Chapter 8

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Nach dem Abendessen hatten die Jungs, Daisy und ich uns entschieden noch etwas über's Gelände zu laufen bevor wir uns für die Nacht zwangsläufig würden trennen müssen. Nachdem wir ein Weilchen über den Campus gewandert waren, kam Freddie eine glorreiche Idee "noch ein wenig Daisy's Erfolg zu feiern". Da Daisy aber von dem Vorschlag, die Speisekammer zu plündern, nicht viel hielt, machten die Jungs und ich uns nur zu dritt auf den Weg in Richtung Küche, während Daisy sich mit der Absicht, ihre Koffer auszupacken, auf unser Zimmer zurückzog.

Das Schloß der Küchentür zu knacken, war für die Kingsley-Zwillinge ein Kinderspiel, wenn man bedenkt, wie oft sie schon des nachts in die Küche eingebrochen waren, um sich einen Mitternachtssnack zu gönnen oder Zutaten für ihren nächsten Streich zu besorgen.
Ein paar Minuten und ein paar aufzubrechender Schlösser später verließen die Jungs und ich die Speisekammer mit einer Armladung voll Schnaps und Chips. Bepackt mit all den Leckereien, die wir auf die Schnelle finden konnten, machten wir uns auf den Weg zu unserem Lieblingsplatz auf der ganzen weiten Welt: zur guten alten Weide unten am See. Dieser schon gut 100 Jahre alter Baum diente uns seit unserem ersten Jahr hier als Treffpunkt. Wenn wir reden wollten oder lachen, wenn es einen neuen Streich zum Aushecken gab oder wenn wir Trost brauchten und allein sein wollten. Besonders für mich hatte die alte Weide eine große Bedeutung. Ich suchte sie oft auf, wenn ich wieder Stress mit meinen Eltern hatte. Ich wendete mich zuerst an die Weide bevor ich meine Freunde zu Rate zog. Ich wusste, dass ich im Schutz des alten Baumes nichts zu befürchten hatte. Außerdem war ich hier das erste Mal Freddie begegnet. Wir sind damals sofort Freunde geworden. Er beendete im Grunde die ersten grässlichen Wochen der Einsamkeit auf dem Internat. Von daher war dieser Baum für mich schon beinahe ein Heiligtum. Unter seinen Zweigen, die uns wie ein natürlicher Vorhang von der grausamen Außenwelt trennten, fühlte ich mich wie in einer anderen, besseren, sicheren Welt. Eine Welt voller Freude und Glückseligkeit. Sowie auch heute Nacht. Die Zwillinge und ich hatten schon häufiger bei der alten Weide "gefeiert". Daisy war selten dabei, einfach auch weil sie immer sagte, sie habe besseres zu tun, als sich sinnlos unter der Woche zu betrinken. Ich allerdings nicht. Wenn ich die Möglichkeit hatte, meine Zeit gemeinsam mit den Jungs zu verschwenden, tat ich das mit der größten Freude.
Diese Nacht konnten wir unser kleines Saufgelage leider nicht in alle Länge ausweiten, da am nächsten Morgen die Schule beginnen würde, und wir 3 uns eigentlich nicht schon am ersten Tag Nachsitzen einhandeln wollten. Von daher machten wir uns um kurz vor Mitternacht auf den Weg zurück zu den Schlaftrakten des Anwesens. Virgil und Freddie begleiteten mich noch zu meinem und Daisy's Zimmer ehe wir uns verabschiedeten und sie ihres Weges gingen. Als ich das Zimmer betrat, das Daisy und ich uns mit 2 anderen Mädchen teilten, schliefen meine 3 Zimmergenossen bereits und das Einzige, was zu vernehmen war, war Christa's leises Geschnarche. Ich schmunzelte. Christa war ein süßes Mädchen und kaum 1,60 groß. Mit ihr verstand ich mich blendend. Aus dem einfachen Grund, dass ich befürchtete, dass sie in Tränen ausbrechen würde, wenn sie sich mit jemanden stritt. Und weil ich es vermeiden wollte die niedliche kleine Christa zum Weinen zu bringen, versuchte ich zu ihr immer so sanft wie möglich zu sein. Ihre beste Freundin Celeste bereitete mir allerdings des Öfteren Magenschmerzen. Man konnte es mit ihr eigentlich auch ganz gut aushalten, wenn man über ihre ständigen Lästereien und ihre zickige Natur hinweg sehen konnte. Manchmal war es zwar ganz unterhaltsam sich von ihr den neuesten Tratsch vortragen zu lassen und irgendwo war es auch praktisch. Sie war im Grunde meine einzige Verbindung zur Welt des Klatsch und Tratschs. Wäre ich nicht mit ihr auf einem Zimmer, wäre ich über das Leben meiner ganzen anderen Mitschüler vermutlich nicht im Geringsten im Bilde. Es konnte dennoch ziemlich nervig sein, wenn sie und Christa vorm Schlafengehen ununterbrochen darüber reden konnten, was eines der jüngeren Mädchen heute mit seinen Haaren angestellt hatte oder wer beim Frühstück, was zu wem gesagt hat. Vor allen Dingen dann, wenn es mich vom Schlafen abhielt, dass die beiden wieder schnatterten wie 2 Gänse, konnte ich schonmal giftig werden. Gut, dass mir das diese Nacht erspart blieb. Schnell entledigte ich mich meiner Reisekleidung und schlüpfte in meinen gemütlichen Pyjama. Innerhalb von 5 Minuten war ich abgeschminkt und gewaschen und starrte nun in den großen Spiegel im Badezimmer während ich mir die vom Wind zerzausten Haare kämmte. Stumm betrachtete ich die Narben auf meinem Körper und Millionen kleiner Bilder schossen durch meinen Kopf. Die 2 Typen, der Waldboden. Sternenklarer Spätsommerhimmel, Taze. Das sterile Krankenhauszimmer und Dr. McNair. Panik machte sich breit. Ich begann zu hyperventilieren. Ich hatte mich in dem Versuch, Halt zu finden, mit beiden Händen am Waschbecken fest gekrallt. Verschwommene Erinnerungen schwirrten durch meinen Kopf und an meinem inneren Auge vorbei. Ich drohte umzukippen doch ich schüttelte entschlossen meinem Kopf als würde ich so die Szenen, die sich in mein Unterbewusstsein gemogelt hatten, vertreiben können. Und tatsächlich verflüchtigten sich die Schatten meiner wenig erholsamen Sommerferien so langsam. Ich blinzelte ein paar Tränchen weg und atmete erschöpft aus, als ich aus dem Bad und auf mein Bett zu ging. Müde ließ ich mich in die weichen Laken fallen und schlief fast augenblicklich ein.

Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt