Lucius hatte sich gerade zurecht gelegt, als er eine unerwartete Präsenz neben sich spürte. „Was tust du denn hier?"
Apollo neben ihm sah ihn verständnislos an. „Wie meinst du das?" „Du warst nicht eingeladen! Du stehst nicht auf der Gästeliste oder sonst etwas! Was tust du hier, was wenn dich jemand erkennt? Was ist mit Julius, er kennt dich doch!", wisperte Lucius energisch. Apollo grinste: „Ach was, das wird keiner." Als Lucius in näher betrachtete, fiel ihm auch schnell auf, das Apollo anders aussah.
Seine Haare waren anders frisiert und ähnelten nun den Statuen, die man sonst von ihm oder anderen jungen Göttern sah. Sie waren auch gelockter als sonst. Zudem hatte er jetzt eine andere Augenfarbe. Statt dem himmelblau blickte Lucius nun ein sanftes braun entgegen, das im Sonnenschein aussah, wie Honig. Seine Gesichtszüge waren weicher und ließen ihn nicht einen Tag älter als achtzehn erscheinen. Normalerweise würde Lucius seine Gestalt als etwas älter als zwanzig beschreiben.
Was aber wohl den größten Unterschied machte, war seine Ausstrahlung, möge sie daher rühren, dass er sich anders bewegte, oder es gab tatsächlich so etwas wie eine Aura, die um Geschöpfe her wehte. Wenn ja, war sie nun anders. Normalerweise würde Lucius Apollos Auftreten wie das einer angenehm warmen und dennoch irgendwie frischen Sommerbrise beschreiben. Jetzt war er wie ein goldenes Schmuckstück, das man aus dem edlen Kästchen befreit hatte und für ein Fest aufpoliert hatte. Und man wusste, es würde bewundert werden, denn von allen Geschmeiden auf der Welt war es am schönsten.
Lucius wusste nicht, wie Apollo es schaffte, ihn so zu verzaubern, er konnte beinahe nicht die Augen von ihm lassen. Er sah sich um, um zu sehen, ob es anderen auch so ging, doch die schienen ihn nicht zu beachten. Vielleicht war es doch nur ein Zauber von Venus, jedenfalls hatte man es geschafft, dass sich Lucius noch ein kleines bisschen mehr verliebte.
„Ich bin schon häufig auf menschlichen Festen gewesen, das weißt du doch sicher auch. Niemand hat mich jemals erkannt, ohne dass ich es wollte, also wird es auch heute wieder gut gehen. Außer natürlich, du verquatscht dich", fuhr Apollo leise fort und zwinkerte Lucius zu. Dieser guckte böse. „Das werde ich nicht." Er würde bestimmt nicht herumposaunen, dass er seit Jahren persönlich mit einem Gott bekannt war. Wer wusste schon, wer dann wie regieren würde? Er würde es nicht ganz ausschließen, dass der Kaiser ihm für Vorenthaltung wichtiger Informationen, oder wie auch immer er es nennen wollte, den Kopf abhacken lassen würde.
Apollo grinste nur und wandte sich dann Julius zu, der gerade, nach einem Gespräch mit dem Kaiser, zu ihrem Lectus kam. Lucius sah ebenfalls zu ihm. „Guten Tag. Es freut mich, dich zu sehen, Lucius." „Ganz meinerseits." „Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Darf ich nach Eurem Namen fragen?", erkundigte Julius sich bei Apollo. Dieser lächelte freundlich. „Natürlich. Ich bin Chrysallìon. Und Ihr?" „Julius Livillius. Es freut mich, Eure Bekanntschaft zu machen." „Mich ebenfalls." Julius ließ sich nun ebenfalls auf dem Lectus nieder. An Lucius gewandt fragte er: „Kennt ihr beide euch schon?" Lucius nickte. „Ja, allerdings nur flüchtig." Apollo grinste. „Ich freue mich, dass wir heute die Gelegenheit haben, etwas mehr übereinander zu erfahren. Und ich möchte Euch erneut danken, dass Ihr es für angemessen empfindet, mich an der Seite des Kaisers speisen zu lassen. Das ist eine große Ehre."
Lucius wollte gerade etwas antworten, als besagter Kaiser gerade sein Gespräch mit einem der Mundschenke beendete und sich an ihn wandte. „Ein wirklich beeindruckender Empfang, mein Lieber. Auf die Tauben wäre ich selbst nicht gekommen, doch die Überraschung hat mich umso mehr gefreut." Lucius neigte seinen Kopf zum Zeichen des Dankes und erwiderte dann: „Das ehrt mich sehr. Ich hoffe, dass ich Eure Hoheit auch weiterhin begeistern kann." „Ich bin zumindest sehr gespannt auf die Spektakel, die uns weiterhin erwarten", kicherte der Kaiser. „Meiner Frau hat es ebenfalls sehr gefallen, nicht Octavia?" Die Kaiserin hatte das Gespräch verfolgt und nickte nun zustimmend. Nero wollte gerade fortfahren, als er offenbar Apollo neben Lucius entdeckte. Er bediente sich an den Weintauben, die auf der Mensa schon bereit standen. Der Mund des Kaisers bildete für kurze Zeit eine O-Form, ohne dass der Laut seine Lippen verließ, gefangen in dem Anblick. Dann strahlte er: „Beim Herkules, wen hast du mir denn da mitgebracht, Lucius? Wer seid Ihr?" „Chrysallìon. Ich stamme aus Griechenland und wurde von Herrn Lucius eingeladen. Wir hatten uns schon auf einer Feier eines gemeinsamen Bekannten getroffen. Es ehrt mich, eure Bekanntschaft zu machen, Kaiser Nero." Apollo neigte den Kopf, Lucius vermutete, dass das bloß aus Höflichkeit war. Sonst war Apollo nicht unbedingt der Typ dafür, anderen viel Respekt zu zollen. Das hatte man bei seinem Vater ja gesehen. Oder er wollte einfach nicht zu schnell auffliegen.

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Amor vincit omnia
Ficción histórica16 Jahre nach seinem vermeindlichen Tod wacht Apollo aus seinem Koma auf. Er befindet sich wieder auf dem Olymp und muss feststellen, dass seine große Liebe bereits verheiratet ist und ganze vier Kinder hat. Ob er es trotzdem schafft, Lucius wieder...