Chapter 16

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Nachdem ich mich wieder mit Daisy vertragen hatte, war für die nächsten paar Tage wieder alles im Lot. Ich war zwar immer noch extrem kratzbürstig was Celeste anging aber ich konnte mich mit der Hilfe meiner besten Freundin zusammenreißen. Ich hatte ihr erzählt, was ich hinsichtlich Celeste's Schwärmerei für Freddie empfand und sie hatte mich verstanden und beraten. Emmett hatte Daisy tatsächlich zum Weihnachtsball eingeladen, nachdem ich ihn zum Frühstück zu uns gebeten und etwas nachgeholfen hatte. Tags drauf hatte ich mysteriöser Weise eine Schachtel Pralinen und einen einfachen Zettel mit dem Wörtchen 'Danke' drauf geschrieben auf meinem Bett gefunden. Daisy war zwar nicht über alle Maßen aus den Schuhen gefahren als er sie etwas stammelt gefragt hatte, aber sie sehr froh darüber, dass sie einen Tanzpartner gefunden hatte, der kein absoluter Griff ins Klo war. Ich hingegen war in meiner anfänglichen Begeisterung über die Idee zum Ball zu gehen etwas gedämpft worden. Freddie ging tatsächlich mit Celeste auf den Ball und Virgil hatte Christa gefragt. Damit waren alle meine Freunde für den Ball in festen Händen. Nur ich hatte noch keine Verabredung. Ich gab jedoch die Hoffnung nicht auf, dass Jeff mich noch einladen würde.

Selig atmete ich den frischen Geruch von Jasper Davies' Aftershave ein. Er hatte einen Arm um mich gelegt und fuhr zärtlich mit seinen angenehm rauen Fingern meinen Oberarm auf und ab. mein Kopf lag auf seinen nackten Oberkörper gebettet und ich zeichnete kleine, unsichtbare Muster auf sein entblößtes Sixpack. Wir hatten miteinander geschlafen und ich fühlte mich seltsamerweise mal unverschämt wohl in seiner Nähe. Die Art, wie er mit mir in diesem Moment umging, war ungewohnt sanft, fast schon liebevoll. Es war nicht mein erstes Mal gewesen, aber mit Abstand das beste. Meine Verachtung für ihn war geschrumpft, als ihm bei einer Rummacherei von uns die Skizze, die die Zwillinge und ich für unseren Meisterstreich angefertigt hatten, und die ein großartiges Mittel gewesen wäre, uns endlich von der Schule kicken zu können, aus der Innentasche seines Sakkos gefallen war. Er hätte den Zettel vor ein paar Tagen einfach seinem Onkel geben können, aber er hatte ihn, wie er ihm gesagt hatte, nicht verloren, sondern die ganze Zeit für sich behalten. Er hatte ihn seinem Onkel nur nicht gegeben, weil er mich so in eine Misere gebracht hätte! Auf meinen fragenden Blick hin hatte er gemeint:,, Sieh es als Wiedergutmachung, dafür dass ich so ruppig dir gegenüber war." Und dann war es einfach passiert. Jetzt redeten wir einfach ein bisschen. Doch die ganze Zeit über brannte mir eine Frage auf den Lippen. Nach einer kurzen Pause sah ich meine Chance und fragte ihn leise, ohne ihn anzusehen. ,,Wieso tust du das?" Kurze Stille. ,,Hmm?", kam die verwirrte Gegenfrage. ,,Wieso behandelst du immer alle so schlecht? Von oben herab? Was soll das?", erklärte ich. ,,Weil ich's kann.", sagte er und schmunzelte wahrscheinlich. Ich spürte schon den Zorn in mir hochkochen. ,,Und weil es, meiner Meinung nach, nicht angehen kann, dass die faulen, assozialen Vollprollos dafür belohnt werden, nichts zu tun. Die Elite Englands arbeitet sich Tag und Nacht den Arsch ab, nur damit den armen Sozialhilfeempfängern nicht das billige Bier ausgeht.", sagte Davies' verächtlich. Ich zog die Augenbrauen zusammen. ,,Du arbeitest doch noch überhaupt nicht! Was regst du dich denn darüber auf?" ,,Ich werde aber bald arbeiten. Und dann hab ich nicht die geringste Lust, die ganzen arbeitsscheuen Volltröten, die es im Leben zu keiner vernünftigen Bildung gebracht haben, zu versorgen." ,,Aber da können sie doch nichts für!", empörte ich mich. ,,Doch natürlich. Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied. Wenn die keine Arbeit haben, ist das sehr wohl ihre Schuld." ,,Sag mal, hast du im Politikunterricht etwa nicht aufgepasst, oder was? All diese Menschen sind zum Großteil Opfer der Globalisierung oder Maschinisierung oder was weiß ich geworden. Versteh das doch. Ich kann unmöglich jemanden gern haben, der sich anderen gegenüber so verhällt.", sagte ich sanft. Seufzend setzte Davies sich an den Bettrand und begann sich anzuziehen. ,,Das musst du auch nicht...", meinte er als er sich sein Hemd zu knöpfte. ,,Ich kann dich ja auch nicht leiden." Ungläubig starrte ich ihn an und ich spürte, wie mir heißer wurde. Er schritt auf den Ausgang des Gästezimmers zu, in das wir für unsere amourösen Machenschaften eingebrochen waren und mein Jähzorn kochte über. Rasend vor Wut griff ich nach der Blumenvase, die auf dem kleinen Nachttischchen neben dem Bett stand und schleuderte sie rücksichtslos in Davies' Richtung. Ich verfehlte ihn nur knapp, da er sich geschickt drunter weg duckte. ,,Mistkerl!", schrie ich, als das Porzellan an der Wand zerbarste. Kurz hielt Davies inne als ob er etwas sagen wollte, doch er besann sich eines Besseren und verließ das Zimmer. Dicke Tränen stiegen mir in die Augen, als ich mir die Decke über den Kopf zog und mich komplett darunter zusammen rollte. Ich heulte ein paar Minuten schonungslos. Zum einen Aus Wut und zum anderen aus bodenloser Scham. Ich fühlte mich richtig reudig. Ich hatte mit Davies geschlafen! Es war etwas anderes, wenn wir uns nur küssten. Da hatte ich mich immer noch rechtzeitig rauswinden können, aber diesmal waren wir weiter gegangen. Er hatte es begonnen, aber ich hatte ihn machen lassen. Und verdammt nochmal: es hatte mir gefallen! Dafür hasste ich mich. Es war mir ja alles so peinlich. Ich weinte bitterlich noch ein wenig weiter, als ich entschied, dass ich ich von sowas nicht runterziehen lassen durfte. Ich beruhigte mich langsam und sah dann trotzdem mit schwerem Herzen auf die vor mir liegenden Tage.

Die Woche verflog in Windeseile und ich wurde immer aufgeregter mit jedem Tag, den das Wochenende näher kam. Am Samstagmorgen stand ich um 8 Uhr auf, weil ich erstens genug Zeit haben wollte, mich fertig zumachen, und zweitens aufgrund meiner Nervosität eh nicht länger hätte schlafen können. Also hüpfte ich unter die Dusche und hörte dabei eine meiner absoluten Lieblingsbands, The 1975, sodass ich 20 Minuten später frisch geduscht und guter Laune das Badezimmer verließ. Ich zog die Sachen an, die ich gestern Abend gemeinsam mit meinen Zimmergenossinnen rausgesucht hatte und schminkte mich dezent. Ich drehte die vordersten Strähnen meiner welligen Haare ein und befestigte sie mit zwei Haarnadeln am Hinterkopf. Noch ein letzter kritischer Blick in den Spiegel und ich brach zum Frühstück auf. Ich erreichte den Frühstückssaal und erspähte fast sofort Freddie und Virgil an einem der Tische in einer der hintersten Ecken. Als ich näher heran ging, erkannte ich, dass sie tiefe Schluchten unter den Augen hatten und allgemein ziemlich durch den Wolf gedreht aussahen. ,,Wie seht ihr denn aus?", fragte ich schmunzelnd als ich mich ihnen gegenüber setzte. ,,Was meinst du? Sehen wir etwa nicht so fabelhaft aus wie immer?", konterte Freddie müde. ,,Wir hatten 'ne lange Nacht, Mia. Verurteile uns nicht. Wir haben durchgemacht, während ich versuchte, Freddie bei seinem längst überfälligen Aufsatz für Mr. Baistefield zu helfen." ,,Und da eh schon die Sonne aufging als wir fertig wurden, hielten wir es für unnötig, dann noch ins Bett zu gehen. Deshalb sitzen wir schon seit Dämmerung hier und schauen, wer um welche Urzeit aufsteht.", kompletierte Freddie die Erklärung ihres momentanen Zustands. Ich schaufelte mir weiterhin munter Pancakes auf den Teller, während die Zwillinge eine ihrer liebenswerten Kabbeleien anfingen. Als es Vigil irgendwann zu viel wurde, seufzte er vernehmlich und wendete sich dann, ohne auf einen frechen Kommentar von seinem Bruder einzugehen, an mich. ,,Also, Mia, ich hab' gehört, dass du heute ein Date mit Jefferson Connery hast. Schon aufgeregt?" Ich wurde rot und lächelte schüchtern. ,,Kneif mich mal einer. Das gibt's ja nicht! Ameliah Morrin, sprachlos und schüchtern. Dass, ich das noch erlebe...", witzelte Virgil weiter. Sein Bruder warf mir merkwürdige Blicke zu. ,,Ich glaube nicht, dass er dein Held ist.", sagte er beiläufig, während er sich Butter auf sein Brötchen schmierte. Ich sah ihn einen Moment lang fragend an. ,,Kommt da noch was oder war das wieder nur einer deiner sinnbefreiten Kommentare?" ,,Ich meine, den Helden, der Davies letztens im Musikraum überrumpelt hat. Ich denke nicht, dass das Connery war.", erklärte Freddie einfach. Ich hatte meine Pancakes so schnell wie möglich runtergeschlungen und mit einer Tasse Kaffee runtergespült, weil ich mich schon in 5 Minuten mit Jeff am Shuttle-Stop treffen wollte. ,,Tja,", sagte ich lachend, während ich mich erhob ,, Eine Frau muss halt viele Frösche küssen, bevor sie ihren Prinzen findet." Auf dem Weg nach draußen machte ich noch eine Kurve zum Frühstücksbuffet und nahm mir kurzerhand einen Apfel mit, bevor ich flugs zum Shuttle-Stop marschierte, begleitet von einer Armee Cha-Cha tanzender Schmetterlinge im Bauch....

