Am nächsten Morgen wurde ich von einem Klopfen und der Stimme meines Großvaters geweckt. ,,Mia, mein Schatz. Es ist Zeit zum Aufstehen.", hörte ich ihn sanft durch die Tür sagen. Ich grummelte müde und drehte mich nochmal im Bett um. Ich war gestern nach dem ausgiebigen Spaziergang ziemlich kaputt gewesen, weshalb ich den Rest des Tages in meinem Zimmer mit meinen Hausaufgaben zugebracht hatte. Danach hatte ich nichts weiter getan als einen Disney-Film nach dem Anderen anzuschauen. Irgendwann hatte sich noch Harvey dazu gesellt, weil er sich weigerte wieder runter zu meinen Großeltern zu gehen, da er sich von meinen Omas "belästigt" fühlte. ,,Ständig zupfen sie an mir rum oder tatschen mich an. Fahren mir durch die Haare und so weiter. Normalerweise bin ich mit älteren Damen ja recht nachsichtig, aber als sie angefangen haben, mir an den Arsch zu fassen, is' bei mir 'ne Sicherung durchgebrannt. Ich geh' da nicht mehr runter! Zumindest nicht bis morgen Abend!", hatte er mit dem Gesicht und der Ausstrahlung eines bockigen Kindes entschieden. Und daran hielt er sich. Wenn wir Nachschub in Sachen Knabberkram brauchten, schlich ich mich so leise und vorsichtig wie möglich nach unten und schaffte so viel Junkfood, wie ich tragen konnte in mein Zimmer, um nicht die Aufmerksamkeit meiner Großeltern auf mich zu ziehen. Nicht, dass ich Großeltern nicht gerne hier hatte, ich liebte sie alle 4, aber sie konnten doch sehr anstrengend werden und deshalb war ich glücklich, dass Taze an diesem Abend die Ehre hatte, sie zu unterhalten.
Der letzte Tag des Jahres war also gekommen und das große Fest stand an. Ich war noch keine 5 Minuten auf den Beinen und fühlte mich schon gestresst von diesem Tag. Andererseits freute ich mich auch auf den Rest meiner Familie, den ich nicht für arrogant und überheblich hielt. Meinen Cousin Theodore zum Beispiel. Wir standen uns schon von klein auf sehr nah. Seine Mutter Evangeline war die ältere Schwester meines Vaters und etwas speziell. Sie war still und reserviert, wenn sie unter vielen Menschen war, aber ihr Herz war aus purem Gold. Sie war eine sehr kluge Frau und hatte immer einen guten Rat auf Lager. Sie hat mir so schon einige Teenager-Krisen erspart.
Nachdem ich mein Gesicht gewaschen, meine Haare gekämmt und zu einem lockeren Zopf geflochten hatte, warf ich mir meinen Morgenmantel über, schlüpfte in meine kuscheligen Puschen und schlurfte runter, um etwas zu frühstücken und auch Harvey was mit hoch zu bringen.
Es war circa 14 Uhr, als ich immer noch leger gekleidet in die Küche schlich, um mir etwas zu Mittag zu kochen. In unserem Haus gab es drei Küchen. Eine, die einer Großküche glich und nur genutzt wurde, wenn Feiern wie diese oder Banketts anstanden. Eine etwas kleinere, in der das Personal unsere Mahlzeiten kochte und auch selber aß. Und eine Küche, die zwar immer noch überdurchschnittlich große Ausmaße hatte, aber einer "normalen" Küche am nähsten kam. In dieser Küche konnten wir uns selbst was kochen, wenn wir plötzlich Hunger bekamen. Jeder der 3 Räume war selbstverständlich fabelhaft ausgestattet mit dem besten, was der Markt zur Zeit zu bieten hatte. Und in eben dieser Küche machte ich mir gerade etwas zu Essen, als plötzlich meiner Mutter im Türrahmen stand. Fröhlich sang und tanzte ich zu einem der alten Lieder von Ronan Keating, das gerade im Radio kam, während ich mir Spiegeleier briet, ehe mich ihr Räuspern aufschreckte. Ich erstarrte und drehte mich langsam zu ihr um. ,,Wenn du heute Abend auch so tanzt, kannst du dir einiger Bewunderer sicher sein.", sagte sie und lächelte dabei gezwungen. Mit wachsam geöffneten Augen beobachtete ich sie wie sie durch die Küche stolzierte und sich am Küchentisch niederließ. Ihre schwarzen Lack-Louboutins ließen ihr prägnantes Klackern in meinem Kopf zurück. Den ganzen Tag trug meine Mutter diese Mörderhacken und es schien ihr nicht im Geringsten etwas auszumachen. Ich hatte mich schon oft gefragt, ob sie am Ende des Tages Fußschmerzen hatte, wie jeder normale Mensch, der sich solche Schuhe anzog, oder ob sie so etwas wie Gefühle schon vor langer Zeit abgeschaltet hatte. Sie sah mich noch immer an und versuchte dabei möglichst freundlich auszusehen. Ich fragte mich, ob hier irgendwo ein Kamerateam rumlief oder ob es sonst irgendeinen Grund für ihre Freundlichkeit gab. Sonst gab es für mich keine Erklärung, weshalb sie sich überhaupt freiwillig im selben Raum aufhalten würde wie ich. Auch ihr scheinbarer Versuch auf Konversation irritierte mich. Sie hatte mich bis dato noch nie so tanzen sehen und ich glaubte auch nicht, dass es ihr gefallen würde, wenn ich mich so albern auf einer so wichtigen Feier wie heute Abend so peinlich bewegen würde. Alles in Allem war ihr Verhalten mehr als merkwürdig. Ich bemerkte, dass mich meine Mutter erwartungsvoll ansah. Weil ich davon ausging, dass sie darauf aus war, mir zu sagen, wie ich mich heute Abend zu benehmen hatte, schluckte ich kurz trocken und fragte vorsichtig: ,,Soll ich heute Abend tanzen, Mum?" Ich schaute geradeaus an die edele Tapete. Dann hörte ich sie plötzlich lachen. Überrascht sah ich zu ihr. ,,Wenn du das möchtest, Mia, dann werden ich dir ganz bestimmt nicht im Weg stehen.", sagte sie amüsiert und familiär. ,,Ich hab dir ein Kleid rausgelegt und ich möchte, dass du das trägst. Es wird dir stehen und ich bin mir sicher, dass es Jasper auch gefallen wird." Ihr verschwörerischer Ton machte mich noch etwas skeptischer als vorher. Es war merkwürdig, aber es fühlte sich tatsächlich so an, als ob meine Mutter mit mir über mein Leben und (was noch viel schräger war) mein Liebesleben sprechen wollte. Nachdem ich erstmal kurz überlegen musste, wen sie mit Jasper meinte, kam ich zu dem Entschluss, meine Mutter über dieses Missverständnis aufzuklären. Ich hatte dummerweise ein paar Wortfindungsschwierigkeiten, weil es mir ein bisschen vor ihrer Reaktion bangte. ,,Ja- ähm...was den betrifft...-" Auf einmal stand sie auf und kam auf mich zu. ,,Oh Ameliah, wir sind stolz auf dich, dein Vater und ich." Sie legte ihre schlanken Hände auf meine Schultern. ,,Er ist so ein netter Junge. Es wird bestimmt ein schöner Abend mit ihm. Dein Vater hat sich so gefreut, als er angerufen und für heute zugesagt hat. Schläft er eigentlich bei dir oder sollen wir ein Zimmer für ihn herrichten lassen? Am Besten wir behalten ihn in deiner Nähe, nicht wahr?..." Sie begann zu plappern, sodass ich nicht mehr hinterher kam. Das Einzige, was ich ihrem Gequassel entnehmen konnte, war, dass Davies sich scheinbar ohne mein Wissen bei meinen Eltern gemeldet hatte, um mir den Abend zu versauen. Es war offensichtlich, dass meine Mum schwer von ihm begeistert war und sie so zufrieden und fröhlich zu erleben, war eine Premiere. Ihr Hochgefühl ließ sie offenbar ihre cholerische und gewalttätige Natur vergessen und sich wie eine richtige Mutter verhalten. Ich war von ihrem Enthusiasmus so überrumpelt, dass ich es kaum mitbekam, als sie mich (unglaublich, aber wahr) kurz in den Arm nahm und dann schnell verschwand. Vollkommen verdattert stand ich an die Küchezeile gelehnt, während ich versuchte, das eben Erlebte zu verarbeiten. Ganz klar, irgendwas stimmte nicht mehr mit meiner Mutter. Naja, entweder das oder sie hielt mich endlich mal nicht nur für eine einzige Enttäuschung.
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Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...