Chapter 2

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Herr Gott, was piepte denn da so nervig?!

Dieses schreckliche Geräusch, welches mir seltsamerweise bekannt vorkam, hatte mich anscheinend in die Welt der Lebenden zurückgeholt, nachdem ich im Wald das Bewusstsein verloren hatte. Naja zumindest hatte es mich geweckt....Aber das schrille Gepiepse war bei Weitem nicht das Schlimmste. Ooooh nein. Es ging mir hundeelend. Nicht nur fiel mir das Bewegen überhaupt eines Muskels schwer, ich hatte auch noch mörderische Kopfschmerzen.

Als säße mir ein kleiner Bob, der Baumeister im Kopf, der gerade seinen neuen Presslufthammer ausprobierte....

Alles tat mir weh. Wenn ich atmete, fühlte sich mein Bauch gespannt an, mein Hals war rau wie Sandpapier und wenn ich auch nur den Versuch wagte, meine Augen zu öffnen oder meinen Kopf minimal zu heben, schien der kleine Bob in meinem Kopf noch einen drauf legen zu wollen. Außerdem war es eiskalt. Aber dennoch konnte ich es einfach nicht auf mir sitzen lassen, dass mich mein Körper zwingen wollte hier hilflos rumzuliegen. Meinem starken Willen und der hohen Belastbarkeit meiner Nerven ging es von Natur aus gegen den Strich sich von Erschöpfung oder Schmerzen außer Kraft setzen zulassen. Also brachte ich es doch über mich, meine gefühlt 1000 Tonnen schweren Augenlieder zu heben, wenn auch mehr schlecht als recht. Was ich dann sah, überraschte mich. Ich lag in einem hellen Zimmer mit weißen Wänden, weißem, polierten Boden und leicht in die Jahre gekommenem Mobiliar. Im Großen und Ganzen schien der raum eher spartanisch eingerichtet zu sein. Mein Bett, eine beige-farbene Couch, ein komodenähnliches Etwas, ein Tisch mit zwei wackeligen Stühlen. Auf einem eben dieser Stühle saß/ lag mein liebstes Brüderchen und was soll ich sagen? Er sah furchteinflößend aus. Seine sonst so perfekt frisierten, schokobraunen Haare standen in alle Himmelsrichtungen ab, unter seine grauen Augen hatten sich tiefe Schatten geschlichen und sein markantes Kinn war auffallend unrasiert. Mir gefiel das an ihm zwar ganz gut, aber unseren ach so feinen Eltern war ein gelecktes, makelloses Aussehen so schrecklich wichtig, dass Taze sich gefälligst jeden Morgen zu rasieren hatte. Ich mich im Sommer übrigens auch, denn was ist schließlich unseriöser als stoppelige Frauenbeinchen, die unter einem leichten Chiffonkleidchen hervorguckten?

Gerade als ich mich entschieden hatte, die Augen nochmal für ein Stündchen zu schließen, flatterten Taze Augen auf und sahen mich verpeilt an.

,,Hi", schmunzelte ich ihn verschlafen an. Wie von der Tarantel gestochen sprang er auf und stolperte an meine Seite.

,,Mia! Oh Gott! Ich dachte schon, du wachst gar nicht mehr auf. Ich hatte so Angst um dich. Jag' mir nie wieder so einen Schrecken ein! Ich bin fast gestorben vor Sorge!"

Der plötzliche Anstieg der Lautstärke ließ mich kurz zusammen zucken. Taze war wütend, aber mir war klar, dass er mir nicht lange würde böse sein können. Dafür liebte er mich zu sehr. Er war einfach nur besorgt. Wie eine Mutter, der beim Einkaufen das Kind abhanden kommt, sie es dann aber bloß in der Spielzeugabteilung aus den Augen verloren hat.

,,Es tut mir leid, Ammi. Ich wollte nicht so schreien. Wie geht's dir?", fuhr er nun in sanfter Maniere fort. Ich wusste, dass er sich etwas schämte, eine Verletzte angeschrien zuhaben, aber sein treuer Dackelblick ließ mich ihm sofort verzeihen.

,,Halb so wild.... Es ging mir auf jeden Fall schon mal besser.". Ich erschrak beim Klang meiner Stimme. Sie war rau, kratzig und hörte sich nicht im Entferntesten nach meiner an.

,,Oh Kleines, du tust mir so leid. Aber immerhin bist du jetzt wieder wach. Das ist schon mal ein gutes Zeichen. Warte, ich hol' mal schnell einen Arzt oder sowas in der Art. Ich kann dich doch kurz allein lassen, oder?"

,,Ja klar. Geh schon. Die paar Minuten sollten ich auch noch packen.", versicherte ich ihm mit einem schwachen Lächeln. Taze erwiederte es und verließ nach einem letzten besorgten Blick mein Krankenzimmer. Er wollte einen Arzt holen. Ich war also tatsächlich in einem Krankenhaus, so wie ich vermutet hatte. Gut, das war in Ordnung. Lieber in einem Krankenhaus als zuhause bei unserer durchgeknallten Mutter. Wenig Zeit den letzten Abend zu reflektieren hatte ich nicht, da Taze nach knapp 2 Minuten mit 2 Fremden im Gepäck wieder in mein Zimmer geschneit kam. Den Mann stellte er mir als Doctor McNair vor, die Frau als Krankenschwester Russo. Sie schien auf den ersten Blick sympathisch zu sein. Sie war ziemlich klein, hatte dunklere Haut, braune Rehaugen und ebenholz- schwarze schulterlange Haare. Ihr eher mittelmäßig schönes Gesicht wurde von einer Reihe glitzernd weißer Zähne aufgehübscht. Dr. McNair hingegen schüchterte mich etwas ein. Er war gut 1,90m groß und hatte in seinen Zwanzigern sicherlich vielen armen Frauen das Herz gebrochen. Er war jetzt bestimmt schon Mitte 40. Seine hellblauen Augen waren hinter einer schmallen Brille versteckt, die sein Gesicht noch kantiger machte. Er beäugte mich scharf wie ein Falke. Sein schwarzes Haar war schon ziemlich mit Grau durchzogen. Außerdem hatte er einen auffälligen Dreitagebart. Viele Mädchen meines Alters fänden sicherlich großes Interesse an dem Arzt aber ich fühlte mich unter seinen kühlen Blicken eher unwohl. Er erinnerte mich sehr an meinen Vater und vor dem fürchtete ich mich.

Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt