Ich öffnete die Tür zum Gastraum und mir schlug die warme und stickige Luft entgegen. Die vielen verschiedenen Geräusche und Gerüche benebelten meine Sinne. Ich hörte angeregte Unterhaltungen, irgendwo weinte ein kleines Kind herzzerreißend, während ich an anderer Stelle eine junge Frau lauthals lachen hörte. Es roch nach warmen Essen, Zimt und Kardamom, Schweiß und Davies. Er ging dicht hinter mir , sodass ich sein teures Aftershave riechen konnte. Ihn umgab ein Geruch von Meer und Frische, den ich so mochte und dem ich immer wieder zum Opfer fiel. Auch in diesem Moment konnte ich den Drang nicht unterdrücken, zu überlegen und mir auszumalen, wie es wohl wäre, wenn er bei uns bleiben würde. Wenn er neben mir säße und mir dieser Geruch wieder den Verstand rauben würde. Würde ich mich wohl fühlen? Wäre es schön? Oder wäre es so, wie ich es, zynisch wie ich nunmal war, erwartete? Schräg und unbehaglich? Ich war so in meine Fantasien vertieft, dass ich Davies' Hand, die auf meinem Rücken lag, gar nicht bemerkte. Ich spürte nur die wohlige Wärme, die sich von dort aus über meinem ganzen Körper verteilte.
Ich hatte keine Zeit mehr, weiter nachzudenken, da wir den Tisch meiner Familie erreichten und sich sofort alle Augen auf Davies und mich richteten. ,,Mia?", fragte mich mein Großvater, als ich zum Stehen kam. ,,Ist alles in Ordnung, mein Kind? Warum starrst du denn so apathisch auf den Teppich?" Als ich immer noch nicht antwortete, spürte ich wie Davies mir einmal vorsichtig in die Seite stach, damit ich reagierte. Das funktionierte und ich sah erst fragend zu ihm und dann zu meinem Großvater, nachdem mein Mitschüler mit einer Kopfbewegung in seine Richtung gedeutet hatte. Ich schüttelte kurz hektisch den Kopf, sodass meine Haare noch etwas unordentlicher wurden, als sie es eh schon waren. ,,Entschuldige, Opa. Es ist alles gut.", sagte ich entschuldigend. ,,Ich habe nur ein bisschen Kopfschmerzen.", fügte ich mit einem Seitenblick zu Davies an, der sich sein Grinsen kaum verkneifen konnte. Es machte ihm Spaß, mich zu vor meiner Familie zu quälen und verlegen zu machen, das wusste ich. Er hätte wahrscheinlich wahnsinnig Lust darauf, sich jetzt zu meinen Großeltern zu sitzen und sich einzuschmeicheln, während er ihnen auf charmante Art und Weise peinliche Geheimnisse über mich entlockte. Deshalb hoffte ich inständig, dass er sich an die Abmachung halten würde, die ich ihm eben aufgezwungen hatte. ,,Oh Schätzchen, brauchst du eine Aspirin? Ich müsste noch ein oder zwei dabei haben.", sagte meine Oma besorgt. ,,Nein nein. Es geht schon.", winkte ich ab, während ich mich wieder auf meinem Platz niederließ. ,,Jasper, wollen Sie sich nicht auch setzen?", wandte sich meine Mutter in ihrer perfekt gespielten, freundlichen Maskerade an Davies, der etwas verloren im Gang stand. Ich sah wieder sein verschmitztes Grinsen und mein Herz rutschte mir in die Hose aus Angst, er würde sich wirklich setzen. Doch dann sah er zu mir und als er in meine erschrockenen Augen schaute, verschwand das Grinsen und er setzte ein simples aber höfliches Lächeln auf. Er räusperte sich kurz. ,,Das würde ich in der Tat sehr gerne, Madame, aber meine Familie erwartet mich. Deshalb muss ich Sie leider verlassen. Es hat mich sehr gefreut Sie alle kennen zu lernen. Es wird sich aber bestimmt noch eine andere, bessere Gelegenheit bieten, sich ein wenig zu unterhalten." Seine grünen Augen, die im Flimmerlicht des Lokals geradezu zu leuchten schienen, hielten mich die ganze Zeit fixiert. Ich schenkte ihm ein dankbares Lächeln. ,,Zweifellos.", schaltete sich jetzt auch mein Vater ein. ,,Hätten Sie nicht vielleicht Lust, zu unserer Silvesterfeier zu kommen? Es wird ein rauschendes Fest und Sie sehen mir wie ein junger Mann aus, der weiß wie man sich amüsiert." Er lächelte ihn mit dem unverwechselbaren Morrin-Lächeln an, das die ganze Familie schon in die Wiege gelegt bekommt. Ich spürte, wie Davies mit Blicken nach meiner Meinung fragen wollte, aber ich sah nicht zu ihm, weil ich einfach viel zu sehr damit beschäftigt war, meinen Vater fassungslos anzustarren. Das sah ihm so ganz und gar nicht ähnlich. Sonst lebte mein Vater lieber hinter verschotteten Türen, ging nur zu wichtigen Ereignissen und zur Arbeit aus dem Haus und öffnete die Tore des Anwesens nur zweimal im Jahr. Einmal zum Sommerempfang und das andere Mal zur Silvestersause. Zu beidem kam man nur mit ausdrücklicher, schriftlicher Einladung und jetzt lud er einen Jungen ein, den er kaum 3 Sätze hatte sagen hören, nur weil er behauptete mein Freund zu sein. Das kam mir mehr als spanisch vor. ,,Vielen, vielen Dank, Sir. Ich fühle mich wirklich geehrt. Ich werde mal schauen, ob ich kommen kann. Ich bin mir nicht genau sicher, ob ich bei meiner Familie nicht irgendwo eingespannt bin.", erwiderte Davies höflich, als er von mir keine Reaktion bekam. Mein Vater machte eine wegwischende Handbewegung. ,,Ach was, das ist doch keine große Sache, mein Junge. Wenn du mehr weißt, gib einfach Mia Bescheid, damit wir wissen, ob du kommst. Es wäre uns eine Freude, nicht wahr Liebling?" Meine Mutter machte einen zustimmenden Laut. Ich war so davon überrascht, dass mein Vater so außergewöhnlich nett und gesprächig war und dass er mich Mia genannt hatte, dass ich gar nicht bemerkte, wie Davies sich verabschiedete und ging. Meine Eltern nannten mich nicht Mia. Wenn sie mich Ameliah nannten war das schon das höchste der Gefühle. Für gewöhnlich war ich nur 'Du' oder 'Das Mädchen'. Den Kosenamen meiner Freunde für mich aus meines Vaters Mund zu hören, war eine Premiere. Zumindest soweit ich mich erinnern konnte.
,,Ein netter junger Mann.", sagte meine Oma verträumt und brach damit meine kleine Starre. ,,Allerdings, Mum.", stimmte ihr meine Mutter zu. ,,Kaum zu glauben, dass Ameliah ihn so lange vor uns versteckt gehalten hat.." Taze war bis jetzt die ganze Zeit still gewesen. Bis jetzt. ,,Ja, wirklich kaum zu glauben...", murmelte er und sah mich dabei ziemlich verärgert an. Ich würde mir heute Abend noch was anhören müssen und das würde äußerst unangenehm für mich werden.
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Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...