36

3 1 0
                                    

Wir fuhren zu Lou, um Näheres über Andreas Lohmann zu erfahren. Es gab tatsächlich einiges über ihn herauszufinden. Er war mehrfach vorbestraft, einmal wegen einer Prügelei und einmal wegen Drogenbesitzes. Der Nachbar hatte Recht gehabt, er hatte bis vor kurzem in der Nachbarschaft gewohnt und war Anfang diesen Jahres in eine Neubauwohnung gezogen. Wir suchten nicht lange nach der Adresse und machten uns auf den Weg in seine Wohnung.
Auf dem Weg jammerte ich Marc etwas die Ohren voll, da wir keinen Durchsuchungsbeschluss hatten und erreichte so, dass wir die Polizei verständigten, dass die sich vom zuständigen Richter die Genehmigung einholen sollten.
Seine Wohnung war in einem angenehm grün-bepflanzten Neubaugebiet. Es wehte ein frischer Wind, als wir ausstiegen und die Blätter der Birken und Pappeln rauschten im Wind.
Dass Andreas Lohmann nachgewiesenermaßen mit Clay in Verbindung gebracht werden konnte, war dem Richter scheinbar Argument genug, um den Durchsuchungsbeschluss sofort zu unterschreiben, zu meiner Überraschung. Zumindest innerhalb von zwei Stunden hatten wir die Genehmigung, in die Wohnung zu gehen. Während des Anrufs musste Marc so tun, als ob wir uns nicht schon Zutritt verschafft hätten, illegalerweise. Es war Marcs Idee gewesen, war mein Totschlagargument. Zu unserer Verteidigung hatten wir ja nicht die ganzen zwei Stunden in der Wohnung zugebracht. Eine halbe Stunde hatten wir mit erfolglosem Klingeln verbracht und noch eine halbe Stunde, um die genaue Wohnung zu finden. In der Wohnung herrschte Chaos. Anscheinend zählte Aufräumen nicht zu seinen Lieblingsbeschäftigungen. Ich lachte in mich hinein. Verständlich. Jedenfalls brauchten wir aus diesem Grund auch ein ganzes Stück, bis wir einen Hinweis gefunden hatten. Danach ging alles ganz schnell: Wir fanden eine belastende Notiz nach der anderen. Devan gab eine Fahndung nach Lohmann heraus, damit die Polizei und er sich mal unterhalten konnten.