Als ich die Anlaufstelle der kleinen Stadt-Shuttles erreichte, erwartete Jeff mich bereits mit offenen Armen. Wir umarmten uns einmal fest und unterhielten uns dann locker, bis unser Shuttle kam.

,,Denkst du ernsthaft, dass du mich mit sowas eifersüchtig machen könntest?", murmelte Davies wütend, während er sich mit den Händen auf den kleine Tisch zwischen uns gestützt, zu mir vorbeugte. Ich sah aufgeregt umher und hielt nach Jeff Ausschau, der eben aufgestanden war, um zur Toilette zu gehen. Wir saßen in einem kleine Pub in Aberdeen und hatten bis dato viel Spaß gehabt. ,,Bitte, geh.", flehte ich Davies an. ,,Es läuft gerade so gut bei uns. Du hatest recht. Ich mag ihn. Ich weiß, du magst mich nicht besonders, aber bitte, tu mir diesen einen kleinen Gefallen." Mein Gegenüber zog mürrisch die Augenbrauen zusammen. ,,Du hast Vorstellungen...", begann er verärgert, doch bevor er weiter reden konnte, kam Jeff zu unserem Tisch zurück. Skeptisch musterte er Davies von oben bis unten. Fragend sah er zu mir. ,,Gibt's hier ein Problem?", fragte er ernst und sah zwischen dem Brünetten und mir hin und her. Davies antwortete ihm, brach dabei aber nicht eine Sekunde lang den Blickkontakt mit mir. Ich meinte schon fast Enttäuschung in seinen Augen gesehen zu haben. ,,Nicht mit mir, Proleten-Prinz.", sagte er ruhig und ging seines Weges. ,,So nennst du ihn nicht nochmal, verstanden?", rief ich ihm streng nach. Jeff setzte sich wieder neben mich. ,,Schon gut.", sagte er. ,,Auf Davies' Meinung pfeife ich. Hast du gerade eigentlich versucht mich zu verteidigen?" Ich zuckte mit den Schultern. ,,Ich mag es nicht, wenn jemand meine Freunde angeht.",meinte ich schlicht. ,,Das darf nur ich.", fügte ich grinsend an. Jeff lachte. ,,Es ist beeindruckend, wie du dich für andere einsetzt, Mia. Das gefällt mir auch so sehr an dir.", sagte er und er schien es ehrlich zu meinen, denn langsam aber sicher kamen sich unsere Gesichter immer näher. Er hatte einen Arm um mich gelegt und zog mich daran stetig weiter zu sich. Er schaute abwechselnd in meine Augen und auf meine Lippen. Immer näher kamen wir uns und ich könnte seinen Atem auf meiner Haut spüren. Mein Magen machte Saltos. Dann legten sich seine Lippen auf meine und ich? Ich empfand nichts. Kein Kribbeln. Kein explodierendes Feuerwerk. Nichts. Na toll! Wo hatte ich mich da nur wieder reinmanövriert?

Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt