Wo kommst du her?

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Kurz vor Lucias Abreise hatte ihr Vater ihren Bruder und sie noch zu sich gerufen. Sie hatte eigentlich angenommen, dass er sie auf dem Hof verabschieden wollte, so wie er es immer tat. Aber da irrte sie sich wohl und sie vermutete, dass ihr Vater etwas Wichtiges mit ihnen beiden besprechen wollte.

Es stellte sich heraus, dass sie richtig lag, als ihr Vater mit einem kleinen Bündel in den Armen den Raum betrat. Sie blieb sitzen, während Spurius aufsprang und aufgeregt fragte: „Beim Herkules, was ist das!? Vater, war das der Grund für deine Heimlichtuerei? Uhh, ist es ein Junge oder ein Mädchen? Bitte sei ein Junge, bitte sei ein Junge, bitte sei ein Junge", flüsterte er. Manchmal verstand Lucia wirklich nicht, warum er ihren Vater nicht einfach erstmal zu Wort kommen ließ.

„Das, Spurius, ist, wie du vermutlich auch schon erkannt hast, ein Kind. Und nein, es ist keine neue Schwester, wenn du das gemeint hast." Spurius stöhnte in Frustration und ließ sich wieder auf seinen Schemel plumpsen. „Sie ist gestern Abend zu mir gebracht worden. Sie wurde am Waldrand gefunden und von ihrem Aussehen her wird sie ein dreiviertel Jahr alt sein. Ich werde auf sie aufpassen, bis ihre Eltern gefunden wurden", erklärte Lucius.

„Ich könnte dir dabei helfen", bot Lucia an. „Nein, Lucia. Du konzentrierst dich lieber auf die selbst. Wir hoffen außerdem, dass wir ihre Eltern bald finden können." Er schaute auf das leise glucksende Mädchen in seinen Armen und hoffte insgeheim, dass sie nicht schon wieder niesen würde.

Apollo und er hatten schnell festgestellt, dass es sich bei dem Mädchen um eine Dryade handelte. Das verkleinerte zwar den Kreis der Möglichen, die ihre Eltern sein konnten, verhinderte aber auch, dass Lucius bei der Suche helfen konnte. Er hatte zwar bereits Kontakt mit Göttern gehabt, aber Apollo hatte ihm erklärt, dass Lucius nicht von sich aus mit ihnen agieren konnte. Darüber entschieden die Unsterblichen selbst. Somit musste sich Apollo alleine auf die Suche begeben und genau in diesem Moment war er damit beschäftigt.


„Vermisst irgendwer hier eine neugeborene Dryade!? Ich habe sie gestern im Wald gefunden, gehört sie zu jemandem hier?", schrie Apollo über die Menge in der großen Halle des Olymps. Die meisten der Anwesenden hatten ihn gehört, einige flüsterten miteinander, einige schüttelten die Köpfe, aber keiner meldete sich. Apollo stieg ein wenig enttäuscht von seinem Stuhl herunter, wieder neben seine Schwester.

„Wäre ja auch zu einfach gewesen", sagte Diana. Apollo nickte. Es stimmte, es wäre wirklich zu einfach gewesen, wenn sich ein Elternteil direkt beim ersten Versuch gefunden hätte. Aber er hatte gehofft.

„Was hast du jetzt vor?", fragte seine Zwillingsschwester.

„Zu den Dryaden gehen. Und zu den anderen Nymphen."

„Du weißt, dass die sich mehr oder weniger über unsere gesamten Gebiete hin aufhalten? Das wird viel Arbeit."

„Natürlich. Aber ich wünsche der kleinen Maus, dass sie mit ihren Eltern aufwachsen kann. Lucius und ich haben zwar schon abgesprochen, dass wir uns um sie kümmern werden, falls sich niemand finden lässt, aber ich glaube, leibliche Eltern zu haben wäre noch ein wenig schöner."

„Na, gut. Ich werde meine Jägerinnen aussenden. Lass uns die Gebiete aufteilen und wir können mit Sicherheit dann schnell alles absuchen." Diana klopfte ihrem Bruder aufmunternd auf den Rücken. „Ich bin sicher, Merkur wird auch helfen. Vielleich könnte er sich auch in der Unterwelt umhören. So gemein es auch klingen mag, aber wenn sie tot sein sollten, wüssten wir es dann schneller."

Apollo sah immer noch ein wenig bestürzt zu Boden, als sie die Halle verließen. „Na schön, was ist los?" Diana verschränkte die Arme vor der Brust und blieb vor ihrem Bruder stehen. Er nestelte an seiner Kette herum.

Amor vincit omniaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt