Später am Abend saß ich gemeinsam mit Daisy in einem der Aufenthaltsräume auf einer Couch und machte Hausaufgaben als mir siedend heiß etwas einfiel: Davies hatte immer noch meine Schlüsselkarte! ,,Verdammt!", sagte ich laut. 'Verfluchtes Arschgesicht', dachte ich wütend als ich vom gemütlichen Sofa aufsprang. Daisy sah mich skeptisch an. ,,Was ist los?", fragte sie amüsiert. ,,Nichts. Schon in Ordnung. Ich bin gleich wieder da.", sagte ich abwesend als ich auf die Tür zuging. Auf dem Flur zog ich meine Hand aus meiner Hosentasche und sah mir Daisy's Schlüsselkarte an. Gott sei dank hatte sie nicht gemerkt, dass ich sie mir unauffällig genommen hatte. Das hätte eine Menge Erklärung gebraucht.
Die Rugby-Mannschaft von Crownswell hatte gerade Training und ich hatte mir in den Kopf gesetzt, Davies dort abzufangen und mir meine Schlüsselkarte zurückzuholen. Mit Hilfe von Daisy's Karte machte ich mich also auf zu den Herrenumkleiden beim Rugbyfeld. Ich lehnte mich an eine Ziegelwand, die so einen Schatten warf, dass man mich nur bei genauerem Hinsehen erkennen konnte, und wartete. Einer nach dem Anderen verließ die Mannschaft die Umkleiden. Gregory Pouter, Kyle Adams, Pete Cooper, William Carmichael. Joe und Jim Greene. Aber von Davies war keine Spur. Hatte er das Training heute etwa geschwänzt? Sonst fehlte er doch nie. Ich nahm all meinen Mut zusammen und stieß mit dem Fuß die Tür zur Kabine auf, die nicht ganz zugefallen war, da sich ein Stein zwischen tür und Rahmen geschoben hatte. Ich war darauf gefasst gewesen einen leeren Raum vorzufinden, sobald ich die Tür soweit geöffnet hatte, dass ich reinsehen konnte. Von daher war ich auch mehr als überrascht einen Oberkörper freien Jasper Davies gegenüber zu stehen. Er trug nur eine schwarze Jeans und trocknete sich mit einem Handtuch die braunen Haare. Ich bin zwar schon immer ein ziemlich vorausschauender Mensch gewesen, der sich meistens auf viele unterschiedliche Situationen vorbereitete, aber damit gerechnet Davies so anzutreffen, hatte ich nicht. Mein Gegenüber schien nicht minder erschrocken als ich, jedoch fing er sich schnell wieder und beobachtete mich wie immer mit seinem überheblichen Lächeln.
,,Gib mir meine Karte zurück.", fordete ich gebieterisch nach einem Moment sturen Blickkontakts mit Davies. ,,Ich weiß nicht. Einerseits hast du dich vorhin bei Rossier artig an meine Regeln gehalten, aber andererseits macht es mir verboten viel Spaß, dich leiden zu lassen." Er grinste gehässig. Es freute ihn, dass er gerade so viel Kontrolle über mich hatte, mich zum Betteln bringen könnte, wenn er wollte. Er neigte seinen Kopf ein wenig, ganz so als würde er abschätzen, welche Entscheidung wohl die Klügere wäre. Er wusste, dass er mich damit Höllenqualen durchleiden ließ und ich wusste, dass genau das seine Absicht war. Ich würde langsam mächtig unruhig. Ich wollte meine Schlüsselkarte zurück. ,,Was soll das?", fragte ich den Jungen mit den grünen Augen erschöpft. ,,Was bringt dir die Karte überhaupt? Du hast doch selber eine. Und außer, dass du mir damit das Leben schwer machst, dass du sie mir weggenommen hast, ist sie doch total wertlos für dich." Mene Stimme bebte leicht, weil in mir gerade der Gedanke geschlüpft war, dass Davies vielleicht auf die Idee kommen könnte, die Karte zu zerbrechen. Würde er sie kaputt machen, wäre das mein Ende. Die Schlüssel-ID zuverlieren, war das Schlimmste, das einem Schüler passieren konnte. Nicht nur war es eine peinliche Schande, es war auch noch eine Heidenarbeit und kostete ein kleines Vermögen eine neue anfertigen zu lassen. Ich hatte meine Karte die ganzen 4 jahre, die ich sie jetzt schon hatte gut gepflegt und sie jetzt zu verlieren schien mir nicht nur peinlich, sondern auch unnötig zu sein. ,,Keine Sorge, meine liebe, kleine Tinkerbell.",sagte Davies vergnügt.,,Ich erwarte nur ein paar klien Gefallen von dir und hast du deine Karte im Handumdrehen zurück." Er hatte sein Handtuch auf seine Schultern rutschen lassen, als ich in die Kabine geplatzt war, und begann sich jetzt wieder die Haare trocken zu rubbeln. ,,Das kannst du nicht machen...", warnte ich ihn fauchend. ,,Oh nein. Natürlich kann ich das nicht. Der Schulleiter hasst mich. Und dass mein Vater dem Schulvorstand vorsitzt, macht es für mich erst recht schwer.", jammerte er sarkastisch. ,,Sieh's ein, Morrin. Du kannst mir nichts anhaben." Ich schnappte ungläubig nach Luft. Kaum zu glauben: Da brüstete er sich tatsächlich auch noch damit, dass seine Sippe die ganze Schule infiltriert zu haben schien. ,,Du bist so ein ekelhaftes-" ,,- arrogantes Arschgesicht.", beendete er meine Hasstirade. ,,Ich weiß. Ernsthaft, Morrin, lass dir mal was Neues einfallen. Es wird allmählich langweilig." Davies steckte sich dabei eine Zigarette zwischen die Lippen und zündete sie mit seinem goldenen Harley-Davidson- Feuerzeug an. Entnervt schnalzte ich mit der Zunge und verschränkte meine Arme vor der Brust. ,,Schön, was willst du? Aber irgendwelche Perversitäten kannst du sofort vergessen." Er lachte kurz trocken.,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass es jetzt an mir war, überheblich zu sein. Meine Stirn legte sich in Falten und meine Lippen kräuselten sich. Abschätzig musterte ich seinen nackten Oberkörper von oben bis unten.,,Und DAS ist der ach-so-umwerfende Körper, mit dem du dir das holen willst, ja?", gab ich spöttisch zurück. Die feinen Züge meines Gegenübers verdunkelten sich mit einem Mal. Plötzlich kam er auf mich zu, schloss seine eine Hand fest um meine Handgelenke während er mich gegen die harte Holztür hinter mir drückte und mit der anderen Hand abschloss. Er nahm einen letzten Zug an seinem Glimmstängel und bließ mir den kalten Rauch ins Gesicht während er seinen Körper gegen meinen stemmte und mich von oben herab betrachtete.,,Mein ach-so-umwerfender Körper könnte Dinge mit dir anstellen, die dich um den Verstand bringen würden. Du würdest glauben, du wärst im Paradies, wenn ich mit dir fertig wäre.",murmelte er gegen meine vollen Lippen. Ungerührt hielt ich seinem Blick stand. ,,Träum' weiter Arschloch." Damit hatte ich Davies wohl ein Stück zu sehr provoziert, denn er drückte plötzlich seine warmen Lippen auf meine und seine Zunge suchte sich grob einen Weg in meinen eh schon leicht geöffneten Mund. Zu meinem großen Entsetzen spürte ich meinen Körper fast augenblicklich auf Davies' Nähe reagieren. Ich schmeckte den kalten Rauch der Zigarette auf meinen Lippen, jedoch mischte sich auch noch ein anderer, süßerer Geschmack mit dem des bitteren Tabaks, der dafür sorgte, dass ich den Kuss automatisch erwiederte. Wenige Momente erwachte ich aus meiner Starre und als ich wieder Herrin meiner getrübten Sinne wurde, drehte ich erschrocken meinen Kopf weg. Zitternd stand ich von seinen starken Armen an der Tür fixiert. Es gefiel mir ganz und garnicht, wie viel Kontrolle er im Moment über mich hatte. Davies verteilte jetzt leichte Küsse über meine Wange und Kiefer und meinen Hals hinunter. Sein heißer Atem kitzelte mich auf der Haut. ,,Der prollige Geruch der Neureichen klebt an dir. Is' ja ekelerregend..", raunte er mit seiner rauchigen Stimme gegen meine Kehle. Ich stieß ihn von mir. ,,Ich sagte doch, ich kann mir holen, was ich will.", sagte er höhnisch. Im Bruchteil einer Sekunde war ich auf ihn zu gehastet und schlug ihm ins Gesicht. Aber keine flache Hand. Nein, die härteste Faust, die ich jemals hatte aufbringen können, traf ihn direkt auf den Wangenknochen. Er hatte nichts anderes verdient. ,,Irgendwann, Davies, irgendwann habe ich nichts mehr zu verlieren und dann kriegst du das als Erster zu spüren.", zischte ich ihm erbittert ins Gesicht bevor ich stürmisch die Umkleide verließ und die schwere Tür hinter mir zu schlug.
