Nachdem ich mich mit dem Versprechen, nach der Arbeit mit Freddie ins Kino zu gehen, von meinem offiziell festen Freund verabschiedet und zuhause frisch gemacht hatte, begann in der Boutique mein ganz normaler Arbeitstag. Mehrere Stunden lang räumte ich neue Ware aus Seide, Cashmere, Wolle von schottischen Schafen und feinstem Leder in die edlen Regale des schicken Nobelgeschäfts, in dem ich seit Monaten mein Dasein fristete. Ich war zufrieden hier. Der Job machte mir Spaß, meine Cheffin war sehr nett, wenn auch etwas aufdringlich und ich verdiente vergleichsweise gut. Nachdem ich einer netten Dame in ihren späten Fünfzigern ein unverschämt teures Kleid verkauft hatte, begann ich erneut die Kleidungsstücke zu richten.
Etwas in Gedanken verloren faltete ich ein T-Shirt nach dem anderen, sodass ich nicht hörte, wie die Glocke an der Tür klingelte.
Der Tag war bis dahin so schön gewesen...
,,Also haben mich meine Augen doch nicht getäuscht... Ameliah Morrin, wir haben uns ja schon eine Ewigkeit nicht mehr gesehen."
Das konnte doch jetzt nicht wahr sein! Ich erstarrte kurzzeitig und sah auf. Als ich in sein bekanntes Gesicht sah und somit einer meiner Albträume Wahrheit wurde, hätte ich am liebsten losgeschrien.
,,Jede Glücksträhne endet mal." , sagte ich und versuchte dabei so gelangweilt und überhaupt nicht überrascht von seinem Erscheinen hier zu klingen wie möglich. Betont ruhig und entspannt setzte ich meine Arbeit fort.
,,Es is' schön, dich zu sehen. Auch wenn es mich ein bisschen überrascht, dass es gerade hier is'. Was machst du so?" Er klang ehrlich interessiert. Ich ging hinter die Kasse und tat so als würde ich etwas Wichtiges tun in der Hoffnung, er würde dann wieder verschwinden.
,,Komm schon, Morrin. Herrscht zwischen uns tatsächlich noch so böses Blut, dass du selbst nach über einem Jahr immer noch nicht mit mir sprechen willst?", lachte er.
Ich zog genervt eine Augenbraue hoch und tippte weiter auf den Tasten des Kassencomputers rum.
,,Wenn dich jemand ignoriert, Davies, dann stör' ihn nicht dabei.", sagte ich kurz angebunden. Ich schaute auf, um den dummen Ausdruck in seinem Gesicht zu sehen, wenn er erkannte, dass ich auf seine schwachen Versuche, mit mir zu reden, nicht eingehen würde. Er grinste amüsiert und sah etwas verlegen zu Boden, als würde er überlegen, was er darauf erwiedern konnte. Das gab mir Zeit ihn zu mustern. Er hatte sich ein verändert. Nicht mehr als ich erwartet hätte, aber dennoch fiel es mir auf. Er sah nicht so geleckt aus wie in meiner Erinnerung. Seine Haare waren nicht perfekt gegelt wie früher, sein Kinn nicht so glatt rasiert. Auch seine Kleidung war ein leger. Er sah aus wie ein stinknormaler Student. Es war seltsam, ihn mal so wenig prestigeträchtig zu erleben.
,,Hast du mich denn wirklich kein bisschen vermisst in den letzten Monaten?" Davies klang fast traurig, aber da war schon wieder dieses Grinsen auf seinem Gesicht. Das Grinsen, das verriet, dass er wieder mit mir spielte. Dass er nicht traurig war, dass er mich aufzog. Ich unterdrückte meinen Zorn und zwang mich seriös zu bleiben. Also sagte ich entschieden 'Nein', griff nach einem Klemmbrett und einem Kugelschreiber und marschierte dann damit schnurstracks ans andere Ende der Boutique, wo ich begann, die Artikel in den Regalen zu inspizieren und auf einer imaginären Liste am Klemmbrett Haken zu setzen.
Davies sah mir ein paar Momente dabei zu, das spürte ich. Dann atmete er einmal laut aus und machte sich scheinbar bereit zu gehen.,,Na gut. Ich erkenne, wenn ich nicht erwünscht bin. Ich hab dich nur im Vorbeigehen gesehen und gedacht, ich sag mal 'Hallo', aber ich hab weder Zeit noch Lust, mich mit deinem Gezicke auseinander zu setzen. Ich muss zu 'ner Vorlesung."
Ich sah zu ihm rüber als er eine Pause machte, um sich durch die Haare zu fahren.
,,Grüß' Kingsley von mir. Ihr habt doch bestimmt noch Kontakt oder hast du ihn genau so aus deinem Leben verbannt wie mich, nachdem du das Internat verlassen hattest?"
Wie anmaßend konnte ein Mensch eigentlich sein?! Als hätte Davies irgendein Recht, mich zu verteufeln, weil ich zu ihm keinen Kontakt gehalten hatte! Er hatte doch selbst gesagt, dass wir uns vermutlich nie wieder sehen würden. Und das war auch besser so! Ohne ihn war ich doch viel besser dran. Wenn ich diese Monate nicht ohne ihn verbracht hätte, wer weiß, wie mein Leben jetzt wäre? Bestimmt nicht halb so schön wie jetzt. Ich wäre wahrscheinlich nicht mit Freddie zusammen, wäre nicht so glücklich.
'Reib's ihm unter die Nase. Sag ihm, wie gut noch mit Freddie in Kontakt stehst! Sag ihm, Freddie hätte gewonnen!' , flüsterte mir eine Stimme zu. 'Los! Sag es!
Und obwohl ich es Davies wirklich ins Gesicht schreien wollte, ihm zu zeigen, wie nah ich Freddie war, tat ich es nicht. Ich sagte keinen Ton. Ich konnte nicht. Gott weiß wieso! Ich sah in Davies' Augen und brachte kein Wort über die Lippen. Etwas hielt mich zurück und ich hasste es, ihm nicht wehtun zu können.
Würde es ihn überhaupt verletzen zu hören, dass ich jetzt mit Freddie zusammen war? Oder war es ihm egal?
'Sag es! Er verdient es!', sagte die Stimme erneut. Ich wurde verrückt. Ich hörte schon Stimmen. Gott, war ich ein Wrack!
'Sag es!'
Ich kann nicht...
'Sag es!'
Ich....Ich...Er...Ich weiß nicht.
'Sag. Es.'
Ich...Ja. Ich sollte es ihm sagen.
'Jetzt.'
Nein.
Nein. Ich konnte es nicht sagen. Nichtmal Daisy wusste schon von mir und Freddie. Ich würde bestimmt nicht Davies die erste Person sein lassen, der ich von meiner Beziehung zu Freddie erzählte. Das wäre einfach krank! Ich sagte es ihm nicht. Wahrscheinlich würde ich das niemals tun...
,,Mach' ich.", murmelte ich und nickte schwach. Dann erinnerte ich mich an meinen Vorsatz, tough und gleichgültig zu sein und setzte wieder ein starkes Gesicht auf.
,Wiedersehen, Davies."
,,Wiedersehen, Morrin."
Dann verließ er den Laden und ich fühlte zu meinem Unmut fast so etwas wie Freude, darüber ihm nichts von Freddie und mir gesagt zu haben. Ich setzte mich hinter die Kasse und vergrub genervt von mir selbst das Gesicht in meinen Händen.
Wann würde ich endlich stark genug sein, ihn loszulassen?
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Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...