Der Rest des Tages verlief eher schleifend. Meine Vorfreude auf mein Date mit Jeff hielt sich in Grenzen und die ganzen Drecksfächer, die heute auf dem Plan standen, besserten meine schlechte Laune auch nicht. Glücklich, dass der Tag endlich vorbei war, hatte ich meine Schultasche nach Unterrichtsschluss achtlos in irgendeine Ecke geschmissen und mich unter meiner Bettdecke verkrümelt. Lustlos las ich ein willkürlich ausgewähltes Buch, während ich auf Jeff wartete. Ich hatte nicht vor mich extra für ihn rauszuputzen. Warum auch? Schließlich wollte ich eigentlich mit ihm Schluss machen.
Während ich meine Augen über die schon leicht vergilbten Seiten des Buches fliegen ließ, kam Celeste zu mir und bedankte sich für die Beruhigungsmittel, die ich ihr heute morgen gegeben hatte. Sie legte die mittlerweile nicht mal mehr halbvolle Packung von Johanniskrautkapseln auf meinen Nachttisch und verschwand dann wieder unauffällig, was ziemlich ungewöhnlich für die laute Rothaarige war. Die Trennung von Freddie nahm sie tatsächlich wahnsinnig mit. Im Hinterkopf hatte ich heute den ganzen Tag den Gedanken gehabt, dass sie übertrieb, um Aufmerksamkeit zu bekommen, aber jetzt da ich sie hier erlebte, ganz allein und ohne eine große Ansammlung von Menschen um sie herum, die sie bemitleiden konnten, schien ihre Traurigkeit erst wirklich durch. Sie wirkte hilflos, untröstlich und mutterseelenallein.
Als ein Türklopfen, das nur von Jeff sein konnte, die Stille im Raum brach, kamen in mir Zweifel auf, ob ich Celeste wirklich allein lassen konnte. Daisy und Christa waren bei ihrem streberischen Buchclub und würden bis um halb neun nicht hier sein. Abwägig sah ich zwischen der Tür und Celeste hin und her. Sie schien das zu bemerken. ,,Geh ruhig zu deinem Date. Deine Beziehung soll nicht meinetwegen leiden.", sagte sie leise und lächelte mich bestätigend an. Die Trauer in ihren braunen Augen konnte sie jedoch nicht vor mir verstecken. Ich sah ihr an, dass sie eigentlich nicht allein sein wollte, aber mir auch nicht den Abend vermiesen wollte. Ich entschied mich, ihr das einfach hoch anzurechnen. Ich erwiderte ihr Lächeln aufmunternd. ,,Danke, Celeste. Mach keine Dummheiten solange ich weg bin.", versuchte ich sie scherzend aufzuheitern und ging zur Tür.
Draußen stand wie erwartet Jeff und begrüßte mich fröhlich und voller Erwartung. Er legte seine Hände in meinen Nacken und zog mich an sich für einen leidenschaftlichen Kuss. Ich stieß ihn sanft von mir und tat so, als täte ich das Celeste zu Liebe, in deren direkter Blickrichtung wir standen. Ich schlüpfte schnell wieder in das Zimmer zurück und zog mir ein paar bequemer Schuhe an. Ich steckte noch mein Handy und meine Schlüsselkarte ein und ging wieder zu Jeff. Ich wollte schon die Tür zuziehen als Jeff's Stimme mich unterbrach. Er fasste mir leicht an den Arm. ,,Nimm besser eine Jacke mit, Baby." Bei dem Kosenamen zuckte ich zusammen. Ich hasste es wie die Pest, wenn man mich Baby, Hase, Babe, Schatzi oder sowas in der Art nannte. Das war einfach nur demütigend und lächerlich. Warum musste man Menschen, die man gern hatte so peinliche Spitznamen geben? Ich verdrehte die Augen als ich wieder reinging und mir eine Jacke holte, wie von Jeff vorgeschlagen. Als ich wieder neben Jeff stand, hielt er mir seinen Arm zum Einhaken hin. Ich tat wie geheißen und dann begannen wir durch die Flure zu spazieren. Er tat so als würde es ihn nicht stören, dass ich aussah als wäre ich gerade aufgestanden, aber ich konnte ihm ansehen, dass er sich das Ganze hier anders vorgestellt hatte. Allein schon dass er in Jackett und Krawatte vor meinem Zimmer aufgetaucht war, verriet eine Menge.
Nach einer kurzen Weile des Sinnlos-Durch-Die-Gegend-Laufens führte Jeff mich nach draußen auf den Hof vor dem Haupteingang. Wir gingen um den großen Springbrunnen herum und in Richtung Park. Nachdem wieder ein paar langweilige Minuten verstrichen waren, kamen wir nahe einer kleinen Lichtung zum Halten. Ich hatte das weiße Licht der Lichterketten schon von Weitem erkannt, sodass ich jetzt nicht mehr sonderlich überrascht war. ,,Huch, was ist denn das?", fragte Jeff neben mir ziemlich grottig gespielt. ,,Komm, wir sehen nach." Ich ließ mich von ihm in Richtung des Lichts ziehen, obwohl ich eigentlich am liebsten wieder in meinem warmen Bett gelegen hätte. Ganz ehrlich, wer denkt sich auch ein Open-Air-Date im Februar aus?! Auch wenn ich zugeben musste, dass Jeff sich wirklich Mühe dabei gegeben hat, die kleine Lichtung date-tauglich zu machen. Es war wirklich schön. In den Bäumen hingen Lichterketten, auf dem Boden hatte er Teelichte verteilt und in der Mitte lag eine flauschige Picknick-Decke, von der aus man in den sternenklaren Nachthimmel gucken konnte. Es standen auch Sekt und Früchte bereit. Es war eine wirklich süße und romantische Geste, aber ich war selbstverständlich nicht mal halb so gerührt, wie ich vermutlich hätte sein sollen. Es brach mir fast das Herz, wenn ich dran dachte, dass ich im Laufe des Abends diesen außerordentlich netten Versuch unsere Beziehung zu retten zu Nichte machen würde.
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Love's a desperate thing
Jugendliteratur,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...