Schwer atmend hetzte ich durch die Flure zurück zu meinem Zimmer. Mein Herz raste als gäbe es kein Halten mehr. Mit jedem Schlag erinnerte es mich an die Scham, Davies geküsst zu haben. Das hätte nie passieren dürfen. Und die ganze Zeit hielt mir eine innere Stimme, die ich das erste Mal nach meiner Zeit im Krankenhaus diesen Sommer gehört hatte, vor, ich sei eine miese, furchtbare Verräterin. Eine einfach zu habende Schlampe, die man nur zu küssen brauchte, damit sie willig wurde. ,,Wenn deine Freunde das hören, werden sie dich verstoßen...", rief diese Stimme spöttisch. Nein! Meine Freunde durften niemals erfahren, was heute geschehen war. Und ich bräuchte es ihnen auch nicht zu sagen. Davies hatte sich bloß wieder über mich lustig gemacht, seine Mätzchen an mir ausgelebt. Daran war nichts außergewöhlich. Es gab keinen Grund, meine Freunde damit zu nerven. ,,Ach, und das es dir gefallen hat, wie er dich geküsst hat, ist auch egal, oder was?", fragte diese ätzende Stimme wieder. ,,Tch, halt's Maul", grummelte ich vor mich hin. ,,Ich hab' doch noch gar nichts gesagt...", sagte eine reale Stimme hinter mir heiter. Ich sah über meine Schulter hinter mich. Dort kam Jeff mit einem warmen Lächeln auf mich zu. ,,Oh Jeff. Nein. Ich hab nur mit mir selbst geredet.", klärte ich ihn peinlich berührt auf.,,Was gibt's?" Er kratzte sich verlegen am Hinterkopf und wurde sogar etwas rot als er sagte: ,,Ja,ähm. Ich wollt' fragen, ob du nicht vielleicht Lust hast am Wochenende mit mir in die Stadt zu fahren..." Es war süß, wie er leicht stammelte. Und ich spürte ein Kribbeln im Bauch als er mich aus erwartungsvollen brauen Knopfaugen ansah. ,,Du meinst, wie ein Date?", fragte ich schmunzelnd. ,,Wenn du magst.." ,,Liebend gern!", sagte ich freudig und schenkte Jeff ein strahlendes Lächeln. Er atmete erleichtert aus. ,,Cool. Fabelhaft. Passt es dir am Samstag nach dem Frühstück?" Als Antwort nickte ich eilig. ,,Super! Dann sehen wir uns spätestens Samstag.", grinste Jeff ehe er weiter seines Weges ging.
,,Mia!! Wo bist du denn gewesen?!", rief Daisy erschrocken als ich gerade durch die Tür in unseren Schlafsaal kam.,, Ich hab mir Sorgen gemacht." ,,Entschuldige, Daisy. Mir war übel. Da wollte ich ein bisschen frische Luft schnappen. Es is alles wieder gut. Keine Angst.", log ich. Meine beste Freundin lächelte erleichtert. ,,Gut, kannst du dann vielleicht nochmal mit mir in die Bibliothek kommen? Ich hab wohl meine Schlüsselkarte verloren.", fragte sie schüchtern. ,,Oh stimmt!", sagte ich schnell und zog ihre Karte aus meiner Jackentasche. ,,Die hab ich eben draußen auf'em Flur gefunden. Du solltest besser auf die Karte aufpassen, Daisy." Eigentlich war es falsch von mir, sie deshalb zu mahnen. Immerhin hatte ich sie geklaut und hatte meine (wie mir gerade selbst wieder schmerzlich einfiel) eigene ID selbst nicht, da ich kürzlich zu unaufmerksam gewesen war. Ein glückliches Funkeln trat in Daisy's hellbraune Augen, als sie ihre Schlüsselkarte in meiner Hand erkannte. Ohne Vorwarnung fiel sie mir um den Hals. ,,Oooooooh, Mia!! Danke, danke, danke! Was würde ich nur ohne dich machen? Du hast mich gerettet. Wenn du nicht gewesen wärst, wäre die Karte bestimmt jetzt weg ." 'Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du die Karte gar nicht erst vermisst..', dachte ich schuldbewusst. ,,Ach ja, und ich glaube Freddie sucht dich. Er hat vorhin nach dir gefragt.", merkte Daisy noch Freude strahlend an. ,,Am besten du schaust mal, ob du ihn findest. Es schien wichtig zu sein." ,,Klar, bin so gut wie we-", begann ich fröhlich. Doch dann kam mir wieder schlagartig in den Sinn, dass Davies immer noch meine Schlüssel-ID hatte. Ich stöhnte genervt. ,,Was ist?", fragte Daisy fürsorglich. ,,Mein Magen. Ich leg mich besser einfach schlafen. Ich rede morgen mit Freddie." ,,Soll ich bei dir bleiben, Mia?", rief Daisy mir noch nach, doch ich schloss bereits die Zimmertür hinter mir, als ich sagte: ,,Nein, nein. Es geht schon. Mach dir keine Sorgen."
So kam es also, dass ich um kurz nach halb 9 an einem Samstag Abend im Bett lag und versuchte einzuschlafen, während ich mir einen Plan zurecht legte, wie ich Davies meine Schlüsselkarte würde abluxxen können.
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Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...