Den nächsten Morgen hatte ich beim Frühstück beschwingt festgestellt, dass Davies an keinem der vielen der Tische saß und wie üblich seine Eier mit gebratenem Speck aß. Allerdings war es nunmehr eine Sache von Minuten, dass man ihn fand, immerhin würde in 20 Minuten der Unterricht beginnen. Mit einem Ohr folgte ich der Unterhaltung von Celeste und Christa über Ballkleider und Schuhe, Haare und Make-up. Die Tage wurden immer kälter und der Weihnachtsball rückte stetig näher. Ich würde angesichts meiner momentanen Anständigkeit wohl tatsächlich hingehen. Vorausgesetzt, dass ich einen Tanzpartner für den Abend fand. ,,Ich hoffe, dass Freddie mich fragt, ob ich mit ihm hingehe....", säuselte Celeste verträumt. Ich stand auf und ging.
Wir saßen zu sechst beim Mittagessen und genossen entspannt unsere Schweinekoteletts und Kartoffelröstis als Freddie auf einmal aufgeregt zu plappern anfing. ,,Mia, hast du's schon gehört? Heute morgen wurde der Musikkurs , als sie im kleinen Musikraum proben wollten, von einem äußerst angefressenen Jasper Davies überrascht. War wohl schon seit Sonntagmorgen da drinnen. Als Mr. Baistefield ihn drauf angesprochen hat, meinte er wohl, er sei von hinten überrumpelt worden. Angeblich hat man ihm auch die Schlüssel-ID abgeknüpft." ,,Das geht doch auf euer Konto, hab ich recht?", sagte Daisy neben mir ernst. Die Zwillinge warfen sich gegenseitig nur einen Blick zu ehe sie sich ihr mit entrüsteter Miene zuwanten. ,,Also wirklich Daisy, für wie grausam hälst du uns denn bloß?" ,,Das ist Blasphemie!", warf Virgil ihr empört vor. Daisy bäugte sich jedoch nur etwas nach vorn und flüsterte scharf: ,,Hört zu! Rossier beobachtet euch ohnehin schon schärfer als alle Anderen. Wenn der mitkriegt, dass ihr auch noch seinen Neffen angreift, ist eure Schullaufbahn hier schneller beendet, als dass ihr 'Crownswell' überhaupt sagen könnt." Ich hatte die drei für den Augenblick nur beobachtet und glücklich meinen Teller leer geputzt. Als Daisy jedoch eine ausschweifende Rede beginnen wollte, hielt ich sie zurück. ,,Lass gut sein, Daisy. Spar dir die Mühe. Wenn die Jungs nicht freiwillig zugeben, dass sie Davies das Leben schwer gemacht haben, dann haben sie's auch nicht. Obwohl ich nur zu gern wüsste, wer der Held war, der Davies mal die Leviten gelesen hat. Wenn ihr mich fragt, hätte der einen Kuss verdient." Ich wusste, dass ich meinen Freunden nicht erzählen konnte, dass ich Jasper Davies K.O. gehauen und dann im Musikraum eingesperrt hatte. Dann würde ich erklären müssen, weshalb ich mit ihm im Musikraum gewesen bin und weshalb ich ihn geschlagen hab. Nicht, dass meine Freunde nicht auch der Auffassung wären, dass jedes Mal, dass Jasper Davies Schläge kassiert, gerechtfertigt wäre, aber ich war normalerweise nicht gewalttätig. Da wäre es außergewöhnlich, wenn ich erzählen würde, ich hätte einen jungen Mann mit einem Schlag außer Gefecht gesetzt. Ich hörte Freddie und Virgil im Chor seuftzen. ,,Na schön, ich geb's zu. Ich war's, Mia. Ich bin der Held.", sagte Freddie bescheiden. ,,Lüge!", rief Virgil theatralisch, ehe er sich halb auf den Tisch warf und meine Hand griff. ,,Er lügt. Ich bin's gewesen. Küss mich, Prinzessin." , scherzte er. Lachend zog ich meine Hand zurück und fing dabei unfreiwillig Celeste's neidische Blicke auf. Ich stand auf mit den Worten. ,,Tut mir ja furchtbar leid, die Audienz so früh beenden zu müssen, aber die Prinzessin hat jetzt Informatik." Mit einem glücklichen Grinsen ging ich den breiten Hauptgang der Halle entlang. Auf dem Weg warf mir Jeff noch eins seiner charmanten Lächeln zu, sodass ich mit einer Horde tanzender Schmetterlinge im Bauch und einem zarten rosa Hauch auf den Wangen die Cafeteria verließ.
Im Naturwissenschaftstrakt angekommen, wurde ich plötzlich von einem kräftigen Arm in die dunkle Nische eines Erkers gezogen. Bevor ich mich in irgendeiner Hinsicht wehren konnte, kesselte Davies mich wieder mit seinen Armen ein. Es missfiel mir, wie viel Kontrolle er so über mich hatte. Offenbar war ihm das aber auch schon aufgefallen, denn er zog immer wieder die selbe Masche mit mir ab. ,,Du kleines, widerspenstiges Luder. Wenn du mich fragst, steht dir dieses faule Schlampengehabe gar nicht.", sagte er rau. ,,Ich hab dich aber nicht gefragt.", erwiederte ich bockig. ,,Ja, klar. Wieso auch? Stehst ja bekanntlich über sowas. Die großartige Ameliah Morrin braucht ja schließlich von Niemanden Hilfe. Und du nennst mich arrogant." Sein Hohn nervte mich, denn er hatte Recht. Er hatte ja so Recht. Mein Stolz war mein größtes Manko und würde für mich immer die schwerste Hürde sein. ,,Was willst du?", fragte ich eisig. Auf seinen Kommentar einzugehen würde mich verraten. ,,Ach weißt du, ich dachte ein kleines Schwätzchen mit dir wäre doch ganz reizvoll. So interessant, bezaubernd, klug und schön wie du bist....", schmalzte er sarkastisch. ,,Was denkst wohl, was ich will? Noch einen Kuss, weil der letztens so toll war?" Ich musste schlucken. ,,Dafür, dass du so tust, als wärst du nur auf deine Schlüsselkarte aus, sprichst du auffallend oft von mir und dem Kuss.", räumte ich leichthin ein. ,,Gott sei's geklagt, aber ich muss dich, wie's aussieht in beider Hinsicht enttäuschen. Zum Einen musste ich mich nach dem Kuss in der Umkleide solange duschen bis meine Haut so trocken war wie Sandpapier, um mich wenigstens wieder halbwegs sauber zu fühlen. Glaub mir, das will ich nicht nochmal. Und zum Anderen hab ich deine Karte nicht mehr. Ich hab sie ausversehen im Sekretariat in den Schredder fallen lassen.", flunkerte ich. Davies' grüne Augen sahen mich ungerührt an. ,,Du bluffst!", sagte er trocken. ,,Du würdest sowas nicht machen. So dumm bist nicht mal du." ,,Pff..Was weißt denn du? Du bist auch kein Einstein! Du bist auch nur hier, weil dein reicher Daddy deinen Onkel bestochen hat, du ekelhaftes, arroga-" Sein Mund, der sich auf meinen drückte, unterbrache mich barsch. Seine Lippen raubten mir auf unerklärliche Weise den Verstand. Meine rationale Denkweise ging über Bord und mein Körper übernahm die Führung. Meine Arme wanden sich automatisch um seinen Hals, um ihn noch näher an mich heranzuziehen. Auch seine Hände lösten sich von der Wand und legten sich um meine Taille. Er zog mich weiter an sich und dieses Gefühl entzündete ein Feuerwerk in meinem Bauch. Voll und ganz genoss ich jede einzelne Sekunde, die dieser Kuss anhielt. Ganz plötzlich löste Davies sich aus dem Kuss und entfernte sich süffisant grinsend etwas von mir. ,,Ich denke, die hier ist meine.", wisperte er feixend und hielt seine Schlüssel-ID hoch. 'Scheiße! Wie hat er das gemacht?!', schrie ich in Gedanken frustriert. Was war bloß mit mir los, dass ich so unmerksam wurde, wenn er in meiner Nähe war? Wütend visierte ich ihn aus zu Schlitzen verengten Augen an. ,,Weißt du eigentlich, wie sehr ich dich hasse?", knurrte ich. Davies grinste jedoch wieder nur breit und ließ seine Lippen wieder auf meine sinken. In dem Moment, in dem er mich wieder an sich zog, vergaß ich alles um mich herum. Es war als ob, die Welt um uns gar nicht da wäre, als ob alles, was jemals zwischen ihm und mir gestanden hat, nie existiert hätte. Es schien nichts mehr von Bedeutung zu sein, außer ihm, mir und dem Kuss. Auch nicht, dass wir eigentlich schon im Unterricht sitzen sollten oder dass wir uns eigentlich gegenseitig verachteten. Als sich dann nach Minuten mein Verstand aus seiner Pause riß und mir klar wurde, was und vor allem mit wem, ich es das gerade tat, stieß ich Davies von mir. ,,Scheiße! Das ist doch krank! Ich kann das nicht.", rief ich und drehte mich zum Gehen um als er mich am Handgelenk packte und zu sich zurück zog. ,,Komm schon, Babe. Du musst schon zugeben, dass die Chemie zwischen uns beiden einfach stimmt." Ich schnaubte verächtlich. ,,Also erstens: Nenn mich nie wieder 'Babe'. Vollkommen herablassend finde ich diesen Spitznamen,", wetterte ich wütend als ich mich von ihm riß und ihm vor die harte Brust stieß. ,,Und zweitens stimmt zwischen uns beiden rein garnichts!" Dann drehte ich mich schnell um und ging flugs weiter zum Klassenraum. Auf halber Strecke hatte Davies mich, seinen langen Beinen zu verschulden, eingeholt. Leger joggte er neben mich. ,,Kannst du bitte aufhören, mich zu verfolgen?", zickte ich ihn an. Er legte freundschaftlich einen Arm um meine Schultern. ,,Tinkerbell, Du bist ja noch selbstbefangener als ich.", sagte er lachend. ,,Schon vergessen, dass wir im selben Kurs sind?" Ich errötete leicht und stieß seinen Arm von meiner Schulter. Antworten tat ich nicht.
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Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...