Chapter 31

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"In Kürze erreichen wir den Flughafen Cambridge. Bitte schnallen Sie sich an und bringen Ihre Sitze in aufrechte Position.Danke" Die Stimme der Stewardess weckte mich aus meinem Schläfchen und verriet mir, dass ich bald wieder zuhause war. ,,Ah Mia, du bist schon wach. Ich wollte dich grade wecken.", hörte ich Taze neben mir sagen. ,,Ich hätte ihn abgehalten. Du sahst so süß aus, als du geschlafen hast.", mischte Harvey sich ein und beugte sich in seinem Sitz nach vorn, um mich anschauen zu können. Müde sah ich zu ihm rüber. ,,Ich wäre dir dankbar gewesen, aber was soll's? Ich bin eh wach.", antwortete ich noch etwas dösig. Eine junge, blonde Flugbegleiterin ging an uns vorbei und wackelte noch ein bisschen mehr mit ihrem mageren Hintern, als sie Harvey's Sitz passierte. Ich verdrehte entnervt die Augen. 'Schon wieder so 'ne Schnalle, die sich mit allen ihr verfügbaren Mitteln in die Köpfe der Männer zu spielen versucht.' Harvey grinste mich amüsiert an. ,,Na Mia, hast du 'ne Freundin gefunden?", fragte er schelmisch. ,,Nein, aber du anscheinend.", gab ich zickig zurück und guckte ihn dann zuckersüß an. Er lachte auf. ,,Neidisch, weil die Frauen alle auf mich stehen und nicht auf dich, oder was, Süße?" Jetzt war ich dran zu lachen. ,,Jaaa, genau.", sagte ich überzogen, ehe ich lustlos antwortete :,,In deinen Träumen, Harvey." Seine Aussage ablehnend belächelnd wandte ich meinen Blick von ihm ab, doch ich spürte, wie er seinen nicht von mir ließ. Er sah mich einen Moment eindringlich an. ,,Hübsche Halskette übrigens.", sagte er und lehnte sich zurück in seinen Sitz. Aus Reflex fasste ich nach dem kleinen Anhänger und erinnerte mich an Freddie. ,,Danke", murmelte ich leise. Dann spürte ich auch schon den altbekannten Druck auf den Ohren und das flaue Gefühl im Magen, als das Flugzeug in den Landeanflug überging.

,,Mia, beeil' dich! Mum und Dad warten schon. Wir sind mit Sicherheit wieder die Letzten.", meckerte Taze und hämmerte wie bekloppt gegen meine Zimmertür. ,,Ich bin fast fertig, verdammt nochmal!", schrie ich zurück. Ich seufzte frustriert. Dass Taze bei sowas immer so einen Stress schieben musste, ging mir gewaltig auf die Nerven. Es war doch nur ein Familienessen. Da sollte er sich mal bloß nicht so aufregen. Außerdem waren 1 1/2 Stunden, um sich zu duschen, anzuziehen, die Haare zu machen und sich zu schminken eine sehr knapp bemessene Zeit für ein Mädchen von 18 Jahren. Besonders dann, wenn sie sich noch die Beine rasieren muss, weil ihre Mutter ihr ein Kleid rausgelegt hat, und sie sich schneidet, wenn sie nicht vorsichtig ist. Das war bei mir nämlich die Regel: wenn ich beim Beine-rasieren schnell machen wollte, schnitt ich mich. Mindestens 1 Mal. Deshalb brauchte ich heute auch wieder so lange. Allerdings hatte ich es auch nicht unbedingt eilig, meine Familie zu treffen. Ich freute mich zwar auf meine Großeltern, aber meine Cousine und ihren Bruder würde ich auf keinen Fall vermissen. Sie war schrecklich und ihr Bruder machte da keinen Unterschied. Meine Tante Arabella hatte damals einen Amerikaner geheiratet, was ja prinzipiell nichts Schlechtes ist, aber ihre beiden Kinder vereinten wirklich alle negativen Klischees über kalifornische Rotzgören in sich. Das Zickengetue und egozentrische Wesen hatten sie eindeutig von ihrer Mutter geerbt, die aber wie ich glaubte, hingegen der Erwartungen ein gutes Herz hatte. Dummerweise hat sich dieses arme, kleine Ding wohl in der Not gesehen, sich hinter all der Materialgier und Überheblichkeit zu verkriechen, um nicht aufzufallen. Ich richtete zum letzten Mal meine Haare und schnappte dann meine Tasche, ehe ich mein Zimmer verließ. Taze war nicht mehr da, also ging ich schon mal raus zum Wagen. Draußen lag Schnee, weshalb ich mir meinen Burberry-Wollmantel überschmiss und aus der Haustür trat. Ich atmete die kalte Winterluft ein und warf einen Blick auf die schneebedeckte Einfahrt. Sie war hübsch mit vielen Lichterketten und roten Schleifen geschmückt, dass man fast meinen könnte, den Eigentümern läge tatsächlich etwas an Weihnachten. Meine Mutter sah in Weihnachten, dem bekanntlichen Fest der Liebe, nichts anderes als die Chance, sich der Öffentlichkeit scheinheilig als Engel zu präsentieren, in dem sie in alle möglichen Einrichtungen für minderbemittelte Kinder und Familien stürmte und einen auf Santa Claudia machte. Ich sah schon von weitem, wie sie im BMW saß und ungeduldig mit den rot lackierten Krallen auf dem Armaturenbrett trommelte, während sie immer wieder auf Rolex an ihrem Handgelenk schaute. Mein Vater saß vermutlich entspannt und distanziert wie immer am Steuer und versuchte, meiner Mutter Geduld einzureden. Taze wartete ebenso fieberhaft wie meine Mutter darauf, dass wir endlich los kamen. Der Einzige, den ich nirgendwo ausmachen konnte, war Harvey. Doch noch bevor ich Taze fragen konnte, wo sein Freund steckte, kam eben dieser aus der Haustür gestelzt und stolzierte locker auf uns zu. ,,Alsooo...", sagte er lässig, als er am Fuße der Steintreppe ankam, ,,Wollen wir los?" Harvey sah aufmerksam und gleichermaßen verwirrt zwischen Taze und mir hin und her. Ich spürte, dass mein Bruder kurz vorm Explodieren war. Er hasste es, zu spät zu sein und dass sein Kumpel, eben das verursachte, machte ihn rasend. ,,Ja, komm steig ein.", sagte ich, bevor Taze ausrasten konnte. Ich sah ihn beruhigend an und als Antwort, ließ er seinen Nacken knacken. Ich kletterte hinter Harvey auf die Rückbank unseres neuen BMW X5s und ließ meinen Vater wissen, dass er jetzt gerne losfahren könne. ,,Na, das wurde aber auch Zeit.", zischte meine Mutter bissig. Ich entschuldigte mich für mein Zuspätkommen und auch Harvey ließ etwas Entschuldigendes verlauten. Er konnte meine Eltern nicht besonders gut leiden und das ließ er sie auch spüren. Sicherlich war das gelegentlich ziemlich unhöflich, aber meine Eltern würden es niemals wagen, einen nahen Verwandten der "Eisernen Lady", Margaret Thatcher, zu nahe zu treten. Harvey war sich dessen bewusst und kostete seinen Status deshalb voll aus. Mein Vater ließ den Motor an und keine 10 Minuten später erreichten wir das Nobelrestaurant, in dem dieses Jahr das Familien-Weihnachtsessen der berühmt-berüchtigten Familie Morrin stattfand.

Die wenigen Überbleibsel der Vorspeise wurden gerade vom Tisch geräumt und ich musste zugeben, dass das Essen wie jedes Jahr der Oberknüller war. Ich hätte locker noch mehr von den hübsch verzierten Miniatur-Häppchen in mich reinstopfen können, aber meine Mutter hatte mich eh schon so abwertend angesehen, das wollte ich nicht noch extra verstärken. Meine verhasste Cousine und ihr behämmerter Bruder waren heute, Gott sei Dank, doch nicht aufgelaufen. Meine Mutter hatte im Auto sowas gesagt wie: ,,Eure Tante Arabella kommt heute übrigens nicht. Sie, Camilla und Arvid kommen erst zur Silvesterfeier." Taze und ich hatten uns ohne Umwege einen High-Five gegeben. Das machte das Familientreffen um einiges erträglicher. Dennoch war mir jetzt aufgrund des vielen guten Weins und der vielen Menschen im Restaurant wahnsinnig warm, sodass ich entschied kurz nach draußen an die Luft zu gehen. Ich entschuldigte mich also und verließ den Tisch ohne auf eine Antwort zu warten. Ich ging zwischen den besetzten Tischen durch, doch als ich fast bei der Tür war, hörte ich eine Stimme nach mir rufen, auf die ich gerade wirklich hätte verzichten können. ,,Hey Morrin, warte doch mal. Willst du mir denn kein schönes Weihnachtsfest wünschen?" Ich stöhnte genervt. ,,Wenn ich ehrlich sein soll, will ich das nicht, nein. Also lass mich bitte in Ruhe, Davies."

Love's a desperate thingWo Geschichten leben. Entdecke jetzt