemacht..."
Ich runzelte die Stirn. Marc räusperte sich.
Dann wandte sich der Mann an mich. "Warum sitzt du noch hier? Du könntest mit Clay längst auf Hawaii sein und ein Luxusleben leben. Das hier ist nicht das, was du verdienst."
Ich war etwas gekränkt, dass er mich selbstverständlich mit 'Du' ansprach, obwohl er mich nicht persönlich kannte. Ich merkte, wie sich Marc neben mir anspannte. Anscheinend störte dies auch ihn. "Irrtum." Ich knallte ihm Fotos und Notizen aus dem Versteck hin, die ihn und Jakob und Clay zeigten. Daraufhin schlief ihm das Gesicht ein. "Das ist genau das, was ich verdiene", meinte ich mit Nachdruck.
Er schlucke. "Was ist das?"
"Was ist Ihnen denn fremd?", fragte ich heimlich in mich hinein grinsend. "Das Prinzip einer Kamera? Oder dass man die Fotos auch ausdrucken kann?"
In dem Moment tippte Marc mich gespielt ungeduldig an. "Ich glaube, er hat sich falsch ausgedrückt und wollte fragen, woher wir die Bilder haben."
Mein Mund formte sich zu einem 'o'.
"Wollten Sie das fragen, Herr Hausdorfer?", fragte Marc unschuldig.
Der Mann nickte schnell und schluckte.
"Nun..." Er ließ das fragliche Handy, welches die SMS mit den Ortsangaben enthalten hatte, zwischen seinen Fingern hin und her gleiten. "Man könnte fast sagen, ein Vöglein hat es mir ins Ohr gezwitschert. Eines mit Internet- und Telefonverbindung."
Ich kicherte sarkastisch, während der Mann die Augen verdrehte und weiter auf seinen Stuhl herunterrutschte.
"Wir haben sie aus dem Hauptquartier der Schläferzelle in der alten Textilfabrik bei den Villen", klärte ich ihn noch weiter auf, weil ich wirklich den Eindruck hatte, dass er nicht wusste, wovon wir sprachen.
Er richtete sich auf. "Das alte Ding?", fragte er langsam und schien nachzudenken. "Da war ich schon ewig nicht mehr."
Marc und ich warfen uns vielsagende Blicke zu. Bei der Analyse der DNA-Spuren hatte sich nämlich herausgestellt, dass Herr Hausdorfer zusammen mit einigen anderen öfter an diesem Ort gewesen war, wenn er nicht sogar dort übernachtet hatte.
"Was?", fragte er sichtbar verwirrt.
Marc seufzte. Er breitete Beweismitteltüten mit Haaren, Hautschuppen und so weiter. "Komisch, die DNA sagt etwas anderes und die DNA lügt nicht."
Der Mann biss sich auf die Unterlippe. "Ja, vielleicht war ich mal kurz da. Wollte Zeug holen, das ich da gelassen hatte."
"Und da waren auch zufällig die anderen da", plauderte ich gespielt lässig drauflos.
"Niemand war da", hielt er dagegen, während Marc die Arme verschränkte und kritisch die Stirn runzelte.

Im Verhör mit den anderen Verdächtigen hatte sich komischerweise herausgestellt, dass Herr Hausdorfer fleißig bei Anschlägen und Überfällen mitgeplant und tatkräftig mitgeholfen hatte. Er leugnete das im weiteren Verhör natürlich. Ich lehnte mich bei der ganzen Sache inzwischen zurück, genau wie Devan. Die Schuld wurde die ganze Zeit zwischen den Verdächtigen hin und her geschoben. Aber das war meistens so. Soviel zur berüchtigten Ganovenehre. »Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus«, hieß es zwar, ich hatte aber die Erfahrung gemacht, dass es im Zweifelsfall eher hieß »Jeder Mann für sich selbst«. Am Ende spielte Schuld sowieso keine Rolle und der Richter würde nach dem Satz »Mitgefangen, mitgehangen« handeln. Denn die Schuldzuweisungen nahmen kein Ende und jeder wollte nur seinen eigenen Hals retten, indem er die anderen anschwärzte. Was nebenbei bemerkt nicht klappte.
Morgen würden wir bei dem illegalen Boxkampf zugreifen und, wenn es gut lief, Clay verhaften und verhören können. Bis dahin blieb nicht viel zu tun und Marc schickte mich nach Hause.

Im Hotel schmiss ich meine Tasche neben das Bett und stapfte in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen. Im Kühlschrank hatte ich noch ein Schoko-Croissant, das ich mir heute früh beim Bäcker gekauft hatte. Ich setzte mich an den Tisch und schaute Videos auf meinem Handy, während ich es aß.
Ich war fast mit meinem Kaffee fertig, als es an der Tür klopfte. Ohne mir Gedanken zu machen öffnete ich. Devan stand davor, einen Zahnstocher zwischen Lippen.
"Tach", grüßte er mich und drängelte sich wie selbstverständlich an mir vorbei.
Ich verschränkte die Arme. "Ähm, entschuldigung?"
Devan schenkte sich eine Tasse Kaffee ein und setzte sich, als wäre das sein Hotelzimmer. "Entschuldigung angenommen", erwiderte er schmunzelnd und zwinkerte mir frech über den Rand seiner Tasse zu.
Genervt verdrehte ich die Augen und seufzte.

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