Chapter 9

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Nach dem Frühstück machte ich mich gemeinsam mit Daisy und Celeste auf den Weg zu dem naturwissenschaftlichen Trakt des Schulgebäudes. Eigentlich war es ein eigenes kleines Gebäude, in dem alle Wissenschaften von Physik über Chemie bis hin zu Informatik unterrichten wurden. Mathe hatten wir Schüler allerdings in den selben Räumen, in denen wir auch Englisch, Geschichte und Erdkunde durchzustehen hatten. Den relativ langen Weg zu den Laboren verbrachten Daisy und Celeste damit, über den Aufsatz zu sprechen, den wir über die Ferien hatten anfertigen sollen und den ich selbstverständlich vergessen hatte. Während ich den der Unterhaltung der beiden lauschte, stießen auch Freddie und Virgil zu uns. Freddie klinkte sich nach einem freundlichen 'Guten Morgen' in das Gespräch von Daisy und Celeste ein. Skeptisch bemerkte ich wie die Rothaarige hinsichtlich seiner Anwesenheit zu erröten begann. Argwöhnisch zog ich eine sauber gezupfte Augenbraue hoch. Das blieb nicht lange unbemerkt. ,,Na? Auch endlich geschnallt?", fragte Virgil neben mir murmelnd. Ich drehte mich zu ihm um und sah wie er sich leicht verkatert die Schläfen rieb. ,,Sag jetzt nicht, das is' schon länger so...". Ich war überrascht, dass Virgil angeblich schon erkannt hatte, dass Celeste einen Narren an seinem wagemütigen Bruder gefressen hatte, bevor ich es überhaupt in Erwägung gezogen hatte, dass sie sich tatsächlich für reale Männer interessieren könnte. Normalerweise kaute sie einem die meiste Zeit mit ihrer Schwärmerei für fiktive Charaktere oder unerreichbare Superstars das Ohr ab. Letztes Jahr war ihr Traumtyp ein Mitglied irgendeiner affigen Boygroup gewesen. Das Jahr davor hatte sie ohne Unterlass von Edward Cullen, dem ach so attraktiven Vampir aus Twilight erzählt. Nicht, dass  das in irgendeiner Hinsicht auch nur im Entferntesten meiner Aufmerksamkeit erregte, aber Celeste zu Liebe sagte ich nichts und ließ mich einfach stumm von ihr zubrabbeln. In der Zeit, in der sie mir ihre vollkommen unsinnigen Leiden klagte, hatte ich mit der Zeit begonnen, das Alphabet rückwärts aufzusagen. Was soll ich sagen? Am Ende des Jahres konnte ich das im Schlaf. 

,,Klar! Wundert mich, dass du's erst jetzt bemerkst, Doctor Love. Sonst bist du doch immer die Erste was sowas betrifft.", sagte Virgil scheel, während wir nebeneinander ein paar Meter hinter den Anderen gingen. ,,Sogar Freddie hat  schon begriffen, dass sie voll auf ihn steht." ,,Dann sollte er ihr sagen, dass daraus wohl nix wird. Sonst macht sie sich nur Hoffnungen. Es wird ihr das Herz brechen, wenn sie erfährt, dass er nichts von ihr will." Ich hörte nur ein undeutliches Brummen und sah zu Virgil auf. ,,Er will doch nichts von ihr, oder?", erkundigte ich mich unsicher. ,,Nein, ich denke nicht. Aber ich glaube, er findet's  witzig. Vielleicht will er auch sehen, wohin das führen könnte. Wer weiß? Jedoch kann ich eins sicher sagen: Es gefällt ihm auf jeden Fall, begehrt zu werden. Das stärkt das Selbstbewusstsein." Auf sein Lachen hin murmelte ich: ,,Weil es Freddie auch so daran mangelt..." Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte, dass Celeste scheinbar Gefühle für meinen absolut besten Freund hegte, noch davon, dass es ihm gefiel. Ich hatte ein dumpfes, drückendes Gefühl in der Magengegend als ich Freddie und Celeste dabei beobachtete, wie sie entspannt und scherzend durch die Gänge zum Chemieraum gingen. Ich schob es auf meinen Kater und verdrängte den Gedanken, dass es vielleicht Neid sein könnte, der an mir nagte und begann mir still eine Ausrede rechtzulegen, weshalb ich den Aufsatz über pharmazeutische Chemie nicht vorlegen konnte. 