Wir hatten einen Hinweis auf einen illegalen Boxkampf gefunden, jedoch keinen auf Clays Aufenthaltsort. Aber mit etwas Glück würden wir ihn bei dem Boxkampf antreffen.
Als ich gerade zu Lou und ihrer Wohnung gehen wollte, lief ich ihr auf dem Gang des Polizeireviers in die Arme.
"Oh, dich hab' ich gesucht!", rief sie fröhlich aus. "Komm' mal mit!"
Ich folgte ihr in einen Laborbereich, in dessen Mitte einige Tische mit Computern standen. "Seit wann hast du ein neues Büro?"
Sie zuckte mit den Schultern. "Ich war gestern nunmal hier und da dachte ich, ehe ich da rüber in die Wohnung gehe, bleibe ich gleich hier, das geht schneller."
Sie lächelte. "Anyways, ich hab' die SMS' entschlüsselt."
"Hat aber gedauert", bemerkte ich. "Das machst du doch sonst schneller."
Lou drehte sich ganz zu mir und zog ermahnend die Augenbrauen hoch. "Du bist viel zu ungeduldig geworden, seitdem du mit Marc zusammen bist", meinte sie abwertend. Dann drehte sie sich wieder nach vorne. "Normalerweise lasse ich einfach ein Programm drüberlaufen, aber die Polizei hier hat kein solches Programm, deshalb hab' ich schnell eins geschrieben." Sie grinste mich an.
Anerkennend nickte ich und pfiff durch die Zähne. "Wow."
Lou schloss die Augen und deutete eine Verbeugung an. "Danke für die Blumen."
In dem Moment kam Devan ins Labor gestolpert. "Marc sagte, ich soll dir helfen...", keuchte er außer Atem, als wäre er hier her gerannt.
"Schon erledigt", antwortete Lou stolz. "Aber ich kann ein zusätzliches Paar Augen und noch einen Kopf gut gebrauchen."
Devan hielt im Reinkommen inne. "Du willst mich aber nicht für irgendwelche fragwürdigen, medizinischen Experimente benutzen, oder?"
Verschmitzt grinste ich. "Nur theoretisch."
"Ich würde gerne deine Meinung, Schlussfolgerungen, Ideen hören", lächelte sie den Bildschirm an, klickte einmal und schon ploppten die SMS' auf.
"Eine ist ein Beweis für Tony Doyle's Unschuld, schwarz auf weiß", meinte sie reglos und zeigte auf die anderen.
Es war eine Kommunikation zwischen dem Mordopfer und mehreren anderen Personen in einem Gruppenchat. Es wurden nicht direkt Namen oder Orte genannt, aber es gab Hinweise darauf, Andeutungen und Witzeleien.
Kritisch runzelte ich die Stirn, als ich mir den Verlauf durchlas. "Hinweise auf eine verlassene Fabrikhalle", bemerkte ich und zeigte auf eine Textstelle.
"... Und in der alten Halle ist viel Platz, da kommt niemand hin und könnte uns entdecken.", las Lou vor. "Ja, stimmt. Allerdings kein genauer Hinweis auf die Lage."
Ich wog den Kopf, während Devan sich räusperte. Sein Finger folgte seinen Augen, als er aus der SMS zitierte: "›... Beefie, Falco und wir treffen dortn die andern.‹
›Dann brauchen die aber ne wegbeschreibung.‹
›Ach die können das garnit verfehln, einfach bei der mauer gradeaus bis zu den bäumen und dann dem weg folgen bis zu den alten industriehallen.‹" Devan blickte zu Lou. "Hilft uns das?"
Lou lächelte. "Wir können es versuchen."

Am Abend ließ ich mich in meinem Hotelzimmer erschöpft auf mein Bett fallen und blieb dort erstmal mit einem lauten Seufzen regungslos liegen, bis es an der Tür klopfte. Unter einem Stöhnen kämpfte ich mich wieder hoch und ging zur Tür.
Ich öffnete und Marc drängelte sich kommentarlos an mir vorbei. Er nahm sich ein Stück Kuchen, das auf der Arbeitsplatte auf einem Teller lag, weil ich es eigentlich selber essen wollte, nahm es mit an den Tisch und setzte sich, um es zu verspeisen.
Verwirrt zog ich die Augenbrauen nach oben und stemmte entrüstet die Fäuste in die Hüften. "Ähm, Entschuldigung?"
Marc blickte auf und schien mich erst jetzt zu bemerken. "Der Kuchen schmeckt echt gut", schmatzte er mit vollem Mund.
Ich verzog meine Lippen zu einem halbherzigen Lächeln. Genau mein Humor.
"Das hier ist zufällig mein Zimmer, deins ist eine Tür weiter."
Er hob die Hand, um zu signalisieren, dass er erst noch herunterkauen musste, bevor er antworten konnte. "Ich weiß."
Oha, top. "Ich brauch' keinen Babysitter", fügte ich hinzu.
Wieder Kauen und Schlucken. Der leckere Schokokuchen. "Ich weiß."
Super. Ich verdrehte genervt die Augen zur Decke und überlegte, wie ich meinen nächsten Gedanken formulieren sollte. Manchmal zweifelte ich echt an Marc's Verstand. Würde er nicht regelmäßig bahnbrechende Hinweise finden bei Ermittlungen, würde ich denken, er wäre etwas langsam beim Denken, um es nett zu formulieren. Ich holte Luft. "Wenn du immer wieder zu mir ins Zimmer kommst, entstehen noch mehr Gerüchte, dass wir zusammen sind."
Zum ersten Mal blickte er richtig von dem Kuchen auf, vergaß für einen Moment zu kauen und hustete gleich darauf, weil er sich verschluckt hatte. "Es gibt Gerüchte darüber?"

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt