In den folgenden Wochen hatte ich versucht, mehr über den Inhalt des Gesprächs von Davies und Freddie zu erfahren. Ich war meinem besten Freund in bester Geheimagenten-Manier gefolgt, jedoch ohne Erfolg. Nichts was er tat, war irgendwie verdächtig. Ich beschloss, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, auch wenn mir die Unterredung der beiden jungen Männer nicht aus dem Kopf gehen wollte.
Stattdessen gab ich mich dem Stress der Abschlussvorbereitungen hin. Während meine Mitbewohnerinnen sich jedoch in Selbstmitleid ertränkten, weil sie kein Kleid finden konnten, steckte ich all meine Energie in die Organisation des vielversprechenden Abschlussballs, weil ich wusste, dass meine Mutter wieder das schönste Kleid besorgen würde, das der Markt gerade aufzuweisen vermochte. Taze hatte mir letztens erst erzählt, dass Mum zuhause schon seit Wochen auf der Suche nach dem perfekten Kleid für mich wäre. Dabei hatte ich noch nicht mal eine Begleitung. Ich hoffte ja, dass Freddie mich noch fragen würde, aber der ging vermutlich eh davon aus, dass wir gemeinsam hingehen würden. Ich war aber dennoch ein Mädchen und wollte angemessen gefragt werden. Das wollte ich mir nicht nehmen lassen.
Ein Tag nach dem anderen ging vorüber und so langsam wurde ich tatsächlich etwas unruhig. Ich fragte mich, ob Freddie wirklich davon ausging, dass wir zusammen zum Ball gehen würden, weil er nicht mal im Geringsten Andeutungen in die Richtung machte. Hatte er vielleicht schon jemand anderes gefragt? Ich hoffte nicht. Ich wollte nicht allein dort aufkreuzen, aber mit irgendeinem x-beliebigen Mitschüler wollte ich mich auch nicht zufrieden geben. Wahrscheinlich würde ich doch noch meinen Stolz überwinden und Freddie selbst fragen müssen. Ich entschloss mich, ihn beim Abendessen mal unauffällig zu fragen und betete, dass ich nicht zu spät war.
Es war früher Nachmittag und ich hatte gerade das letzte Telefonat mit dem Catering für den Abschlussball hinter mich gebracht. Ich war vollkommen fertig. Ich hätte nicht gedacht, dass der Job als Vorsitzende des Abschlussball-Komitees SO anstrengend sein würde. Ich musste mich entspannen. Ich brauchte dringend frische Luft. Also packte ich meine Sachen zusammen und ging runter zum Fluss. Ich ließ mich locker auf eine Holzbank fallen und schloss die Augen, während ich mir die Junisonne auf's Gesicht scheinen ließ. Eine kleine Weile verging bevor sich jemand zu mir gesellte. Ich öffnete kurz mein rechtes Auge, um zu sehen, wer meine Einsamkeit störte. Zu meiner Freude saß Freddie neben mir auf der Bank und tat es mir gleich, als er sein Gesicht gen Sonne hielt. Eine Zeit lang verblieben wir still, saßen nur schweigend nebeneinander und genossen die Gegenwart des anderen.
,,Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass ein gewisses, mir bekanntes Mädchen noch keine Begleitung zum Abschlussball hat.", hörte ich meinen besten Freund plötzlich neben mir sagen. ,,Ach tatsächlich? Ist ja verrückt...", antwortete ich trocken. ,,Und was hast du jetzt vor zu tun?", fragte ich so beläufig wie möglich. Freddie seufzte vernehmlich. ,,Komm Mia, mach's mir nicht so schwer. Du weißt, ich bin nicht gut in sowas.", flehte er schon fast. Ich drehte meinen Kopf in seine Richtung und sah ihn an. Ich zog spöttisch eine Augenbraue hoch. ,,Dann ist ja jetzt die perfekte Gelegenheit, es zu üben. So einfach kriegst du von mir kein Ja. Da kannst du mich so lange mit deinem Dackelblick anschauen wie du willst..." Freddie schnalzte zur Antwort genervt mit der Zunge. Unerwarteterweise tat er aber wie geheißen. Ohne Vorwarnung schmiss er sich vor mir ins Gras und griff überenthusiastisch nach meiner Hand. ,,Ameliah Morrin, oh du beste Freundin von allen. Würdest du mir die Ehre erweisen und mit mir auf den Abschlussball gehen?", schmalzte Freddie. Dann wurde er wieder ernster. ,,Und wie war das?", fragte er scherzhaft, während er aufstand und sich wieder neben mich auf die Bank setzte. ,,Wären wir im 19.Jahrhundert in irgendeinem Schmonzettenroman, wär es echt gut gewesen. Aber da wir das ja dummerweise nicht sind, war es ein bisschen dick aufgetragen. Weniger wäre in diesem Fall wirklich mehr gewesen. Aber es war OK.", neckte ich ihn. ,,War es denn nun wirklich so schwer?" Freddie kratzte sich verlegen am Hinterkopf. ,,Nein, war es nicht. Aber eigentlich hatte ich gedacht, dass wir eh zusammen hingehen würden. Daisy meinte aber letztens zu mir, dass ich lieber noch mal sicher gehen und dich fragen sollte." Ich musste lachen. ,,Daisy ist wirklich ein Engel. Ich hatte schon Angst, du würdest gar nicht daran denken, sodass ich dich fragen müsste.", erklärte ich Freddie, weil er mich total verdattert ansah. ,,Oh, wie ich es genossen hätte, wenn du mich gefragt hättest! Das wäre mein absolutes Highlight dieses Jahr gewesen!", lachte Freddie. Danach unterhielten wir uns noch eine Weile. Ich erzählte ihm, wie mich die ganze Arbeit am Abschlussball auslaugte und wie froh ich war, dass es bald vorbei sein würde. Er verriet mir, was er nach der Schule vorhatte, denn bisher hatte Freddie nie so wirklich einen festen Plan gehabt. Virgil träumte seit er 15 war davon, mal Jura zu studieren, um vielleicht sogar Richter zu werden. Sein Bruder hingegen hatte sich nie entscheiden können. Ein Tag lang war sein Traumberuf Arzt, am anderen Busfahrer oder Farmer. Jetzt hatte er sich aber wohl wirklich für Ingenieur für Luft-und Raumfahrttechnik entschieden. Und das meinte er ernst. Zuerst war ich überrascht über diese Berufswahl, doch je mehr ich darüber nachdachte, desto besser konnte ich mir Freddie dabei vorstellen, wie er Pläne für Raketen und Flugzeugturbinen zeichnete.
Als er mir voller Stolz erzählte, dass er sogar schon eine Zusage erhalten hatte, begann ich drüber nachzudenken, was ich nach dem Abschluss mit mir anfangen wollte. Ich hatte mich um ehrlich zu sein, noch nicht wirklich mit dem Studium oder Ähnlichem beschäftigt und erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich damit jetzt wahnsinnig meinen Freunden hinterher hang. Alle waren sich bereits sicher, wie ihr Weg nach der Schule weitergehen würde: Daisy wollte Anthropologin werden, Emmett hatte sich in Edinburgh für Informatik und Maschinenbau eingeschrieben, Christa wollte Skandinavistik studieren und in Schweden die Spuren ihrer Herkunft erforschen. Sogar Celeste hatte sich schon einen sehr detailierten Ablaufsplan zurecht gelegt. Sie wollte nach Amerika zurück gehen und dort Modedesign in New York studieren. Alle meine Freunde hatten ihre Zeit nach dem Abschluss, nach dem Ende einer Ära, bereits fest verplant und ich hatte weder Plan noch Idee. Ich hatte versucht, den Gedanken an das Ende meiner Schulzeit so lange wie möglich zu verdrängen. Es war die schönste Zeit meines Lebens und dass es meinen Freunden scheinbar so leicht fiel, das alles hinter sich zu lassen, verletzte mich seltsamerweise. Ich wollte nicht gehen. Ich wollte diesen Teil meines Lebens noch nicht beenden, doch leider folgt auf jede Verdrängung auch das böse Erwachen, das jede Blase zum Platzen brachte. In meinem Fall brachte Freddie eben dieses mit sich. ,,Und hast du schon was gefunden, Mia?", fragte er mich locker. Ich schämte mich sogar ein bisschen dafür, nichts vorweisen zu können. ,,Nein.", murmelte ich und sah dabei zu Boden. ,,Vielleicht mach ich erstmal ein Jahr Pause. Sammel ein paar Erfahrungen, mach ein bisschen Urlaub und so. Dann schreib ich mich irgendwo ein. Ich muss mich erstmal von dem ganzen Stress erholen.", fügte ich dann etwas sicherer an. Das klang wenigstens so, als hätte ich mir Gedanken gemacht. ,,Na das hört sich doch nach nem Plan an. Da hätte ich auch drauf kommen müssen!", lachte Freddie und schlug sich scherzhaft die Handfläche gegen die Stirn. Wir scherzten danach noch eine kleine Weile rum, ehe wir uns auf den Weg zum Abendessen machten.
Bereits am Tisch hatten meine Mitbewohnerinnen mir die Ohren vollgejault. Angeblich war mein Kleid für den Ball angekommen und sie konnten es kaum fassen als sie sahen, was für ein Kleid meine Mutter da wieder aufgetrieben hatte. Sie verlangten, dass ich es nach dem Essen sofort einmal anzog, damit sie es bestaunen konnten. Ich musste zugeben, dass ich auch ziemlich darauf gespannt war. Wenn es etwas gab, dass ich an meiner Mutter schätzte, dann war es ihr unumstößlicher Wille, dass ihre Kinder immer die bestgekleideten Menschen in einem Raum waren. Ich versprach ihnen, das Kleid sofort anzuziehen, wenn wir wieder auf dem Zimmer waren. Damit beruhigten sie sich. Aber auch nur solange bis ich aufgegessen hatte. Dann zerrten sie mich alle drei zu unserem Schlafsaal.
DU LIEST GERADE
Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...