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„Hallo, schon wieder am Arbeiten?", begrüßte ich den Nachbarn, als ich am nächsten Morgen zum Joggen aufbrach.
Er hob die Schultern. „Ich bin ja jetzt alleine verantwortlich, das Grundstück imstand zu halten." Er wandte sich ruckartig mir zu und blickte mir lange intensiv in die Augen. „Es sei denn, du bist gekommen, um mir zu helfen."
Für ein paar Sekunden war ich verunsichert, weil ich dachte, sein intensiver Augenmerk in Kombination mit diesem Satz hießen, er ahne was. Doch schnell hatte ich mich wieder gesammelt. Zu kurz, als dass jemand hinter meine Fassade hätte schauen können. „Wenn ich das tatsächlich kann", erwiderte ich kleinlaut.
„Na sicher!" Er lächelte verlegen, ohne den Blickkontakt zu unterbrechen. Ich hatte das Gefühl, es wären Stunden, die wir uns in die Augen schauten, dabei waren es nur wenige Sekunden, bis Alexander selbigen brach und auf seine Uhr schaute. „Es ist zwar noch ziemlich früh, aber würdest du trotzdem auf einen Kaffee mit reinkommen?"
Automatisch lächelte ich. „Für Kaffee ist es nie zu früh."

"Du hast mit ihm geschlafen?", fragte Lou fassungslos.
Ich zuckte die Schultern. "Ist ja nichts weiter dabei. Und ich sollte ihm nahe kommen. Nahe genug, um Kameras in seiner Wohnung zu installieren."
"Aber..." Die dunkelhaarige Frau gestikulierte wild. "Das beeinflusst deine Objektivität!"
Entspannt winkte ich ab. "Es war nur Sex."
Ihre Schultern sackten nach unten und sie schien sich langsam zu beruhigen. "Wenn du das sagst."
Skeptisch zog ich die Augenbrauen hoch, kommentierte dies aber nicht.
"Gut, dass das geklärt ist. Marc will uns sprechen", bemerkte Lou und nahm den Videoanruf entgegen.
"Ihre Frist von einem Tag ist vorbei, Evans", meinte er kalt und verzichtete auf eine Begrüßung.
Kritisch kniff ich die Augen zusammen. "Ich freue mich auch, Sie zu sehen."
Er wurde ungeduldig. "Ich will Fortschritte."
"Die bekommen Sie auch", mischte sich Lou ein. "Lilly hat eine... interessante... Wendung."
"Ich hab' mit ihm geschlafen", gab ich gleich unverblümt zu. "Der Auftrag war nur, an ihn heranzukommen..."
Er wiegte den Kopf. "Zur Sache, Evans. Einzelheiten interessieren mich nicht."
"Ich hab' die Wanzen bei ihm in der Wohnung angebracht. Zumindest zwei. Sie sind eingeschaltet."
"Sehr gut, Lilly!", rief Lou.
"Und was ist mit den Kameras?", forderte Marc zu wissen.
"Mit ein bisschen Glück sieht mich Alexander nicht als One-Night-Stand und wir sehen uns wieder. Öfter. Dann kann ich die Kameras anbringen", erklärte ich pragmatisch.
"Und wenn nicht?"
Ich zuckte mit den Schultern. "Dann haben wir nur den Ton."
Marc schüttelte den Kopf. "Ich hoffe, Sie bringen zu Ende, was Sie begonnen haben."
Zuversichtlich nickte ich.
"Klar, das schafft sie mit links", kommentierte Lou.
Nachdenklich holte ich Luft und warf ihr einen langen Blick zu. "Wollen wir's hoffen." Und lauter meinte ich: "Haben Devan und Alex noch was Neues?"
"Nein", meinte Marc schlicht, dann beendete er das Gespräch.
Ich verzog meine Mundwinkel. "Typisch."
"Wenigstens hat er dir keine Frist gesetzt", meinte Lou, die immer noch resigniert auf den schwarzen Computerbildschirm starrte.
In dem Moment vibrierte mein Handy. Es war Marc, wie ich erkannte, als ich es aus meiner Jackentasche zog. Die Nachricht bestand nur aus einem Wort. '24h'. Ich hielt das Handy Lou hin.
"Oh", war alles, was sie herausbrachte.

Auf dem Weg ins Hotel sah ich, wie Alexander in seinem Garten mit einem Schlauch hantierte.
Eine Weile beobachtete ich ihn, bevor ich meine Stimme erhob. "Hi!"
Er hob den Kopf, und als er mich erkannte, stellte er das Wasser ab, ließ den Gartenschlauch zu Boden sinken und kam zum Zaun gelaufen. "Hi!"
„Na, anstrengender Tag?", fragte ich schließlich nach einer Weile, als er bei mir angekommen war.
Er betrachtete seine schmutzigen, feuchten Hände und runzelte seine mit Schweißtropen benetzte Stirn. „Ist das so offensichtlich?", antwortete er mit einer Gegenfrage.
Ich schmunzelte und blickte zu Boden. „Vielleicht können wir einen Kaffee zusammen trinken, dabei kannst du dich dann ja ausruhen", meinte ich freundlich und strich mir die Haare aus dem Gesicht, die der Wind verwirbelte.
Er grinste mich an und während er sich die Hände an einem alten Handtuch trocknete, fuhr ihm der Wind in die Haare und ließ ihn in dem Moment unglaublich heiß aussehen. „Wir können gerne reingehen", lächelte er.
"Super", meinte ich und lächelte ihn an, bevor ich zum Gartentor lief, es öffnete und eintrat. Es war ein warmer Tag und im Haus war es erfrischend kühl. Alexander lief schnurstracks zur Kaffeemaschine und schon bald hörte man das Schnurren und Gurgeln der Maschine. Derweil brachte ich geschwind zwei Minikameras an, eine in einer Zimmerpflanze und die andere unter einem Stapel Bücher, den er nie wegzuräumen schien. Eigentlich wollte ich noch eine dritte am Bücherregal anbringen, doch ich wurde gestört, als er unvermittelt ins weitläufige Wohnzimmer kam. Ich stand am Bücherregal und hatte ihm den Rücken zugewandt, sodass ich ihn erst spät bemerkte.
"Was machst du da?", fragte er misstrauisch.
Ich zuckte zusammen, steckte unauffällig die Minikamera weg und drehte mich zu ihm um. "Himmel, hast du mich erschreckt! Du sollst dich doch nicht so anschleichen!", brachte ich hervor, dann wischte ich mir über die Stirn. "Ich hab' nur die ganzen Bücher bewundert. Ich hätte dich nicht für einen Bücherwurm gehalten."
Immer noch skeptisch runzelte er die Stirn, als er antwortete. "Die meisten gehören meiner Fr... Ex-Frau" korrigierte er sich.
"Achso", meinte ich schlicht und blickte ihm in die Augen.
Sein Blick wurde wieder etwas versöhnlicher und er reichte mir seinen Arm. "Komm', der Kaffee ist fertig."
Lächelnd ergriff ich ihn und folgte ihm in die Küche.
In der Küche setzte ich mich auf einen der hohen Stühle und er schenkte uns Kaffee ein.
"Und, wie geht es voran mit den Hochzeitsvorbereitungen?", erkundigte er sich und nippte an seinem Kaffee.
Kurz wurde ich aus der Bahn geworfen, war aber professionell genug, es mir nicht anmerken zu lassen. „Gut, gut", fing ich an. „Meine Schwester ist sich nur bei der Tischdeko nicht sicher, sie will ja, dass es ihrem zukünftigen Mann gefällt."
„Ja, das ist immer problematisch", meinte er gedankenverloren und starrte die Wand hinter mir an.
Stirnrunzelnd blickte ich ihn an. „Hast du damit etwa Erfahrung?"
Seine Augen flogen zurück zu mir. „Was?"
„Ob du Erfahrung mit Hochzeiten hast, bei denen die Geschmäcker des Brautpaares etwas auseinander gehen?", wiederholte ich und verfolgte aufmerksam seine Reaktion
Er schluckte, bevor er zu reden ansetzte. „Ich habe durchaus schon Hochzeiten erlebt, bei denen die Geschmäcker nicht unbedingt harmonierten." Er fügte ein freundliches Lächeln an. „Aber ich finde es unhöflich, das kundzutun."
Frech erwiderte ich es. „Gut zu wissen."
Eine kleine Ewigkeit starrten wir uns stumm in die Augen, dann lehnte sich Alexander auf einmal vor und drückte seine Lippen auf die meinen. Ich konnte hören, wie er seine Tasse abstellte, danach legte sich seine rechte Hand an meinen Hinterkopf und zog mich näher zu sich heran. Glücklich seufzend kuschelte ich mich enger in seine Arme und wusste in dem Moment, dass meine Undercover-Mission so gut wie erfüllt war.

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