5

32 4 0
                                    

Am nächsten Morgen stand ich nach einer durchwachten Nacht total fertig auf und ging auch gleich ins Bad, um mich fertig zu machen. Ich sah schlimm aus, aber etwas Make-Up würde helfen. Nach einer halben Stunde harter Arbeit im Bad ging ich in die Küche und holte mir die angefangene Flasche Cola aus dem Kühlschrank. Ich trank sie aus und lief wieder ins Schlafzimmer, um mich anzukleiden. Gestern Abend hatte ich mir keine Gedanken mehr gemacht, was ich heute tragen würde. Das wurde mir jetzt zum Verhängnis und ich würfelte einfach wahllos Top, Minirock, Feinstrumpfhose und Jacke zusammen. Damit hoffte ich, schick genug auszusehen. Ich band mir noch die Haare hoch, schnappte mir meine Tasche und ging schnellen Schrittes zur Tür hinaus.

8.53 Uhr zeigte die Uhr im Café an. Ich war etwas zu früh da gewesen, aber deswegen musste ich mir wohl die wenigsten Gedanken machen. Ich hatte mir schon einen Kaffee und Waffeln bestellt. Nach dieser Nacht hatte ich echt Kohldampf.
Als meine Bestellung kam, fing ich gleich an. 9:09 Uhr war er immer noch nicht da und ich wurde etwas nervös. Kam er überhaupt oder war er noch zu gekränkt? Hatte er es vielleicht vergessen? Unruhig rutschte ich auf meinem Stuhl hin und her und beobachtete die Leute, die ins Café kamen. Allesamt waren es junge Leute, vielleicht Studenten, die ihren Kaffee to-go mitnahmen. Manchmal waren auch ältere Kunden dabei. Wahrscheinlich Berufstätige, die sich für ihren langen Tag mit einem Kaffee wappnen wollten. Aber all das beruhigte mich nicht. Mein Bein wippte rhythmisch auf und ab, im Rhythmus der Musik, die ich vor ein paar Minuten noch gehört hatte. Erst als eine bekannte Gestalt durch die Glastür kam, entspannten sich meine angespannten Muskeln.
Doch sofort war erneut eine Ungewissheit da: Wie würde er wohl reagieren?
Ich überspielte meine innere Unruhe gekonnt und grüßte ihn freundlich strahlend: "Guten Morgen."
Er brummte etwas, das wie eine Erwiderung klang und ließ sich auf den Platz mir gegenüber fallen.
Mein Lächeln wurde angestrengt, doch ich gab mir alle Mühe, die Ruhe zu bewahren und mir nicht anmerken zu lassen, dass dieses Verhalten meine sowieso schon angespannten Nerven eindeutig überstrapazierte - angesichts dessen, was gestern Abend passiert war. Obwohl ich es als "Profi" besser wissen müsste, gab ich mir die Schuld. Es gab nun mal Dinge, die schief gingen, egal, wie viel Mühe man sich gab. Ich ließ mich doch wohl nicht persönlich in einen Fall involvieren? Wenigstens das sollte ich während meiner Ausbildung und bisherigen Erfahrungen gelernt haben. Devan zog mich jetzt noch damit auf, dass ich mich während einer frühen Ermittlung - es war kurz nach meiner Ausbildung - in einen Verdächtigen verliebt hatte. Es war ganz einfach ein Fehler gewesen, ein manipulativer Charakter, der mich fast meinen Job gekostet hätte. Ein Wunder, dass Marc mich für diese Mission ausgewählt hatte. Und es machte mich ein kleines bisschen stolz, dass er anscheinend immer noch Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten hatte.
"Also... Was meinst du?" Alexander schaute mich erwartungsvoll an.
Ertappt schreckte ich hoch und blickte mich um.
"Hörst du überhaupt zu?"
"Ähm... Klar", nuschelte ich und schüttelte im selben Moment intuitiv den Kopf. "Ich meine, ich war gerade mit meinen Gedanken woanders, um ehrlich zu sein."
Er nickte finster. Es fiel mir nicht schwer, seine Gedanken zu erraten.
Ich stöhnte und fuhr mit beiden Händen über mein Gesicht. "Ich hab' gestern Nacht nicht sehr gut geschlafen, wenn du's wissen willst. Ich dachte, 'n Kaffee hilft vielleicht, zumindest gegen die Kopfschmerzen, aber..."
Ich wurde unterbrochen, als seine Bestellung kam, ein schwarzer Kaffee. Er nahm einen vorsichtigen Schluck. "Dann nehme ich an, du willst heute nicht zu mir kommen", stellte er monoton fest.
"Doch", protestierte ich mit rauer Stimme und räusperte mich, um mit festerer Stimme fortzufahren, "doch, ich würde sehr gerne zu dir kommen." Erst hinterher fiel mir auf, wie automatisiert und mechanisch die Antwort und das darauffolgende Lächeln waren.
Aber Alexander ließ sich tatsächlich täuschen. "Das wäre toll", meinte er schnell und blickte mir offen ins Gesicht. "Vielleicht heute Abend, so 19 Uhr? Dann kannst du dich noch erholen."
Ich lächelte müde. "Wird es denn so anstrengend?"
Alexander erwiderte mein verschmitztes Grinsen. "Nur wenn du es wünschst..."

Most wantedWo Geschichten leben. Entdecke jetzt