1 Stunde und eine 10 minütige Demütigung vor der Klasse durch meinen verhassten Chemielehrer später saß ich mit dem Kinn auf die Handflächen gestützt da und beobachtete wie Daisy irgendwelche Flüssigkeiten in ein Becherglas kippte und auf eine Veränderung wartete. Ich hatte mittlerweile aufgegeben mitzudenken, weil ich keinen Sinn mehr darin sah, über etwas nachzudenken, dass mir meinen schlechten Tag auch nicht mehr würde besser machen können. Demnach saß ich in meinem schrecklich unbequemen Stuhl und beobachtete meine Klassenkameraden durch die zerkratzten Gläser meiner Schutzbrille. Ich sah Freddie und Virgil, die eifrig ihre Ergebnisse notierten, Celeste, die ebenfalls am Aufgeben war und verzweifelt seufzte. Ein paar Reihen vor mir saß Jeff mit einem ruhigen, etwas schüchternen Jungen namens Emmett und goss vorsichtig zwei Chemikalien zusammen. Letzlich blieb mein Blick an Jasper Davies hängen, der in seinem Element zu sein schien. Mit  voller Konzentration und peinlich präziser Genauigkeit bearbeitete er die von Mister Ackland gestellte Aufgabe. Ich war schon beinahe fasziniert von seinem gefesselten Gesichtsausdruck. Es war selten ihn ohne sein arrogantes und schmieriges Grinsen zu sehen. Man könnte fast sagen, dass er gut aussah...... Aber nur, wenn man in der Lage war, seine ekelhafte Persönlichkeit außer Acht zu lassen. Gott sei gedankt, dass ich das nicht konnte. Von daher reagierte ich wie immer als Davies mich ansprach:,, Was ist los, Morrin? Findest du mich so schön, dass du mich durchgehend anstarren musst, oder was ist der Grund für deine Gafferei?" Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich ihn kleine Weile angeschaut hatte und es war mir äußerst unangenehm. Es versteht sich von selbst, dass ich ihn das nicht wissen lassen durfte. Langsam setzte ich mich auf und streckte mich, solange ich sagte:,,Du hast es erfasst, Davies. Die Föhnfrisur und dein Giraffenhals machen mich ganz wuschig." Auf meine sarkastische Bemerkung antwortete er nur wieder mit seinem blasierten Lächeln. Genervt verdrehte ich die Augen und wendete erneut Daisy zu, die jetzt zu meiner Verwunderung begann den Versuch zusammen zupacken. ,,Was ist denn los? Wieso räumst du auf?", fragte ich sie verdattert. Sie sah mich skeptisch an und lächelte dann sanft. ,,Ehrlich Mia, du solltest aufhören unter der Woche Alkohol zu trinken. Der Kater is ja furchtbar. Hast du nicht gehört, dass Ackland gesagt hat, dass die Stunde gleich vorbei ist?" Ich schüttelte nur leicht den Kopf als Antwort. Sie lachte auf und legte kurz ihre Hand auf meine Schulter, bevor sie die Reagenzgläser wegbrachte. Mein schon etwas ergrauter Lehrer schnarrte noch ein paar abschließende Worte und entließ uns dann mit einem Haufen Hausaufgaben in die Pause.

 Ich hatte den Tag schlicht an mir vorbei ziehen lassen, da er mir ja eh schon durch Chemie von Grund auf vermiest worden war und ich auch keine Hoffnuhgen mehr hatte, dass er sich zum Abend hin wieder zu etwas Besserem entwickeln würde. Als ich so gegen halb 9 abends mit Daisy unser Zimmer betrat, lagen Christa und Celeste schon im Pyjama in ihren Betten und quatschten erneut. Für ihr typisches Mädchengerede hatte ich angesichts meines schlechten Tages allerdings keinen Nerv mehr, zumal ich Celeste seit heute morgen sowieso ziemlich kratzbürstig gegenüber stand. Ich wusste nicht genau wieso, aber ihr nervtötendes Geplänkel mit Freddie heute früh hatte mich gestört. Ich war eifersüchtig, dass mein bester Freund sich mehr mit ihr beschäftigte als mit mir. Also versuchte ich das Gekichere von Christa und Celeste so gut wie möglich zu ignorieren. Ich zog mir selbst meinen Schlafanzug an bestehend aus einer langen, karierten Stoffhose und einem ArcticMonkeys-T-shirt und machte mich auf den Weg ins Bad, wo ich begann mich abzuschminken. Nach ein paar Minuten hörte ich meine beiden Zimmergenossinnen wieder lauthals gackern, sodass ich unfreiwillig aufhorchte. ,,Hast du gesehen, wie er mich vorhin beim Essen angelächelt hat?", hörte ich Celeste kichern. Genervt verdrehte ich meine blau-grauen Augen. Ich hatte es gesehen und an Freddie's Lächeln war nichts Außergewöhnliches gewesen. Natürlich hatte er ein tolles Lächeln, das selbst das kälteste Herz schmelzen lassen könnte, aber das Lächeln, das er Celeste ,,zugeworfen" hatte, war sein typisches, spitzbübisches Scherzkeks-Grinsen gewesen. Das trug er den ganzen Tag mit sich rum. Es hatte keine besondere, tiefere Bedeutung und erst recht keine romantische Intention. Beinahe tat  Celeste mir leid. Wie sie sich so verzweifelt lächerliche, kleine Gesten zu traumhaft romantischen umzudichten versuchte, war erbarmungswürdig. Stur putzte ich mir weiter die Zähne doch meine Bewegungen froren ein als Celeste verträumt sagte: ,,Wir werden so ein schönes Paar sein. Christa, möchtest du meine Brautjungfer sein, wenn Freddie und ich heiraten?" Christa lachte daraufhin glockenhell, aber ich war mir sicher, dass Celeste das eben nicht als Witz gemeint hatte. ,,Mit dem größten Vergnügen, Mrs. Kingsley...", stimmte sie Celeste's Angebot zu. Erschrocken spuckte ich meine Zahnpasta gegen den Badezimmerspiegel und ließ den Becher mit Wasser, den ich bis eben noch in der Hand gehalten hatte, auf die Fließen fallen. Der Lärm ließ das Lachen der beiden Mädchen augenblicklich verstummen und ich hörte, wie sie mich fragten, ob alles in Ordnung sei. Ich nickte einfach hastig ehe mir klar wurde, dass sie es nicht sehen konnten, da uns eine Wand und eine verschlossene Holztür trennten. ,,J-ja. Alles bestens.", gab ich etwas stotternd zurück. ,,Ha-hab nur ein Glas fallen lassen." Das Bild von Freddie und Celeste am Traualtar, das eben durch meinen Kopf geschossen war, hatte mich so zutiefst erschrocken, dass ich erstarrt war und den gläsernen Zahnputzbecher aus meiner Hand hatte gleiten lassen. Ich schüttelte kurz meinen Kopf um den irren Gedanken an Freddie und Celeste als Paar, sodass sich meine hellbraunen Haare aus dem Dutt lösten, zu dem ich sie eben gebunden hatte, damit sie mir beim Gesicht waschen nicht ins Wasser fielen. Ich nahm mir ein Handtuch und wischte das Wasser vom Boden auf und putzte noch schnell den Spiegel ab bevor ich ins Schlafzimmer zurück ging und mich, trotz Christa und Celeste's hochfrequentem Gegacker, Schlafen legte.


Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt