4

36 3 0
                                    

Um Punkt 15 Uhr klopfte Alexander an die Hotelzimmertür. Sofort sprang ich zur Tür und öffnete sie lächelnd. „Wir können gleich los, kleinen Moment!", flötete ich geübt und schnappte mir Schlüsselkarte sowie meinen beigen Mantel mit Pelzbesätzen.
„Wow, ich dachte, das wird nur ein normales Essen", meinte er erstaunt und ich erstarrte. Ganz normales Essen? „Wenn ich gewusst hätte, dass du dich so aufbrezelst, hätte ich mir auch was Besseres angezogen."
„Aufbrezeln?", rief ich aus dem Bad. „Ich dachte, das wird ein Date! Ich wollte es zu was Besonderem machen!"Ich knallte den Lippenstift in meine Tasche und ging wieder zur Tür.
„Ja, aber doch...!" Als ich kam, senkte er die Stimme. „Aber ich dachte, nicht so besonders! Wir gehen ja nicht zu einem Gala-Abend oder so. Meine Güte! Was sollen nur die Leute von mir denken? So eine hübsche Frau, und der Begleiter trägt so heruntergekommene Sachen!"
„Ach komm' schon. Du siehst heute sehr ordentlich aus." Ich strich ihm über das wahrscheinlich gebügelte, blaue Hemd und griff nach seinem Kragen, als ich mich zu ihm lehnte und meine Lippen auf seine presste.
„Sehr ordentlich?", fragte er, als wir uns gelöst hatten und ich die Tür hinter mir zugezogen hatte. „Also wirklich, Lilly, Romantik hat dir schon mal besser gelegen!"
Ich gestikulierte stumm, als wir zu den Fahrstühlen liefen. „Ich meine, niemand wird behaupten, deine Sachen wären heruntergekommen." Wir blieben stehen und warteten. „Ich finde, du siehst heute toll aus", murmelte ich, strich seine Haare zur Seite und lehnte mich dann selig seufzend an seine Brust, während seine Finger meinen Arm streichelten. Lächelnd schloss ich die Augen. Es fühlte sich gut an, seine Wärme, die mir Geborgenheit vermittelte und zumindest kurz gab ich mich diesem Gefühl hin. Nachdenken würde ich früh genug müssen.
Als der Fahrstuhl sein gewohntes ‚Ding!' machte, hob ich den Kopf und meine Hand auf Alexanders Schulter rutschte hinab zu seiner Hand, als ich ihn in den Aufzug zog. Eine ältere Frau stieg aus, die uns einen stirnrunzelnden Blick schenkte, während sie schnell an uns vorbei ging. Ich störte mich nicht daran und drückte stattdessen lieber den Erdgeschoss-Knopf.
„Und du siehst umwerfend aus", raunte er mir auf dem Weg nach unten ins Ohr und aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, wie er mich von oben bis unten musterte. Ich grinste und verdrehte in Gedanken die Augen. Männer waren so leicht zu durchschauen. „Wenn ich dir nur erzählen könnte, was ich alles mit dir anstellen würde..."
In dem Moment gongte es wieder und die Fahrstuhltür öffnete sich. Ich ergriff seine Hand, streichelte sie mit dem Daumen und blickte ihm lächelnd in die Augen. „Das kannst du später." Wir liefen hinaus und durch die gläserne Eingangstür, als ich mich an ihn kuschelte. „Oder du tust es einfach."

Das Essen verlief ohne Zwischenfälle, wenn man von den bewundernden und neidischen Blicken absah, die uns die anderen Restaurantbesucher zuwarfen. Trotz dieser Tatsache hatte ich ein komisches Gefühl bei der Sache und war froh, meine Smith und Wesson bei mir zu haben.
Als der perfekte Abend ohne Zwischenfälle fast zuende ging, vibrierte mein Handy und Marcs Name poppte auf dem Display auf. Na toll, wieder mal das beste Timing, Marc.
Von unseren vorherigen Gesprächen war Alexanders Gesicht erheitert und er lächelte fast schon an der Grenze zum Wahnsinn, aber sobald er die Nachricht bemerkte, konnte ich förmlich beobachten, wie sich seine Miene verfinsterte.
Ich versuchte ihn zu beruhigen. "Meine Schwester hat ihr Handy verlegt und schreibt mir jetzt über das Handy ihres Verlobten." Aber auch das wirkte nicht.
"Warum fragt sie dich, wie es läuft?", fuhr er fort mit seinem Eifersuchtsausraster. "Du hast sie doch heute erst gesehen?"
In Gedanken verdrehte ich die Augen, aber eigentlich hatte er Recht. Diesen Fall hatte ich nicht eingeplant. Wie naiv von mir.
"Ich sollte nach der Tischdeko für ihre Hochzeit schauen", meinte ich unbewegt. "Sie will wissen -"
Er ließ mich nicht ausreden, so aufgebracht war er. "Aber sie weiß doch, dass du heute Abend keine Zeit hast, oder?"
Ich zögerte kurz. "Nein", stockte ich. "Nicht wirklich..." Meine Stimme wurde schrill vor Nervosität und riss schließlich ab. Meine Tarnung war kurz davor, sich aufzulösen. Warum hatte Marc auch keinen erfahreneren Agenten auf diesen Fall angesetzt?
Er kniff die Augen zusammen. "Das heißt also, dass deine eigene Schwester nichts von uns weiß."
Ich wiegte nervös den Kopf. "So kann man das nicht sagen... Ich hab' ihr schon von uns erzählt..."
Meine Schilde fielen endgültig, als  Alexander's böser Blick meinen traf und ich war es unendlich leid.
"Das heißt, du denkst, dass mit uns ist nichts Ernstes?"
Ich schlug die Hände auf die Tischplatte. "Weißt du, ich hab' heute echt keinen Nerv mehr, diese Diskussion zu führen. Ruf' mich morgen früh an, dann reden wir weiter."
Und damit ließ ich ihn alleine am Tisch sitzen.

Im Hotelzimmer angekommen, schmiss ich mich erstmal aufs Bett. Na toll, ich war mal wieder dabei, diese Mission zu vergeigen. Wie typisch, würde Devan nun sagen und als ich mir das freche Grinsen auf seinen Lippen vorstellte, musste ich unwillkürlich lächeln. Devan meinte es nicht böse, wenn er mich ärgerte, das wusste ich. Aber sofort wurde ich wieder ernst. Ich hoffte, dass Alexander mich jetzt nicht abschrieb. Das musste ich so schnell wie möglich wieder gut machen. Ich schnappte mir mein Handy und wählte seine Nummer.
Es klingelte sieben Mal und er ging nicht dran. Langsam wurde ich nervös, stand auf und ging in die Küche. Unruhig tippte im Rhythmus des Tutens auf die Arbeitsplatte. Beim zwölften Mal hob er zum Glück ab.
"Du, hi, ähh.. ich hätte nicht einfach so gehen sollen. Tut mir leid." Gespannt wartete ich auf seine Antwort.
Er ließ sich Zeit, und an seiner Stimme hörte ich, dass er getrunken hatte. Die Hintergrundgeräusche klangen so, als sei er in einer Bar. "Mach' dir keine Vorwürfe. Ich hätte dich nicht so in die Ecke drängen sollen", lallte er apathisch. Trotzdem musste ich lächeln. Fast wünschte ich, das hier wäre eine echte Beziehung und nicht nur eine Undercover-Mission. Alexander mochte zwar rechtlich gesehen ein Dreckskerl sein, aber etwas selbstkritisch in einer Beziehung zu sein konnte nicht schaden.
"Sorry, dass ich so ausgerastet bin", gestand ich kleinlaut, wohlweislich, dass ich ihn wieder für mich gewinnen musste. Er musste Vertrauen zu mir aufbauen, damit die Mission Erfolg hatte. "Wollen wir morgen vielleicht einen Kaffee trinken gehen? Ich hab' auf dem Weg zu meiner Schwester ein nettes Café gesehen."
Ich hörte an seiner Stimme, dass er lächelte. "Klingt toll."
"Um neun?"
"Ich bin da", ließ er noch verlauten, dann legte er auf.
Frustriert blickte ich auf mein Display. Zwar war ich dies schon von Marc gewohnt, aber er war ja auch nur mein Chef. Anscheinend war er immer noch gekränkt, und ich konnte es ihm ehrlich gesagt auch nicht verdenken.
Seufzend lief ich wieder ins Schlafzimmer und ließ mich ein weiteres Mal darauf fallen. Jetzt musste ich dringend Erfolg haben, sonst konnte ich mir die Mission abschminken.

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt