|27| Die wichtigen Fragen

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„Hey, alles in Ordnung?" nichts war in Ordnung. Ich kann nicht mit meiner Vergangenheit abschließen und das schlimme dadurch ist, dass ich alle um mich herum enttäusche auch wenn nicht direkt, aber ich spüre, dass sich alle um mich sorgen, weil ich einfach zu egoistisch bin. Aber irgendwas brauche ich noch aus meiner Vergangenheit, damit ich endlich befreit bin. Was das genau ist weiß ich leider nicht.

„Danke! Mach dir keine Sorgen! Ich bin ein emotionaler Mensch! So tief in die Vergangenheit zu reisen bringt in mir alles hervor!" beruhigte ich mich einigermaßen, weil Lucas auch irgendwie Trost suchte.

„Kann man nicht seine Vergangenheit vergessen? Wenigstens eine Lösch-Möglichkeit, aber auch die haben wir nicht!" ich fühlte mich nicht wirklich angesprochen, aber ich höre ihm zu, weil es ihm gleich geht. Ich stand auf und fokussierte mich auf seine Stirn. Durch seine vorfallenden Haare konnte ich seine Narbe nicht sehen.

„Das wäre glaube ich zu einfach! Zum Leben gehört nun einmal unsere Vergangenheit! Ich hoffe nur, dass ich bald mich auf wesentliche Dinge konzentrieren kann!" Lucas hatte beide seiner Hände in seinen Hosentaschen und schaute gequellt nach unten. Es ging ihm nicht gut. Bei dem Foto von meinen Bruder war er plötzlich komplett wie ausgewechselt.

„Was war den mit dir los? Du hast dich so komisch verhalten, als du das Foto meines Bruders gesehen hast!" da wir allein sind, hoffte ich auf das Vertrauen, das wir mittlerweile aufbauen konnten, jedoch winkte er ab und schnallste mit seiner Zunge.

„Es hat mit dir nicht zu tun, was interessiert es dich?" wieder war er so distanziert und kalt gegenüber mir, was mir mittlerweile nur noch normal erschien, wenn man ihn etwas persönliches fragt.

„Das ist wieder typisch von dir! Wann wirst du begreifen, dass du ohne Vertrauen ganz alleine im Leben stehen wirst!" auch ein wenig gereizt, spürte ich, dass ich keine Kraft auf seine Stimmungsschwankungen habe. Er schaute mich mit offenen Mund an und kratzte sich dabei am Hinterkopf. Er wirkte nervös und zwiespältig.

„Wann wirst du begreifen, dass Einsamkeit meine einzige Möglichkeit ist? Versteh doch, dass ich keine Wahl habe! Das Schicksal hat schon über mich entschieden!" er redete vom Schicksal, obwohl er zweifelnd wirkte. Er braucht ein Ausweg aus seiner Situation, jedoch verzweifelt er daran, dass ihm irgendwer helfen kann.

„Das Schicksal bietet dir immer andere Möglichkeiten, aber anscheinend unterscheiden wir uns beide bei dieser Tatsache! Ich kann auf Menschen zählen, die mir wichtig sind! Du anscheinend bezweifelst dass du solche Menschen in deinen Leben hast!" Diese Bahn wirkte auf uns wie ein Vertrauenspunkt, den wir nie hatten. Ich konnte ohne Bedenken über meine Gefühle reden und ich konnte endlich erkennen, dass die Magie nicht verschwunden war, sondern nur die Personen, die diese Magie zu nutzen wussten.

„Ahja? Wie kannst du dich auf solchen Menschen verlassen? Laut der Geschichte deines Bruders, konnte er dich nie wirklich retten! Es waren die anderen Menschen, die nicht bei euch beiden aufgegeben haben! Was hat dein Bruder getan, dass du das Gefühl hast das er nie aufgegeben hat? Warum glaubst du, dass er keine Schuld an deiner Erblindung hat?" meine jetzigen Tränen liefen den alten Tränen entlang und ich spürte, dass seine Worte mich schon immer befasst haben. Aber was er nie verstehen kann ist warum mein Bruder das alles getan hat. Seine Gründe hätten andere in den Abgrund gezogen, aber nicht Matteo. Matteo hatte mich und war Mann genug um sich seiner Situation zu stellen auch mit jedem Zweifel und Schuldgefühlen.
Was hat Lucas erlebt, dass er sich so eine Prüfung wie meines Bruders stellen würde? Ich bin der Überzeugung, dass er sich in der Situation meines Bruders nie versetzen kann.

„Das muss ich mich nicht fragen, weil er schon die schlimmste Bestrafung ertragen muss. Er war da, als keiner da war. Matteo musste sich beweisen und hat allen gezeigt, dass er nie aufgibt auch mit seinen Schuldgefühlen. Alle anderen in seiner Situation hätten das Handtuch weggeworfen, aber nicht er. Mein Bruder hatte nie Schuld, weil er sich auf falsche Menschen einließ und das zum Glück erkannte." Lucas begann an zulachen und mir schoß wieder ins Gedächtnis als er mich verspottend Prinzessin nannte. Er ist so abstoßend, wenn er sich so verhält.

„Du lebst wirklich in einer Traumwelt! Wenn du dir so sicher bist, dass Matteo keine Schuld hat, warum merke ich jeden Tag, dass du ihn nicht verzeihen kannst. Ich kenne solche Blicke, weil es meine Blicke sind, wenn ich mich im Spiegel anschaue. Sophia spiel dir nichts vor und befasse dich mehr mit deinen Gefühlen bevor es zuspät ist!" Hat er recht? Habe ich Matteo nicht richtig verzeihen können? Vielleicht muss ich mal mich tiefgründig mit ihm darüber reden? Vielleicht zweifle ich einfach zu viel und das könnte meinen Bruder verletzen. Er würde vielleicht wieder tief sinken, aber bevor ich abstürze hätten wir endlich Klarheit.

Ich war baff und brachte kein Wort von mir. Lucas nahm meine Hand und führte sie zur seiner Stirn. Er geleitete über seine Narbe und ihn begann alles zu pochen. Seine Narbe war tief. Er begann auch an zu zittern, was mich zum schmunzeln brachte, weil wir beide so verletzt waren, dass wir auf unsere Weise unseren Schmerz teilten.

„Stell dir die wichtigen Fragen, bevor dir auch eine Narbe verpasst wird!" er klang so zerbrechlich und ich bewunderte ihn wie er sich zurückhalten konnte und nicht zusammengebrochen ist. Ich wäre tausende Tode gestorben, aber Lucas war stark. Stark durch all seinen Erlebnissen. Ich legte meine Hand an seinen Hinterkopf und bemerkte nicht einmal wie nah wir waren. Seine Blicke setzten mich lahm. Er legte seine Hände auf meinen Hüften, was in mir alles zum kribbeln brachte. Mein Hals trocknete sich auf der Stelle aus und musste deswegen instinktiv mehrmals meinen Kloß herunterschlucken. Eine Frage stellte ich mir jetzt, aber bevor ich überhaupt auf die Antwort kam, hörte ich Mia meinen Namen rufen.

„Sophii! Wir haben uns Sorgen gemacht! Komm her!" ohne jegliche Ahnung kam sie heran gestürmt und nahm mich tief in den Arm. Ich seufzte auf, weil ich jetzt weiß, warum ich nie wie Lucas sagt die wichtigen Fragen stelle, weil ich Menschen haben, die immer für mich da sind. Bei seinen Gesichtsausdruck kann man deuten, dass er liebend gern wie ich eine Antwort gehabt hätte, aber er kommt damit klar.

Lucas ist jetzt nicht mehr nur ein mysteriöser Junge, sondern einer der wie ich sehr geprägt wurde durch sein Schicksal...

Wie das Schicksal alles ändern kann Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt