Chapter 34

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Wütend sah Taze mich an, während er angespannt an meiner Kommode lehnte. Ich versuchte indessen alles, um seinen verurteilenden Blicken auszuweichen. Mehrere Augenblicke lang hörte ich den in der Abenddämmerung zwitschernden Vögeln zu und mich dabei auf meiner Unterlippe kauend in meinem Zimmer umsah. Ich hörte wie mein Bruder einmal vernehmlich seufzte. ,,Bevor ich loslege, willst du noch die Chance ergreifen, das da eben im Restaurant zu erklären oder lässt du mir den Vortritt?", fragte Taze unbeteiligt. Ich verdrehte genervt die Augen. Es ging mir langsam echt auf den Senkel, dass er permanent von mir verlangte, mich ihm gegenüber zu rechtfertigen. Das hatte ich echt nicht nötig. ,,Was gibt es denn da noch groß zu erklären?", antwortete ich deshalb gelangweilt. Ich schaute zu Taze und sah wie er sich regte. Er stellte sich etwas breiter hin und verschränkte die Arme. Das Vogelgezwitscher von draußen machte aus dem ganzen Bild eine bizarre Szene. Mein Bruder, der mit angespannten Muskeln im roten Licht des Sonnenuntergangs, das durch meine Fenster fiel, unheimlich und bedrohlich aussah untermalt von friedlichem Vogelgesang. ,,Hmm, lass mich überlegen. Vielleicht warum du unserer Familie, deinen vermeintlichen "Todfeind" als deinen Freund vorgestellt hast.", sagte Taze bissig. Ich schnaubte verächtlich. ,,Also zuallererst: Er hat sich so vorgestellt-" Taze unterbrach mich. ,,Und du hast ihn nicht korrigiert!", empörte er sich. ,,Lass mich ausreden!" Ich passte mich seiner hohen Lautstärke an, weil ich langsam aber sicher ziemlich sauer wurde. ,,Hast du nicht gesehen, wie begeistert unsere Großeltern von ihm waren?! Sie waren hin und weg! Sogar Mum und Dad haben scheinbar was für ihn übrig! Hätte ich das einfach so kaputt machen sollen?!", rief ich frustriert und wütend. ,,Weißt du von wem sie noch begeistert gewesen wären? Deinem ECHTEN Freund! Der sich offenbar wundervoll um dich bemüht und über den du heute nicht ein Wort verloren hast!" Auch Taze war schon an der Grenze zum Schreien angekommen. Aber er wurde wieder ruhiger mit jedem Wort, das er sagte. ,,Mia, ich versteh es einfach nicht. Wie lange liegst du mir jetzt schon damit in den Ohren, was für ein Arsch Jasper Davies ist und jetzt bist du damit einverstanden, wenn er sich einfach so dein Freund nennt. Du-Du hasst diesen Typen doch." ,,Vielleicht ja nicht. Aber was soll's? Wen interessiert das schon? Das war wieder nur einer von Davies' Witzen, mehr nicht.", sagte ich jetzt etwas unglücklich. Ich wusste nicht wieso, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund hatte mir der Gedanke, dass Davies mit mir zusammen sein wollte, erfreut. Und die Erkenntnis, dass er doch nur wieder seine Späße mit mir und jetzt auch noch meiner Familie getrieben hatte, ließ irgendeine Blase in mir platzen und ein Gefühl des Unglücks und des Schams überflutete mich unvorbereitet. Taze ließ sich neben mir auf der Couch nieder. ,,Deinen Freund wird es interessieren. Du hättest von ihm erzählen sollen. Grandma und Grandpa wären auch so stolz auf dich gewesen und hätten sich für dich gefreut. Auch wenn er nicht vor ihnen gestanden hätte. Wieso hast du ihn nicht eingeladen, uns zu begleiten?", sagte Taze einfühlend und legte einen Arm um mich. ,,Wer weiß, wie lange Jeff noch mein Freund ist.", murmelte ich bitter. ,,Er ist nicht blöd. Er wird irgendwann merken, dass es bei uns nicht so richtig in Schwung kommt und er wird es ansprechen. Was soll ich denn dann antworten? Ich glaube nicht, dass ich dann in der Lage sein werde, meine Fassung zu behalten und ihm ins Gesicht zu lügen." Taze streichelte mitfühlend meinen Arm. ,,Wieso hast du denn noch nicht mit ihm Schluss gemacht, wenn es so schlimm ist bei euch beiden?" Ich sah ihn aus traurigen Augen an. ,,Ich wollte ihn so kurz vor Weihnachten nicht abschießen. Das wäre fürchterlich gewesen. Ich wollte ihm nicht das Fest versauen.", sagte ich schniefend. ,,Er ist so gut zu mir,Taze. Wieso kann ich das nicht auch zu ihm sein?" Er zuckte mit Schultern. ,,Vielleicht weil du für jemand anderen mehr Gefühle hast, als für Jeff?" Fing er jetzt ehrlich wieder damit an? ,,Ja schon klar. Aber Freddie hat 'ne Freundin und außerdem bin ich für ihn nicht mehr als seine beste Freundin. Das hat er, als ich bei ihm war, ziemlich deutlich gemacht." Taze sah mich verwirrt an. ,,Freddie? Ich hatte jetzt, um ehrlich zu sein, an Davies gedacht. Herr Gott, Mia! Wie viele Typen hast du denn noch am Start?" Ich lachte bitter. ,,Keine Ahnung. Du kennst mich, Taze. Ich bin eine kleine Nymphomanin." , scherzte ich. ,,Aber denkst du wirklich, ich hätte romantische Gefühle für Davies?! Das verletzt mich jetzt. Ich steh doch nicht auf den!" Oder? Taze lachte leicht. ,,Ja gut. Du hast wahrscheinlich recht. Aber Mia, wenn es irgendetwas gibt, das du mir gerne in Bezug auf Jasper Davies sagen möchtest, wäre jetzt der perfekte Zeitpunkt.", sagte mein Bruder verschwörerisch. Ich schüttelte mit großen Augen den Kopf. ,,Nein, ich hab nichts mehr zu sagen." ,,Gut." Dann stand er auf, strich mir noch einmal über's Haar und drückte mir einen Kuss auf den Scheitel, ehe er mich in meinem Zimmer alleine ließ. ,,Ruh' dich noch ein bisschen aus. Mum und Dad wollen, dass wir in einer Stunde wieder unten sind -es gibt Geschenke.", erinnerte Taze mich noch bevor er die Tür ins Schloss fallen ließ.

Nachdem Taze die Tür hinter sich geschlossen hatte, sah ich aus dem Fenster. Es war jetzt absolut still in meinem Zimmer. Nur das entfernte Klackern der Mörderhacken meiner Mutter auf dem Granitboden im Foyer war zur hören. Es hatte wieder begonnen zu schneien und eine kurze Zeit beobachtete ich wie die kleinen Schneeflocken an meiner Fensterfront schmolzen. Ich stöhnte erschöpft auf als ich mich in die weichen Polster meiner Couch zurück sinken ließ, weil die Schneeflocken langsam langweilig wurden. Am Liebsten würde ich mich jetzt in meinem gemütlichen Pyjama in mein warmes Bett kuscheln und lesen bis meine Eltern mich runter ins Wohnzimmer zur Bescherung riefen, aber meine Mum würde mit Sicherheit wie jedes Jahr 300 gestellte, natürlich und spontan aussehende Fotos für ihren Lifestyle-/ Familienleben-/ Fashionblog machen wollen und wenn Taze und ich dafür nicht wie zum Küssen aussahen, gäbe es zum erneuten Mal heute ein Drama. Weil ich darauf aber wirklich nicht mal im Geringsten Lust hatte, legte ich einfach meine Beine auf dem hübschen Kaffeetisch hoch und schloss die Augen, während ich mir vorstellte, was Jasper Davies wohl für Geschenke machte.

Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt