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Ich packte alle Sachen, die ich brauchen würde, in meine Tasche und zog die Hotelzimmertür hinter mir zu. Mithilfe der Chipkarte verriegelte ich sie und steckte die Karte in die Seitentasche meiner Handtasche. Dann lief ich hinunter.
Ich ging Richtung des Stadtzentrums, aber schon nach drei Ecken kam das Gebäude in Sicht, in dem sich Lou aufhielt. Meine Kontaktperson in Deutschland. Ich zögerte nicht, hineinzugehen und lief einige verlassene Flure entlang, ehe ich in der Wohnung angekommen war. Ich holte tief Luft und klopfte an die Tür, das vereinbarte Klopfzeichen. Es vergingen einige Minuten, und es tat sich nichts. Als ich meine Hand erneut hob, kam Lou mit einem Headset auf dem Kopf um die Ecke. Hätte ich mir ja denken können. Lou war das Abbild der totalen Streberin, kurze, braune Haare, eine dicke, schwarze Brille auf der Nase, ein grünes Oberteil und eine graue Jeans, darüber eine braune Lederjacke. In der Hand hielt sie ihr Tablet. Unter ihrer Jacke versteckte sie ihre Dienstwaffe und ihre Dienstmarke. Sehr clever. Als Field Agent hatte sie zuvor in meinem Team gearbeitet, war aber der totale Computernerd, um Welten schlimmer als Devan. Allerdings war der einzige Vorteil, dass sie eine Waffe trug, da mir das Undercover nicht möglich war. Devan und ich hatten auch mal zusammen gearbeitet und taten es auch jetzt mal hin und wieder, aber er saß in der Internetabteilung und jagte dort Hackern und dreisten Dieben hinterher. Ich selber verstand nicht viel von Computern, weshalb Devan zu meiner Ansprechperson geworden war.
Lou rückte sich die Brille zurecht. „Oh, hi!" Dann drängelte sie sich an mir vorbei ans Schlüsselloch und schloss auf. „Komm' doch rein", meinte sie, als ich etwas brauchte, um mich in Bewegung zu setzen.
„Schön hast du's hier", kommentierte ich die Reihen von Computermonitoren auf dem Schreibtisch, daneben eine Fastfood-Tüte und einige leere Dosen Energy-Drinks.
Lou schnappte sich die Tüte und warf sie in den Müll. „Gib' doch zu, du hast keine Ahnung, was das hier soll."
Ich schüttelte den Kopf und betrachtete weiter die Computerbildschirme. „Nicht die leiseste." Die meisten Bildschirme waren schwarz, andere zeigten Aufnahmen von Überwachungskameras und auf wieder anderen hatte sie Informationen zu einer Person wie auf einer Pinnwand angeordnet. „Wenn überwachst du?", fragte ich also, während ich noch den Namen zu entziffern versuchte. Die Buchstaben waren irgendwie verzerrt.
Lou klickte irgendwo herum und das Fenster schloss sich. Ich stellte mich gerade hin und starrte sie an. „N' anderer Auftrag. Hat mir Director persönlich erteilt." Sie schlängelte sich an mir vorbei zu einigen leeren Bildschirmen. „Ich kann dir nichts sagen, das würde dich von deinem jetztigen Auftrag ablenken. Und deine Sicherheit steht an oberster Stelle." Sie tippte auf der Tastatur herum und ein neues Fenster öffnete sich. „Außerdem hat mich der Director angewiesen, niemandem als ihm Bericht zu erstatten. Das überschreitet deine Sicherheitsfreigabe etwas."
„Deine auch", meinte ich nur und beugte mich zu ihr hinunter. „Was machen wir jetzt?"
Lou wandte sich zu mir um. „Wir rufen den großen Boss an."
„Marc?" Entgeistert starrte ich sie an.
Sie nickte. „Ja, genau, er will wissen, wie's läuft."
Abrupt richtete mich auf und wandte mich zum Gehen. „Dann bin ich raus. Ich hab' heute schon mit ihm geredet. Zweimal wird zu viel."
Auch Lou richtete sich auf. „Ach komm' schon, Lilly. So schlimm kann's nicht werden" Sie grinste. „Schließlich bin ich dabei."
Ich seufzte und kam wieder ein paar Schritte zurück. „Na gut, aber nur, weil du's bist."
Lou grinste frech und wandte sich wieder ihrem Computer zu. Ich kam langsam näher, während ein Bild klarer wurde. „Lou? Sind Sie das? Hören Sie mich?"
„Klar und deutlich, Boss", lächelte sie.
Er seufzte leise. „Hallo Evans. Sie sind ja auch da."
„Live und in Farbe."
Er hustete kurz. „Das freut mich."
„Lilly meinte, dass Sie sie heute schonmal belästigt haben." Sie zog mahnend die Augenbrauen hoch. „Das ist aber so gar nicht bosshaft."
Er stöhnte auf. „Was hast du Neues zu dem Fall?"
Lou klickte an ihrer Maus herum. „Nicht viel, nur dass er nicht offiziell hier in Köln gemeldet ist."
„Zu mir sagte er, er heiße Alexander Kirchmann", konnte ich beisteuern und stützte mich auf den Tisch.
„Das ist definitiv ein Fake-Name. Er hat eine ganze Liste von Fake-Identitäten, wahrscheinlich, dass er nahtlos abtauchen kann, wenn Gefahr droht." Lou tippte weiter herum und es öffneten sich Fenster von den verschiedensten Führerscheinen. „Alleine schon für Amerika hat er neun Identitäten, für Deutschland sieben und Skandinavien drei."
Marc gab einen undefinierbaren Laut von sich. „Ein Profi."
„Ja, das kann man wohl sagen. Obwohl er schon mehrmals polizeilich in Erscheinung getreten ist", las sie vor und legte die Stirn in Falten.
„Scheint, unser superunauffälliger Terrorist ist gar nicht so unauffällig", kommentierte ich. „Ein Mord hier, ein paar Schlägereien da... das läppert sich."
Lou zog die Augenbrauen hoch. „Erstaunlich ist aber, dass er und seine Terrorkomplizen unglaublich versteckt sind. Man findet keinen Hinweis darauf. Man könnte sagen, sie sind unauffindbar."
„Eine Schläferzelle?", schlug ich vor.
„Oder wir haben den falschen Mann."
„Nein, der anonyme Tippgeber hat exakt die Beschreibung durchgegeben", entgegnete Lou ungerührt.
„Dann such' weiter", befahl Marc und verschwand aus dem Bild. Kurz danach tauchte er nochmal auf. „Achja, Alex und Devan wollen nochmal mit euch sprechen. Sie haben was." Dann ging er endgültig.
Es dauerte eine Weile, bis sie online kamen. Schließlich ruckelte das Bild und ihre Gesichter tauchten auf.
„Hey Team Germany, gut seht ihr aus! Habt ihr trainiert?", begrüßte sie Devan.
Ich verdrehte die Augen. „Was habt ihr?"
Devan zog die Augenbrauen hoch. „Du hast Bossqualitäten. Wie geht's eigentlich dem großen Boss? Dem Unerschütterlichen? Dem..."
„Dem geht's sehr gut. So unfreundlich wie immer", unterbrach ich ihn.
„Sie meint, er ist durchaus agil", fügte Lou mit einem skeptischen Blick zu mir hinzu.
Ich zog die Augenbrauen hoch und seufzte. „Meinetwegen."
„Was habt ihr nun?", wollte auch Lou nun langsam mal wissen.
Alex drängelte Devan aus dem Bild, um selbst ganz drauf zu sein. „Wir haben das Blut am Griff der Tatwaffe identifiziert. Es stammt von einem bekannten Terroristen, gesucht in 18 Ländern wegen Mord, Diebstahl und Einbruch. Bis jetzt haben wir nur die Daten aus den USA, wir warten noch auf die Kooperation der anderen Bundesbehörden."
„Und wann kommen die Terroranschläge?", erkundigte ich mich.
„Sind bis jetzt keine vermerkt worden", meinte Alex und zuckte die Schultern. „Obwohl eindeutige Indizien gefunden worden sind, konnte ihm bis jetzt noch keine terroristische Aktivität nachgewiesen werden."
Ich klatschte mir auf die Schenkel. „Also suchen wir einen Terroristen, der eigentlich ein Mörder ist."
„Das Strafmaß ist durchaus ähnlich", meinte Lou ungerührt. „Außerdem wäre der richtige Begriff beschatten, WIR beschatten ihn, durchgeführt von dem fähigen Special Agent Lillian Evans."
Ich stöhnte. „Selbst wenn wir ihn kriegen, können wir ihm nur den Mord nachweisen", bemerkte ich.
„Es sei denn, ihr kriegt ein Geständnis", grinste Devan, der inzwischen wieder Alex aus dem Bild geschubst hatte.
„Es sei denn, wir kriegen ein Geständnis", wiederholte Lou, wiegte den Kopf und blickte dann mich erwartungsvoll an.
Verzweifelt schlug ich die Hände über dem Kopf zusammen. „Oh nein!"

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt