Den nächsten Morgen wachte ich schon um 7:30 auf. Das ist auch nicht sonderlich verwunderlich, angesichts der Tatsache, dass ich letzte Nacht auch schon um 9 seelenruhig geschlafen hatte, während sich meine Mitschüler auf dem Halloween-Schulfest amüsierten. Ich ließ mir Zeit und gönnte mir erstmal eine ausgiebige Dusche bevor ich zum Frühstück ging. Ich rasierte mir die Beine. Einfach aus dem Grund, dass ich dafür endlich auch mal wieder Zeit hatte. Normalerweise war ich unter der Woche so gestresst, dass ich einfach nicht dazu kam und wenn ich dann doch mal die Zeit einräumen konnte, hatte ich meistens keine Lust. Aber heute hatte ich alle Zeit der Welt und außerdem eh nichts Besseres zu tun. Also konnte ich mir die ganze Packung geben:Körperpeeling,Haarkur und Rasur von Beinen, Achseln und Bikinzone. Als ich jedoch dort ankam und die viele vernarbten Schnitte sah, stockte ich kurz. Wieder schossen mir Erinnerungen durch den Kopf, dass mir schwindelig wurde. Es waren die selben Bilder, die mich auch in meinen Albträumen verfolgten. Jede Nacht zwang mich mein Unterbewusstsein, jene Nacht im Sommer wieder zu durchleben. Ich hatte bereits mit taze darüber gesprochen, dass ich an Albträumen und regelmäßigen Schockstarren, bei denen mir unschöne Bilder ins Bewusstsein traten, litt. Er hatte dann gemeint, mein Unterbewusstsein habe dieses Erlebnis noch nicht verarbeitet und dass ich mich an einen Psychiater wenden sollte. Diesen Rat hatte ich befolgt. Ich hatte einen renomierten Psycho-Doc in Aberdeen ausfindig gemacht und war für 2 Monate 2 Mal die Woche in die Stadt zu einer Sitzung gefahren. Nachdem das allerdings nicht viel gebracht und mein Psychologe mir eine intensivere Behandlung vorgeschlagen hatte, für die ich aber meine Schule hätte vernachlässigen müssen, hatte ich meine Besuche in Aberdeen auf Ausflüge mit meinen Freunden beschränkt.
Als ich glücklich und porentief rein aus der Dusche stieg, war erst eine knappe Stunde vergangen. Christa und Celeste schliefen noch, als ich zurück ins Schlafzimmer ging, um mich anzuziehen. Daisy war offenscheinlich schon zum Frühstück oder in die Bibliothek gegangen.Wenn sie nicht auf unserem Zimmer war, hielt sie sich höchstwahrscheinlich dort auf und büffelte über 800 Seiten dicken Schinken den Stoff des nächsten Semesters. Ich schmunzelte als ich vor meiner Kommode stand und überlegte, was ich anziehen könnte. Ich entschied mich für meine liebste schwarze High-Waist-Jeans und ein blaues Sweatshirt mit ausgestickten Schmucksteinen. Ich schlüpfte noch schnell in meine roten Nikes und band meine noch etwas feuchten, hellbraunen Haare zu einem hohen Pferdeschwanz zusammen. Ohne mich zu schminken, weil ich es heute für schlichtweg unnötig hielt, verließ ich das Zimmer.
Auf dem Weg zum Frühstückssaal überlegte ich die ganze Zeit, wie ich meine Schlüsselkarte zurück bekommen könnte. Vielleicht sollte ich mich wirklich einfach an Daisy (sie war ja schließlich Schülersprecherin...) oder an einen Lehrer wenden. Nachdem ich es für einen Moment tatsächlich in Erwägung zog, verwarf ich den gedanken wieder. Man würde es mir eh nicht abkaufen, wenn ich jetzt zu einem Lehrer ging und ihm erzählte Jasper Davies, der Schulsprecher, habe mir meine Schlüssel-ID abgenommen. Dann wäre da wahrscheinlich auch die Frage, wie es dazu kam, dass er sich genötigt fühlte, mich um meine Karte zu erleichtern und ich wollte außerdem auch nicht, dass sich jemand wegen meiner Fahrlässigkeit unnötig Arbeit machte. Nein. Das war nur eine Sache zwischen Davies und mir. Ich musste das mit ihm und nur ihm allein ausmachen. Mein Magen gab ein besorgniserregendes Grummeln von sich als ich den Frühstückssaal schon fast erreicht hatte. Das war auch nicht überraschend, wenn man sich die Tatsache vor Augen führte, dass sich seit gestern Nachmittag nichts mehr gegessen hatte. Als ich die große Halle betrat war sie für ihre Verhältnisse ungewöhnlich dünn besiedelt. Ein Blick auf meine Daniel-Wellington-Uhr und der Grund für die äußerst kleine Anzahl von frühstückenden Schülern war gefunden. Es war erst gute 9 Uhr in der Früh. An einem Sonntag hatte man um diese Uhrzeit keine Menschenmassen außerhalb ihrer Betten zu erwaten. Ich ließ meinen Blick über die einzelnen Tische fliegen, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht, zu dem ich mich gesellen konnte, bevor er am anderen Ende des Raumes an einem Paar strahlend grüner Augen hängen blieb, die mich seitdem ich um die Ecke gebogen war, interessiert im Fokus hielten. Als Davies bemerkte, dass ich seinen Blick aufgefangen hatte, fuhr er sich genüsslich mit der Zunge über die Lippen und zog anzüglich die Augenbrauen hoch. Angewiedert schüttelte ich mich und verdrehte die Augen, während ich schnurstracks auf einen Tisch zusteuerte, an dem ich meine blonde, beste Freundin erspäht hatte. Sie sah mich kritisch mit einer hochgezogenen Augenbraue an, als ich mich ihr gegenüber niederließ. ,,Was war das denn eben?", fragte sie argwöhnisch. ,,Was meinst du?" Ich stellte mich dumm, während ich mir ein Brötchen mit Marmelade beschmierte. ,,Na, das mit Davies..", sagte Daisy ungeduldig. 'Verdammt!', fluchte ich mental. Daisy hatte echt Augen und Ohren wie ein Adler. ,,Ach das...", nuschelte ich so beiläufig wie möglich. ,,Der lässt doch nichts unversucht, um mich aus der Fassung zu bringen." Einen Moment beobachtete sie mich noch misstrauisch, bevor sie sich dann erhob und sich mit der Entschuldigung, sie müsse für Geschichte noch etwas in der Bibliothek nachlesen, von mir verabschiedete. Ich nickte bloß und murmelte mit vollem Mund ein 'Bis nachher'. Als ich mich umsah wurde mir bewusst, dass die Halle bis auf mich und Davies nur Neulinge beherbergte. Ich holte mir eine anständige Tasse Kaffee und nahm auf dem Weg gleich eine aktuelle Zeitung mit zu meinem Platz, in der ich lesen konnte, während ich Davies im Auge behielt, damit mir auch bloß nicht entging, wenn er den Saal verließ, denn mittlerweile hatte ich mir einen Plan, meine Schlüsselkarte zurück zubekommen, zusammengeschustert.
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Love's a desperate thing
Teen Fiction,,Wenn ich Lust auf etwas Versautes hätte, könnte ich mir das fast überall holen. Dafür brauche ich dich nicht.", stellte er kühl fest. Dieses arrogante, schmierige Gehabe bereitete mir Übelkeit. Das war mir dann doch zu viel und ich entschied, dass...