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Die nächste Halle, die sich anschloss, war ebenfalls leer bis auf ein paar leere Container, die leise vor sich hinrosteten.
Langsam begann ich mir Sorgen zu machen, dass wir Clayton und seine Kumpanen möglicherweise nicht mehr rechtzeitig fanden. Wir irrten schon seit zwei Stunden durch die Gebäude und hatten noch viel vor uns. Obwohl wir ein verhältnismäßig großer Suchtrupp waren, würden wir nicht das ganze Gelände innerhalb von ein paar Stunden absuchen können.
Eine Tür führte ins Freie, eine andere zu einer Treppe, die anscheinend in die Kellerräume führte. Das Klopfen, dass ich ursprünglich für den wummernden Bass eines Songs gehalten hatte, wurde hier lauter. Ich nickte den anderen zu und schlich als erste die Treppe hinunter. Das Wummern wurde immer lauter. Aber der Keller war leer. Nur einige Weinfässer standen am anderen Ende. Langsam gingen wir darauf zu. In der Decke war ein Riss, durch den Wasser sickerte und als Tropfen auf ein altes, schon mehr als halb verrostetes Metallfass fiel. Das war das Hämmern gewesen, das wir gehört hatten.
Auf einmal fing das Funkgerät an zu Rauschen. "An alle Einheiten, hört ihr uns?", klang eine blecherne Stimme durch den Kellerraum. Das andere Funkgerät war das Echo des ersten. Schließlich schaltete Basti es stumm, dass es uns nicht beim Verstehen störte.
Der eine Polizist, Ludwig, so vermutete ich, drehte irgendwas am Funkgerät herum, bevor her hineinsprach: "Bestätigt."
Es rauschte wieder, diesmal so laut, dass ich mir fluchend die Ohren zuhielt. Ludwig stellte den Ton leiser. "Wir haben etwas gefunden", ertönte es erneut und Ludwig drehte lauter, weil die Stimme sehr leise war. "Wir sind bei den Koordinaten..." Sie sagten uns die Koordinaten durch, zweimal, und wir gaben sie in unser GPS-Gerät ein. Sie befanden sich anscheinend in einer ziemlich versteckten Lagerhalle. Wir gingen die Treppe wieder hinauf und verließen die Lagerhalle.
Ein heftiger Windzug pustete mir meinen Pferdeschwanz ins Gesicht und ich verzog den Mund. Haare schmeckten echt widerlich. Wir überblickten ein weitläufiges Freigelände. Es war teilweise betoniert, wahrscheinlich zum Rangieren für die LKW. Birken und Pappeln brachen schon durch die Straße und Gras fing an, alles zu überwuchern. Von hier hatten wir einen guten Blick über das gesamte Gelände. Einer aus der anderen Zweiergruppe zog ein Fernglas hervor. Er überflog das Gelände und schüttelte den Kopf, als er es herunternahm. "Niemand zu sehen", meinte er nur und gingen wir in Richtung des Zielortes. Dort trafen wir auch andere Polizisten. Marc und Devan waren unter ihnen. Wir begrüßten uns mit einem Kopfnicken. Marc wandte sich kaum merklich mir zu, während ich bei Basti blieb. Wenn wir eine Schlägerei stürmten, wollte ich ein bisschen Deckung haben (das mussten die anderen aber nicht unbedingt merken). Außerdem war Basti nett. Er flirtete etwas mit mir, aber ich fand das ganz amüsant. Ich war ja ungebunden was das anging.
Ich folgte der Gruppe in eine Lagerhalle. Man konnte schon leise die Musik hören. Wir nahmen noch eine Tür die Treppe hinunter in den Keller. Dort war es ziemlich dunkel und ein paar Polizisten schafften mit ihrer Taschenlampe Abhilfe. Irgendwann wurde der Raum schmaler und ein enger Gang führte genau zu einem anderen Raum. Hier wurde die Musik lauter. Schließlich erreichten wir noch eine Tür und davor hielten wir an. Die Tür hatte zwar ein kleines, gläsernes Bullauge, aber es war mit etwas abgeklebt. Entweder hatten sie sich gut vorbereitet oder einfach nur sehr viel Glück. Flüsternd berieten wir uns. Wir wusste nicht hundert Prozent, wie der Raum dahinter aussah und was uns erwartete. Sowohl eine sehr weitläufige Halle als auch ein enger Raum könnten zum Problem werden, wobei ein enger Raum eher unwahrscheinlich war. Zudem vermuteten wir, dass sie den Boxkampf in einem Raum mit mindestens zwei Fluchtwegen veranstalteten, damit im Notfall die meisten unerkannt fliehen konnten. Es war riskant, aber das Risiko mussten wir eingehen.
Schließlich machten wir uns bereit. Ein Polizist postierte sich an der Tür und wir bereiteten uns darauf vor, nacheinander mit gezückter Waffe in den Raum zu stürmen. Meine Hände fingen an zu schwitzen und ich griff die Waffe fester. Jetzt durfte ja nichts schiefgehen, wo wir kurz davor waren, Clayton zu schnappen.
Der Polizist nickte und mit einem kräftigen Ruck öffnete er die Tür. Dann ging alles ganz schnell. Wir strömten durch die offene Tür, schrien "auf den Boden!" und nahmen die Teilnehmer fest, die sich teilweise fast wehrlos festnehmen ließen. Wobei wehrlos das falsche Wort war. Sie wehrten sich mit all ihren Kräften, aber leider erst zu spät, was wir dem Überraschungsmoment zu verdanken hatten. Es gab tatsächlich eine zweite Tür, durch die einige Personen flohen, doch sofort jagten ihnen mehrere Polizisten hinterher. Den Großteil konnten wir noch im Keller festnehmen, unter anderem auch Clayton. Er grinste, als ich an ihm vorbeilief. "Na Schnucki, hast du mich so sehr vermisst?" Er streckte den Arm aus und erwischte den Ärmel meiner Jacke. "Bleib' hier, ich würde gerne mit dir reden. Wir..." Basti schlug ihm auf die Hand und sie ließ von meinem Ärmel ab.
"Es gibt kein wir, Clayton", murmelte ich angespannt, während ich wartete, dass ich mit meiner Gefangenen endlich die Treppe hinauf konnte.
Er seufzte wohlig auf. "Mir gefällt es, wie du meinen Namen sagst", raunte er leise, sodass es nicht durch den Raum schallte.
"Achja? Wie wär's mit "Bleib' ja weg von mir, Clayton." Diesmal legte ich mehr Nachdruck insbesondere auf seinen Namen und starrte geradeaus an die Wand, Hauptsache weg von ihm.
Er atmete tief ein. "Ohja, das gefällt mir gut."
Ich konnte mir förmlich vorstellen, wie Basti die Stirn runzelte. "Lassen Sie meine Kollegin in Ruhe."
Die Tatsache, dass Basti mich Kollegin genannt hatte, ließ mich tatsächlich etwas rot werden und ich drehte mich mit einem dankbaren Lächeln zu ihm um.
"Wirklich nur Kollegin? Nicht mehr?", fragte Clay und es klang fast etwas enttäuscht. Ich lachte innerlich auf.
"Naja, bis jetzt zumindest", meinte Basti und zwinkerte mir zu. Ich fing es auf und schickte ihm ein verschwörerisches Grinsen zurück.
Endlich ging es auf der Treppe weiter und wir konnten die Festgenommenen zu den Polizeibussen führen. Es waren so viele Festnahmen, dass wir gar nicht alle mitnehmen konnten, und so entließen wir die, die schon straffällig geworden waren und nahmen nur die mit, bei denen tatsächlich eine erkennungsdienstliche Behandlung vonnöten war. Das waren immer noch mehr als genug, und wir mussten ziemlich Planen mit dem Platz.

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