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Am nächsten Tag ging ich wie verabredet zu Lou. Ich war froh, dass ich Marc erst kurz vor ihrer Wohnung traf. Er kam aus einer anderen Richtung. Ich begrüßte ihn mit einem kleinen Nicken. Ich war immer noch mehr als sauer auf ihn.
Wahrscheinlich war er einem Hinweis in diesem Fall nachgegangen.
In der Nacht hatte ich schlecht geschlafen. Ich war um drei aufgewacht und konnte nicht wieder einschlafen wegen der vielen Gedanken in meinem Kopf, die sich im Kreis drehten. Also war ich um vier Laufen gegangen. Lou hatte mir um sechs eine Nachricht geschrieben, dass ich um sieben zu ihr kommen sollte. Und hier war ich nun, nach einer Dusche und einer Flasche Cola Light. Und zwei Zigaretten.
Sobald wir die Treppe hochgelaufen und um die Ecke gebogen waren, sahen wir Lou. Die Tür zu ihrer Wohnung stand sperrangelweit offen und sie selbst saß schwitzend im Tanktop vor ihrem Monitor.
„Nanu, was ist denn hier los?", erhob ich als erste meine Stimme.
Lou verdrehte die Augen. „Die Klimaanlage ist ausgefallen und die Wohnung hat so große Fenster zur Südseite", fing sie an. „Der Techniker hat sie wahrscheinlich erst morgen repariert. Und im Treppenhaus ist es mit am kühlsten."
Ich lachte halbherzig. „Du bist von Amerika zu sehr verwöhnt. Hierzulande nimmt man Ventilatoren, um sich zu kühlen. Außerdem", fügte ich noch hinzu, „so heiß wird es hier doch nicht."
Lou verschränkte die Arme und starrte mich herausfordernd an. „Ich bin halt sehr empfindlich bei Hitze." Sie klopfte auf die Computer neben sich. „Und meine Babys auch."
Ich verdrehte meine Augen und umrundete den Tisch, um mich auf der anderen Seite zu setzen.
„Rollos", meinte Marc nur und deutete auf die großen Fenster.
Einige Sekunden vergingen, ohne dass ich eine Antwort vernahm. Ich blickte zu den beiden und diese starrten sich ein paar Sekunden reglos an, bevor Lou das Briefing startete.
„Ich konnte mithilfe des örtlichen Polizeilabors einen Teilfingerabdruck auf dem zweiten Handy feststellen. Zwar konnte ich-", Marc warf ihr einen Seitenblick zu. „wir keinen direkten Treffer landen, aber wir haben den Kreis der Verdächtigen eingrenzen können. Diesen haben wir weiter eingegrenzt mit-" Wieder ein genervter Seitenblick von Marc. „ein paar Parametern, die wir ermittelt hatten, und haben einen Kandidaten. Tadaa, Rolf Loikowski, 37 Jahre. Er fährt einen metallic-braunen VW-Bus 'Generation' von 2000."
Lou reichte Marc einen Zettel. Diesen überflog er nur kurz. „Evans, Sie fragen bei den Nachbarn, ob die in der Nacht des Verschwindens so ein Fahrzeug gesehen haben. Und ob sie in der Vergangenheit öfter dieses Fahrzeug gesehen haben." Er seufzte genervt. „Wenn Devan dann endlich auftaucht, befragen er und ich diesen Typen."
Ich seufzte. "Warum kann ich nicht den Kumpel von Alexander befragen? Ich habe vielleicht Insider-Informationen."
Er wedelte mit dem Zeigefinger vor meiner Nase rum. "Sie sind so oder so schon tief genug in dem Fall drin. Regel Nummer 3: -"
"Niemals persönlich in einen Fall involvieren lassen. Richtig?" Lou grinste uns wie ein Honigkuchenpferd an.
"Ah, sehr gut, da hat jemand seine Hausaufgaben gemacht", lobte Marc sie.
Ich verdrehte die Augen. "Ich bin nicht persönlich in den Fall involviert", kommentierte ich und überging Lous Einmischung komplett.
Marcs eiserner Blick richtete sich wieder auf mich und hielt mich gefangen. "Das klang gestern aber ganz anders." Stumm stierte ich zurück.
Lou grinste weiter vor sich hin. "Also, erzählt ihr mir, was gestern war?"
"Nein", antworteten wir beide im Chor, ohne uns umzudrehen und den Blickkontakt zu brechen.
"Außerdem", fuhr er fort, "haben die Leute Sie schon öfter in der Gegend gesehen und geben Ihnen vielleicht mehr Informationen als einem fremden Mann, der sich als FBI-Agent vorstellt."
Angriffslustig starrte ich ihn weiterhin an. "Das würde ich nicht so formulieren."
Marc starrte mit regloser Miene zurück und wiegte abschätzig den Kopf, offensichtlich abwägend, ob es sich lohnen würde einen Angriff zu starten. Anscheinend fand er das gar nicht lustig.
In dem Moment kam Devan um die Ecke gehechelt. „Bin ich pünktlich, Boss?" Devan guckte zwischen Marc und mir hin und her. Nach ein paar Sekunden schließlich riss Marc sich von mir los und schenkte Devan einen langen, leeren Blick.
Er wackelte mit dem Zeigefinger und wandte sich wieder zum Hausflur. „Du kommst mit."
Unsicher blickte Dave zurück zu uns, doch wir lächelten und winken ihm bloß hinterher.

"Also", fing Lou an und klatschte in die Hände. "Was war gestern los?"
Ich seufzte. "Ich möchte nicht darüber reden."
"Aber Marc hast du's anscheinend erzählt", schmollte sie und legte den Kopf schief. "Magst du ihn etwa mehr als mich?"
"Was? Nein, natürlich nicht!", schoss ich sofort zurück. "Er hat mich gezwungen", fügte ich hinzu.
Lou musterte mich mit einem nicht zu durchschauenden Blick. "Hat er etwa einen Taser benutzt, um die Wahrheit aus dir rauszukitzeln?"
"Nein, natürlich nicht", stöhnte ich.
"Dann verstehe ich nicht, wieso du's mir nicht erzählst", rief Lou fast schon frustriert und warf trotzig die Arme in die Luft.
"Du verstehst es nicht, ich wollte es ihm nicht erzählen, aber..." Ich stockte und überlegte, warum ich es ihm eigentlich erzählt hatte. "Er ist mein Vorgesetzter. Er kann mich feuern, wenn ich Geheimnisse vor ihm habe und er davon Wind bekommt. Und du weißt ja, wie einschüchternd er manchmal sein kann."
Lou atmete geräuschvoll aus und stemmte die Fäuste in die Hüften. "Ich kann auch einschüchternd sein", informierte sie mich knapp und musterte mein Gesicht mit zusammengekniffenen Augen. "Glaub' mir, ich krieg' es auch so raus. Ich bin Ermittlerin." Mit einer passiv-aggressiven Bewegung warf sie sich die Haare über die Schulter und wandte sich ihren Computern zu.
Ich zuckte mit den Schultern. "Darauf wette ich. Solange du keine Wanze auf meinem Handy installiert hast."
Sie drehte sich blitzschnell um und starrte mich mit großen Augen an. "Das ist die Idee!"
Drohend verschränkte ich die Arme und neigte meinen Kopf etwas. "Fordere mich nicht heraus."

Die Nachbarn hatten in der Fluchtnacht nichts gesehen. Außer einer Frau, die "wahrscheinlich ein ähnliches Auto" gesehen hatte, was "irgendwie ziellos durch die Straßen geirrt war und dann irgendwo gehalten hatte". Sie hatte natürlich nicht gesehen wo. Aber es stieg eine "ziemlich zwielichtige, dunkel gekleidete, naja, das vermute ich, es war ganz schön dunkel" Person ein. Als ich ihr ein Foto von Alexander zeigte, konnte sie ihn nicht eindeutig identifizieren, was mich nicht überraschte. Ich zeigte ihr noch ein Foto von dem Auto, aber sie konnte auch nicht sagen, ob sie genau dieses Modell in der besagten Nacht gesehen hatte. Es war "wirklich verflucht duster" gewesen und zu allem Überfluss hatte es noch unter einer kaputten Laterne gehalten, weswegen man so gut wie nichts erkannt hatte. Dies berichtete ich ebenso Marc und da uns die Hinweise ausgingen, entließ er mich nach Hause.

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt