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Wir trafen etwas später in der Polizeiwache ein als Tony Doyle und daher befand er sich schon im Verhör mit zwei Polizisten. Auch wenn wir bereits die Vermutung hatten, dass er kein Täter bzw. Mitglied der Terrorzelle war, behandelten wir ihn wie einen Verdächtigen. Wir wollten diese Information möglichst lange zurückhalten, damit Tony und andere Verdächtige eventuell etwas gesprächiger waren und uns im Verhör neue Informationen lieferten.
Die Fahndung nach Clay lief bereits. Durch die Autopsie wussten wir, dass er zumindest in diesem Fall auf jeden Fall der Täter war. Devan und ich waren auf dem Weg in die Pathologie. Die schwere, grüne Labortür öffnete sich nur langsam, als ich sie aufstieß. Augenblicklich bemerkte ich Richie in dem Raum. "Hey Rich", begrüßte ich ihn lächelnd. Ich nickte dem anderen Rechtsmediziner David zu.
"Habt ihr was Neues?", kam Devan gleich zur Sache.
Richie neigte den Kopf. "Unser Mordopfer ist von Spuren der Gewalt übersät", begann er und gestikulierte in Richtung des Toten auf dem Tisch. "Angefangen bei der Eintrittswunde und was die Kugel im Körper angerichtet hat, bis hin zu den Wunden, die schon älter sind, wie wir schon zu Beginn festgestellt haben."
"Es sieht danach aus, als seien sie in der Vergangenheit immer wieder aufgetaucht", mischte sich David ein. "Dann wieder verheilt, wieder aufgetaucht und so weiter. Aufgrund dessen gehen wir davon aus, dass er Profisportler war."
Ich runzelte die Stirn. "Profisportler?"
Beide Rechtsmediziner nickten. "Er hat diese Sportart ziemlich regelmäßig betrieben. Wir tippen auf Boxen."
"Darauf haben wir bei der Sichtung seiner persönlichen Details keinen Hinweis gefunden", warf Devan mit zusammengekniffenen Augen kopfschüttelnd ein.
Richie zuckte die Schultern. "Dann müsst ihr das nochmal überprüfen."
Devan seufzte, stieß sich vom Schrank ab und schnippste mir gegen den Arm. "Dann sehen wir nochmal nach."
Ich folgte ihm und lächelte den Doktoren zu. "Bis später."

Mit Lou suchten wir bis spät in die Nacht nach Hinweisen auf das Hobby Boxen, doch immer wieder rannten wir ins Leere. Völlig erschöpft ging ich dann kurz vor Mitternacht Seite an Seite mit Devan ins Hotel. Da es schon so spät war, blieb er einfach bei mir. Von Marc hatte ich schon seit längerer Zeit nichts mehr gesehen und gehört, aber ich fand das nicht ungewöhnlich und machte mir keine großen Gedanken deswegen.
Am nächsten Morgen machten wir uns gleich auf den Weg in die Pathologie. Richie kam gerade aus dem Kühlraum und wischte sich die Hände an einem alten Handtuch ab.
"Hey Richie, hier sind wir wieder", fing ich an.
"Wir haben noch Fragen, die geklärt werden müssen", fügte Devan hinzu.
"Das trifft sich gut", meinte Richie verschmitzt. "Ich habe nämlich Hinweise gefunden, die in eine komplett neue Richtung deuten."
Devan warf mir einen vielsagenden Blick zu. "Das klingt interessant."
"Fangt ihr an."
Ich schaute kurz zu Devan, bevor ich begann. "Wir haben gestern die gesamte Biografie des Mordopfers umgedreht und nichts gefunden, was auf den Boxsport in irgendeiner Form hindeutet."
Richie drehte sich geschwind um und bedeutete, uns in den Kühlraum zu folgen. Das taten wir und er zog das Fach mit dem Opfer heraus. Hervor stachen die lilanen Hämatome, die seinen gesamten Oberkörper übersäten. Leichtere Spuren fanden sich auch im Gesicht. "Fällt euch etwas auf?"
Mein Blick schweifte vom Toten zu Rich. "Die Hämatome konzentrieren sich auffällig auf den Oberkörper."
Er hob den Zeigefinger. "Auch, aber nicht das, worauf ich hinaus will."
Ich zuckte die Schultern. Devan räusperte sich. "Die Hämatome sind fast kreisrund, also liegt es nahe, dass es Faustschläge sind." Richie nickte, während Devan Luft holte. "Aber was mich verwirrt, ist das ungleichmäßige Muster. Hätte er Handschuhe getragen, wäre das Hämatom gleichmäßiger."
Rich nickte. "Genau, das hat mich auch verwirrt. Also habe ich die Abschürfungen an den Fingerknöcheln nochmals genauer untersucht. Darin habe ich Spuren einer anderen DNA gefunden. Ergo, er hat keine Handschuhe getragen."
Ich runzelte die Stirn. "Warum sollte er keine Handschuhe getragen haben?", grübelte ich laut.

"Fight Club", bemerkte Devan laut.
"Fight Club?", fragte Marc verwirrt.
"Der Film", half Lou. Aber Marcs Stirn lag immer noch verwirrt in Falten.
"Ein paar Männer treffen sich zu illegalen Boxkämpfen. Niemand sonst weiß davon, niemand kennt den Klarnamen des anderen. Keine Handschuhe, keine Gnade", erklärte Dave. "Es geht um die Ehre, ums Geld und Anerkennung."
Marc nickte.
"Der Hinweis lenkt uns in eine bestimmte Richtung", fuhr er fort. "Da wir das Handy des Opfers haben, können wir regelmäßigen Kontakt zu Clay und einigen anderen nachweisen. Daher besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass die illegalen Boxkämpfe in diesem Milieu stattfinden."
"Auf dem Handy haben wir außerdem einige verschlüsselte Mails gefunden, die wir noch entschlüsseln müssen", fügte ich hinzu. "Vielleicht kriegen wir daraus noch weitere Hinweise auf Namen oder Orte, wo sie sich regelmäßig treffen."
Lou nickte. "Durch Handykontakte und andere Eckpunkte können wir den Personenkreis feststellen, der am ehesten als sein Freundeskreis in Frage kommt."

"Lillian, ich muss mal mit dir reden", meinte Marc und zupfte mir am Ärmel meines T-Shirts herum.
Ich drehte mich zu ihm und zog besorgt meine Augenbrauen zusammen. "Worum geht's denn?"
Er schien nachzudenken. "Gestern Abend bist du einfach ohne Lebenszeichen verschwunden", meinte er zögerlich.
"Falsch", bemerkte ich energisch. "Du warst einfach verschwunden und ich habe dich nicht mehr gesehen."
Er verdrehte die Augen, aber er wusste, dass ich Recht hatte. Er senkte seine Stimme. "Ich... wusste nicht, was ich davon halten soll. Die Möglichkeit... Ach, egal. Worauf ich eigentlich hinaus möchte, ich würde gerne, dass du dich in Zukunft bei mir abmeldest, wenn du heimgehst. Auch per SMS." Betreten blickte er zu Boden. Man merkte ihm an, wie unwohl er sich fühlte. Seine Augen wussten nicht wohin, wanderten rastlos durch den Raum, aber mieden mich.
Ich seufzte erschöpft und meine Schultern sackten etwas hinab. Das zog seine Aufmerksamkeit und seinen Blick auf mich. "Ich dachte, darüber wären wir schon hinaus. Ich bin kein Agent zur Probe mehr."
Kritisch zog Marc seine Augenbrauen hoch und starrte auf mich hinab. "Offensichtlich besteht wieder Bedarf", bemerkte er sarkastisch.
Ich verdrehte meine Augen und ging, ohne weiteren Kommentar hinüber zu Lou, Devan und den anderen Polizisten.

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