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Lou grinste stolz, während sie uns die Fluchtroute präsentierte. Zwar waren nicht flächendeckend Verkehrskameras aufgestellt, aber es reichte, um die Fluchtroute auszumachen. Dazu kam, dass sich unser werter Verdächtiger hatte blitzen lassen. Die abmontierten Kennzeichen hatten das Ordnungsamt aufmerksam gemacht, die Bilder an die Polizei übermittelt und diese an uns.
Marc, der inzwischen seinen Kaffee ausgetrunken hatte, hustete nur kurz und wies sie an, die Karte auszudrucken. Ich stöhnte, ahnte schon, was kam.

Natürlich durften wir dem kompletten Fluchtweg zu Fuß nachgehen und Marc wies uns an, dass wir dabei die Augen offenhalten sollten.
"Wonach suchen wir genau?", erkundigte sich Devan.
Marc wandte nicht einmal den Kopf. "Nach allem, was uns Informationen zum Aufenthaltsort von Alexander oder seiner Zelle geben könnte", kam nur von ihm.
Mit hochgezogenen Augenbrauen warf ich ihm einen Seitenblick zu. "Möglicherweise ist er nicht Teil dieser Zelle."
Marc hob den Blick, starrte mich an und schritt langsam auf mich zu, ohne den Blick abzuwenden. Er hob den Zeigefinger und piekste in die Luft in meine Richtung. "Dann suchen Sie gefälligst nach Hinweisen, die das nahelegen, und gehen Sie nicht nach Ihrem Gefühl!"
Mit zusammengepressten Lippen stierte ich ihn wortlos an. Alle Worte würden sowieso abprallen. Ich sollte meine wertvolle Luft nicht für ihn verschwenden. Er war und blieb ein Arschloch.
Kommentarlos machte ich mich daran, die Straße abzusuchen.

Bis es dämmerte waren wir damit beschäftigt, die Straße abzusuchen. Natürlich fanden wir nichts weiter und beschlossen, morgen weiterzumachen.
Ich allerdings wollte nochmal in den "Freezer" gehen und das Bild von Alexander rumzeigen, vielleicht erkannte ihn jemand, wenn er öfter dort gewesen war. Mit diesem Gedanken ging ich zurück in mein Hotelzimmer und zog mir legerere Sachen an.
Dann verließ ich das Hotel um 19:00 Uhr wieder und machte mich auf den Weg zu dem Club.
Die Atmosphäre war so kühl und so minzig wie immer, und die peppige Musik lud geradwegs zum Tanzen ein. Ich aber widerstand dem Drang dieses Mal und zwängte mich durch die Menschen zur Theke. Dort war tatsächlich noch ein Barhocker frei und ich setzte mich. „Ein Bier bitte", bestellte ich, als der Barkeeper zu mir kam. Er nickte nur und verschwand wieder. Vielleicht sollte ich zu allererst den Barkeeper fragen, dachte ich. Der bediente alle Leute und wusste vielleicht am ehesten etwas. Als er wiederkam und mein Bier brachte, griff ich in meine Tasche zu meinem Portemonnaie. „Hätten Sie vielleicht eine Minute?"
Er hob die Schultern. „Was gibt's denn?"
Ich holte das zerknitterte Foto von Alexander aus meiner Tasche und zeigte es ihm. „Haben Sie vielleicht diesen Mann gesehen? Wir wollten uns an der Ecke treffen und er ist noch nicht aufgetaucht, da dachte ich, vielleicht ist er hier."
Der Barkeeper musterte erst das Bild intensiv, dann mich. „Noch nie gesehen", antwortete er mir mit skeptisch zusammengekniffenen Augen. Ich glaubte ihm nicht, beließ es aber dabei. Gespielt bedrückt nickte ich und steckte das Bild wieder in meine Tasche. „Schade, einen Versuch war's wert. Danke trotzdem."
Er nickte und verschwand wieder.
Wenn ich seine Körpersprache richtig deutete, hatte er Alexander sofort erkannt. Ich musste nur weitersuchen, irgendjemand hier gab mir vielleicht bereitwilliger Auskunft.

Als ich mein Bier ausgetrunken hatte, musste ich mal dringend. Also ging ich in die Richtung, die ausgeschildert war.
Nachdem ich mich erleichtert hatte, stolperte ich wieder hinaus und vor den Toiletten stieß ich in einen breiten Mann. Wahrscheinlich Security.
„Entschuldigung." Abwehrend hob ich die Hände und entfernte mich. Dabei war mir natürlich nicht entgangen, aus welcher Tür er gekommen war. ›Nur für Mitarbeiter‹ stand an der Tür, aber ich hatte gedämpfte Musik vernommen und bezweifelte, dass die Mitarbeiter in ihren Pausen ihre eigene Party veranstalteten. Also wartete ich, bis er verschwunden war und niemand auf die Tür achtete. Dann ging ich zur Tür und trat schnell ein, ehe mich jemand stoppen konnte. Tatsächlich vernahm ich gedämpfte Musik. In meinen Ohren surrte laut die Klimaanlage und die Luft war kühler als draußen. Es war dämmrig duster und ich erkannte kaum die Hand vor Augen. Ich musste mich mehr oder weniger tastend fortbewegen, bis ich einen schweren, dunklen Vorhang ertastete. Der Stoff war sehr dick und die Musik war lauter geworden. Als ich durch den Vorhang schlüpfte, schlug mir eine stickige, parfümgesättigte Luft entgegen. Das Licht war gedimmt und alles war in warme Rot- und Rosatöne getaucht. Ein Rotlicht-Etablissement, dachte ich zuerst, bevor ich mich umsah und die vielen Tische mit Stühlen sah. Darauf verteilt lagen Karten. Und keine halbnackten Stripperinnen. Illegales Glücksspiel? Stripperinnen wären mir lieber gewesen. Allerdings sollte das nicht mein Problem sein.
Meine Überlegungen wurden unterbrochen, als sich neben mir ein hochgewachsener Mann Mitte dreißig räusperte.
„Was möchten Sie denn allein hier hinten? Normale Kunden haben keinen Zutritt, vor allem nicht allein."
„Entschuldigung, ich wollte auf Toilette und hab' mich wohl in der Tür geirrt. Hab' wahrscheinlich schon etwas zuviel getankt."
Er kniff die Augen zusammen, als ob er mir nicht glaubte.
„Aber wenn wir schonmal dabei sind, haben Sie diesen Mann schonmal gesehen?" Ich holte mit einer fließenden Bewegung das Bild aus der Tasche und hielt es ihm hin. Dabei holte ich tief Luft und zuckte mit den Schultern. „Wir... Wir wollten uns draußen treffen, doch er ist nicht aufgetaucht. Und da dachte ich, vielleicht hat er hier mal vorbeigeguckt."
Der Mann musterte mich von oben bis unten und auf einmal fühlte ich mich sehr unwohl. Ich war froh, den vetrauten Druck meiner Tasche an meiner Hüfte zu spüren, in der ich meine Waffe verstaut hatte. Wenn ich mich als normale Bürgerin ausgab, durfte ich sie nicht wie gewohnt an der Hüfte tragen, sonst könnte man mich in einer brenzligen Situation schnell enttarnen. „Wie gesagt, Kunden haben hier keinen Zutritt. Und außerdem..." Mit einer ausholenden Bewegung der Arme schloss er den ganzen Raum in seine Aussage mit ein. „... Wie Sie sehen, ist noch niemand hier."
Ich nickte und schluckte beklommen. Ich würde mir was einfallen lassen müssen, und zwar schnell, sonst würde er mich rausschmeißen. Ich deutete auf die gegenüberliegende Wand, an der ganz eindeutig Türen waren. „Dann wundere ich mich, was das für Türen sind."
Er folgte meinem Fingerzeig und schluckte heftig. Sein Blick wurde dunkel. „Das sind die Privat-Logen, die kann man buchen. Aber heute hat noch niemand eine gebucht." Er hustete kurz. „Außerdem geht Sie das absolut nichts an."
Ich überlegte, ob ich die Cop-Karte ausspielen und meine Identität preisgeben sollte. Allerdings war ich allein, da war das risikoreich. Zwar könnte ich bluffen, da standen die Chancen etwas besser. Ich seufzte. Wahrscheinlich lohnte es sich aber nicht. Hier kam ich nicht weiter.

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt