Chapter 49

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Es war mittlerweile Mitte April. Ich hatte die letzten Monate relativ ereignislos mit Lernen für meine Abschlussprüfungen verbracht, die ich wiederrum in der vergangenen Woche mit Bravur überstanden hatte. Es war Wochenende, weshalb fast der ganze Jahrgang nach Aberdeen strömte, um zu feiern, dass die Examen durch waren. Ich saß mit meinen Freunden in einem hübschen, kleinen und absolut überfüllten Pub und stieß auf das Ende einer Ära und meinen Geburtstag an. Daisy und Emmett, die mittlerweile ein festes Paar waren und mich damit wansinnig erfreut hatten, saßen dicht nebeneinander und unterhielten sich die ganze Zeit angeregt, während Virgil sich an der Bar von Mädchen umringen ließ. Freddie trank wie ein Loch und legte einen Arm um meinen Schultern, um mich zum Schunkeln zu bringen, während er hackedicht irgendwelche Geburtstagslieder grölte. Die Aufmerksamkeit, die er zu Beginn erregt hatte, war abgeebbt, sodass die Leute ihn nur noch mit einem amüsierten Lächeln bedachten, sobald er ein neues Lied anstimmte. Auch ich hörte ihm nicht mehr konzentriert zu, sondern ließ mich nur noch von seiner Singerei berieseln, wenn man das so nennen konnte. Ich hatte meinen Blick nämlich auf etwas anderes gerichtet. Am anderen Ende des Raums saß Jasper Davies mit seinen Freunden in einer gemütlichen Ecke und machte sich eine schöne Zeit. Er war umringt vom ganzen Rugby-Team. Das störte mich nicht, denn das war kein seltenes Bild. Was mir jedoch nicht ganz schmeckte, war dass Lucille Redwood, das blöde Miststück, ihn von der Seite aus anhimmelte. Am liebsten hätte ich ihr die billigen Fake-Lashes aus dem Gesicht gepflückt und die hässlichen Gelnägel von den Fingern gerissen, aber dummerweise konnte ich sie auch verstehen. Davies sah wie immer besser aus, als die Polizei erlaubte. Er trug ein weißes Hemd und ein schwarzes Sacko drüber. Ein Lächeln allein reichte und ich schmolz dahin. Selbstverständlich war ich nicht so blöd, das offen zu zeigen. Selbst wenn Freddie zu betrunken war, um es zu bemerken - ich würde im Boden versinken, wenn Davies es täte. Ich hatte gehört, dass auch er die Prüfungen gut abgeschlossen hatte. Ich wusste es zwar nicht aus erster Hand, aber ich konnte es mir gut vorstellen. Es sei denn, er hat die letzten zwei Monate damit verbracht, sich mit den armseligen Schlampen des Internats zu vergnügen, was auch nicht unbedingt abwegig war. Bevor ich jedoch in Gedanken über Davies verfallen konnte, klingelte mein Handy. Als ich es aus meiner Tasche zog, erschien Theo's Bild und sein Name in großen Buchstaben auf dem Display. Mit einem breiten Grinsen entschuldigte ich mich kurz bei Daisy und sagte ihr, ich würde gleich wiederkommen bevor ich aufstand und nach draußen ging, weil es in der Bar viel zu laut zum Telefonieren war. Auf dem Weg zur Tür musste ich Davies' Tisch vorbei und ich spürte einen Blick auf mir, von dem ich dachte, dass er ihm gehörte. Ich lag noch nie so falsch.

,,Hey, Theo!", zwitscherte ich fröhlich in mein Handy, als die Stufen vor dem Pub-Eingang runterging. Am anderen Ende hörte ich eine Tröte und danach wie mein Lieblingscousin Happy Birthday sang. ,,Alles Gute, Ammi!", rief er enthusiastisch. ,,Danke.", sagte ich lachend, weil ich mir vorstellen konnte, wie Theo in seiner schicken Wohnung in London saß und wie ein Irrer mit den Händen wedelte. Er begann irgendetwas zu erzählen, aber ich konnte ihn nur schwer verstehen, weil die Lieder der Besoffenen aus der Bar auch hier draußen noch zu laut waren. Deshalb ging ich ein bisschen weiter die Straße runter. Dass mir jemand anderes folgte, bemerkte ich nicht.

Nach einer kleinen Weile verabschiedete ich mich von Theo und legte auf. Ich wollte umdrehen und zur Kneipe zurück, doch erstarrte zur Salzsäule als ich sah, wer mir gefolgt war. ,,Na, Püppi. Hast du mich vermisst?" Ich konnte mich nicht rühren, nichts sagen, gar nichts. Es ging nur ein einziger Gedanke durch meinen Kopf: HILFE! Noch bevor ich schreien konnte, griff er nach mir und zog mich in eine dunkle Gasse. Ich wollte schreien, doch er hielt seine dreckige, wurstige Hand auf meinen Mund gepresst, sodass ich keinen Laut rausbekam. Er stemmte mich gegen eine kalte Steinmauer und drückte mir mit seinem Arm die Kehle zu. Er hatte mich fest in seinem Griff. Ich konnte mich nicht wehren. Ich konnte vor Angst nichtmal weinen. Ich sah ihm nur aus aufgerissen Augen zu wie er ein großes Messer aus seiner Jacke zog. Ich bekam Panik. Ich versuchte zu strampeln, um mich aus seinem Griff zu lösen, aber es war vergebens. Er zeigte mir das Messer. Ich kannte es. Es war das selbe Messer, mit dem er und sein Freund mich im Sommer verunstaltet hatten. Er sah den panischen Ausdruck in meinen Augen und grinste böse. Er sah mir die tief in die Augen und legte dann einen dicken Finger auf seinen Mund, um mir zu sagen, dass ich still sein sollte, denn sonst würde er sein Messer benutzen. Als ich hektisch nickte, nahm er sein Hand von meinem Mund und seinen Arm von meiner Kehle. Ich wartete einen Augenblick ab und als ich glaubte, er würde nicht aufpassen, sprintete ich los. Allerdings kam ich nicht weit, denn er packte mich an den Hüften und schmiss mich auf den Boden. Mein Kopf prallte gegen eine Mülltonne. Er war sehr viel schneller als ich gedacht hatte. Ich hielt mir den Kopf und richtete mich etwas auf. ,,Na na na, Zuckerstück. Du willst doch nicht schon gehen?", sagte er widerlich. ,,Was willst du denn noch von mir? Du hast mir doch schon genug angetan. Reicht es dir nicht, mein Leben kaputt gemacht zu haben?", knurrte ich und versuchte den höllischen Kopfschmerz zu ignorieren, der sich gerade an meinem Hinterkopf breit machte. Er lachte einmal bellend auf. ,,Aber natürlich nicht, meine Hübsche. Das reicht noch lange nicht. Du hast meinen Kumpel hinter Gitter gebracht. Das kann ich doch nicht einfach so zulassen. Deshalb wirst du ihn da wieder für mich rausholen, sonst...", er machte mit dem Messer eine halsaufschneidende Geste. ,,Vergiss es!", zischte ich. Er kam auf mich zu, packte mich am Hals und zog mich daran hoch. Er drückte mich wieder an eine Mauer und hielt mir die Klinge unter die Nase. Er sah mich böse an. Stur erwiederte ich seinen Blick. ,,Mach doch. Ich hab eh nichts mehr, was mein Leben lebenswert macht. Das habt ihr mir weggenommen.", sagte ich kalt. Ich bluffte, weil ich hoffte, es würde ihm die Lust daran nehmen, mich zu töten. Aber da hatte ich wohl falsch gedacht. Er begann fies zu grinsen. ,,Ach ja? Und was ist mit diesem blonden Schönling, der drinnen lauthals Lieder gröhlt? Ist der es denn nicht wert, dass du am Leben bleibst?" Freddie! Woher wusste er das?! Weshalb sprach er jetzt von ihm?! Er hatte gesehen, dass ich auf seinen Spielzug ansprang. ,,Ach Schätzchen, hast du ehrlich geglaubt, ich hätte mich hierauf nicht vorbereitet? Ich hab dich solange verfolgt, bis sich der perfekte Moment ergab, dich abzufangen. Ich kenne deine Schwächen. Dieser Kerl ist offenbar eine davon. Wenn du glaubst, du könntest mir weismachen, dass Sterben für dich keine Sorge mehr ist, dann liegst du absolut falsch. Du fürchtest dich. Und genau das spielt mir in die Karten." Er hatte recht. Wenn es etwas oder jemanden gab, der es wert wäre, um mein Überleben zu kämpfen, dann war es Freddie. In den letzten Monaten waren wir uns wieder näher gekommen und es war wieder so wie früher. Er hatte mir in der Angelegenheit mit Davies so gut beigestanden und ich war so froh darüber. Mir traten Tränen in die Augen. Sie begannen mir die Wangen runterzulaufen und ich wimmerte bedauerlich. ,,Hör auf zu heulen!", befahl er grob und sein Griff um meine Kehle wurde noch etwas fester. ,,Bitte. Bitte lass mich gehen.", jammerte ich ehe ich laut zu schluchzen begann. ,,Bitte!" Der Fette wurde langsam wütend. ,,Halt's Maul!", zischte er und sah sich hektisch um als hätte er Angst, uns würde jemand hören. Ich schluchzte weiter. ,,Hallo?", hörte ich eine Männerstimme rufen. Ich hatte schon für mich schwarz gesehen, doch diese Stimme war meine Rettung. ,,Ist da jemand?", fragte der Mann erneut. Ich konnte ihn nicht sehen, allerdings kam mir seine Stimme bekannt vor. ,,Scheiße!", fluchte mein Peiniger und sah aus als überlegte er scharf, was er jetzt bloß machen sollte. Ich entschied mich für einen riskanten Versuch, mein Leben zu retten. ,,Hilfe! Bitte helfen Sie mir!", schrie ich. Das alarmierte den Mann, der scheinbar an der Straße stand und die Gasse herein schaute. Er kam angelaufen. ,,Was ist hier los?", sagte er hektisch, doch der Fette, der mich seit dem Sommer in meinen Albträumen und offenbar auch in der Realität verfolgte, war bereits geflohen. Ich war an der Wand runter auf den kalten Boden gerutscht und hielt mir vorsichtig den schmerzenden Hals. Ich hustete und schnappte gleichzeitig nach Luft. Meine Augen waren geschlossen, doch ich hörte, wie der Mann, der zu meiner Rettung gekommen war, dem Fetten nachzurennen versuchte, doch er folgte ihm nicht weit, sondern kam zu mir. Ich kniete sich neben mich und legte behutsam eine Hand auf meinen Arm. ,,Miss, geht es Ihnen gut?", fragte er sanft. Ich nickte langsam. ,,Ja, Sie haben aber nicht zufällig etwas zu trinken zur Hand, oder?", antwortete ich heiser. Zuerst bekam ich keine Antwort und die Stille machte mich misstrauisch. ,,Mia?!", fragte der Mann geschockt. Ich sah argwöhnisch das erste Mal auf und sah in das entrüstete Gesicht von Mr.Baistefield.

'Oh nein! Wie sollte ich das denn jetzt erklären?!'

Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt