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Der Mann legte mir eine Hand auf den Arm. „Kommen Sie, ich geleite Sie wieder hinaus." In dem Moment erblickte ich ein in Unterwäsche bekleidetes Mädchen, bestimmt noch nicht volljährig, die zugegeben eine sehr schöne Figur hatte. Immerhin etwas Schönes zu sehen. Ich starrte etwas, bis sie in einer der Privat-Logen verschwand. Da war doch niemand, dachte ich? Aber schneller, als mir lieb war, hatte mich der Mann durch den Vorhang gezerrt. Wir blieben kurz im Dunkeln stehen, und ich spürte an seinem Atem, der meine Wange streichelte, dass er sich an mein Ohr beugte.
„Und wenn du süßes Ding nicht für mich tanzen willst, würde ich dir raten, dich hier nicht mehr blicken zu lassen."
Bevor ich seine Worte richtig verdauen konnte, hatte er mich schon durch die Tür gestoßen. Der Geruch von Minze überwältigte meine Nase und die üblichen Geräusche drangen an mein Ohr.
Ich drängte mich mal wieder zur Theke. Jetzt musste ich mir was gönnen. Das gerade klang, als hätte ich mit einem Zuhälter gesprochen, der junge Mädchen möglicherweise mit der Loverboy-Masche aufriss und in die Prostitution zog. Und nicht nur geredet, ganz offensichtlich hatte er mir gedroht. Ich wollte mir gar nicht ausmalen, was Stress mit einem Zuhälter bedeutete.
Es war viertel nach acht. Der Andrang wurde langsam mehr und ich sah auch den ein oder anderen durch ›die Tür‹ verschwinden. Der Barkeeper hatte soviel zu tun, dass eine zweite Barkeeperin zur Unterstützung kam, wie ich über meinen Cocktail bemerkte.
Im Laufe des Abends waren alle mit Getränken versorgt und der Ansturm verebbte. Die Barkeeperin, Heidi, wenn ich mich nicht verhört hatte, trocknete Gläser ab und unterhielt sich dabei mit einem Mann, der an der Theke saß. Ihr Kollege, Frank, wie ich herausgefunden hatte, machte jetzt wahrscheinlich Pause. Diese Gelegenheit nutzte ich.
Ich winkte sie zu mir. „Ich hätte mal eine Frage." Damit faltete ich Alexanders Foto auseinander und hielt es ihr hin, damit sie es sich anschauen konnte. „Haben Sie diesen Mann schon einmal gesehen?"
Sie wirkte misstrauisch auf mich, aber sie behielt ihre lächelnde Fassade bei, während sie weiterhin das Glas polierte. „Was möchten Sie von ihm?"
Ich starrte in mein Glas. "Wissen Sie, er ist mein Freund und wir wollten uns eigentlich hier treffen, aber er ist nicht aufgetaucht."
Sie schluckte und nickte. „Kommen Sie mal mit." Sie winkte mich zu sich hinter die Theke. Sie stellte das Glas ab und holte unter der Theke einen Zettel hervor, den sie mir zeigte. „Er ist Stammkunde hier und Stammkunden bekommen besondere..." Sie räusperte sich. „Zuwendungen."
Aufmerksam verfolgt ich, wie sie einen weiteren Zettel hervor holte. Dieser sah fast aus... Wie eine Speisekarte im Restaurant. „Wenn die Stammkunden aus irgendeinem Grund nicht zu uns kommen können, kommen wir zu ihnen. Wir versenden ihnen Cocktails und andere Spezialitäten aus unserem Club, die sie nirgendwo anders erwerben können."
Ich nickte, konnte mir schon vorstellen, wie die Spezialitäten aussahen. „Haben Sie auch eine Adresse, an die es versendet wurde?"
Sie zögerte, nickte dann aber. „Er hat einen Dauerauftrag gebucht. Jeden Dienstag- und Freitagabend liefern wir ihm die Sachen, die er bestellt hat."
Ich nickte. „Interessant."
Sie reichte mir einen kleinen Zettel. „Das ist die Adresse. Ich hoffe, es geht ihm gut. Ich habe ihn schon ein paar Wochen nicht mehr gesehen."
Ich nickte. „Danke", wünschte ich ihr und winkte mit dem Zettel, bevor ich hinaus in die Nacht verschwand.

Zwar war es schon spät und morgen würde ich wieder früh bei Lou antanzen müssen, aber trotzdem siegte meine Neugier und ich ging zu Fuß zu besagter Adresse, die nebenbei erwähnt auch gar nicht weit weg war.
Es war möglicherweise leichtsinnig, aber ich war ja nicht umsonst Special Agent. Das Wissen um meine Nahkampfausbildung würde mir die verbleibende Angst nehmen.
Im Haus war schon zu großen Teilen das Licht aus. Kein Grund, es nicht zumindest zu versuchen. An den Klingeln stand kein Alexander Kirchmann. Ich zuckte unwillkürlich mit den Schultern und strich einmal über die Klingeln. Irgendjemand würde schon aufmachen. Die Freisprechanlage knackte, ein nicht so freundliches "Ja?" ertönte.
"Sorry, Schlüssel vergessen.", aber in dem Moment summte schon der Türöffner und ich drückte sie auf. Ich steuerte die Treppe an und kramte in der Tasche nach dem Zettel. Doch bevor ich ihn fand, öffnete sich neben mir eine Tür. "Sie habe ich hier noch nicht gesehen."
Ich hob den Blick, eine Frau mittleren Alters stand mit verschränkten Armen auf der Türschwelle. Sie hatte ein paar Kilos zuviel und ihre Haare waren brünette mit pinken Strähnchen. "Bin die neue Freundin von Alexander."
Sie schüttelte verständnislos den Kopf. "Alexa... Es gibt keinen Alexander hier im Haus", meinte sie und ich wurde unruhig. Vielleicht war ich ja im falschen Haus?
Aber ich tat gespielt ruhig und verlagerte mein Gewicht auf das andere Bein. "Mitte 30, 1,75m, dunkelblonde, kurze Haare, grüne Augen..."
In einem Anflug des Wiedererkennens leuchteten ihre Augen auf. "Ihn kenne ich. Er hat hier seine Wohnung." Sie seufzte auf und winkte ab. "Oder Zweitwohnung, was weiß ich. Er kommt manchmal her und verschwindet dann wieder für einige Monate." Sie unterdrückte ein Gähnen. "Geht mich ja auch nichts an. Hab' selbst genug zu tun." Sie hob ihren Zeigefinger wichtigtuerisch. "Aber derjenige heißt nicht Alexander."
Ich seufzte erschöpft. "Verraten Sie mir auch, wie er heißt?"
Mit hochgezogenen Augenbrauen musterte sie mich von oben bis unten. "Er hatte aber nie eine Freundin. Jedenfalls nie mitgebracht." Etwas unsicher schaute sie um sich und flüsterte hinter vorgehaltener Hand: "Ich glaube ja, dass er schwul ist."
Ich schmunzelte. Seine Streicheleinheiten hatten sich definitiv nicht schwul angefühlt. Vielleicht fuhr er zweigleisig. "Mein... Freund weiß nicht, dass ich grade hier bin. Das..." Meine Stimme brach. Jetzt eine gute Legende erschaffen! Das war das A und O für einen erfolgreichen Undercover-Einsatz. War ich denn noch Undercover? "Ich vermute, dass er mich betrügt. Ich habe zuhause bei uns einen Brief mit dieser Adresse hier gefunden. Da bin ich neugierig geworden. Eine Zweitwohnung, klingt ganz so, als führe er ein Doppelleben."
Die skeptischen Blicke der Frau durchbohrten mich und ich wusste, dass sie mir immer noch nicht recht traute.
"Timo Krause. Wohnt in der zweiten Etage, erste Wohnung rechts." Sie kräuselt ihre Nase und machte einen Schritt zurück in ihre Wohnung. "Oh, und viel Glück noch", meinte sie kühl, bevor sie die Tür entschlossen zudrückte.
Ich nickte unwillkürlich und schlang meine Jacke enger um mich. Glück konnte ich brauchen.

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