{Kapitel 27}

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Fast die gesamte Zeit, ähnlich wie beim Hinweg gestern, wurde nicht geredet. Die Anspannung stieg, wir mussten uns konzentrieren. Das bekam ich allerdings nicht so wirklich hin, denn die kleine Puppe wollte mir einfach nicht mehr aus dem Kopf gehen - ich war abgelenkt. Deshalb bekam ich es auch nicht wirklich mit, als Neji nach einiger Zeit plötzlich sein Tempo als Konvoi-Spitze verlangsamte. Fast wäre ich ihm in seinen Rücken gesprungen, konnte aber noch rechtzeitig abbremsen. Neji hatte etwas gesehen, ich folgte seinem Blick. „Da!", rief er mit fester Stimme und näherte sich dem Boden. Wir folgten ihm aufmerksam, bis wir letztendlich auf einem niedrigeren Ast zum Anhalten kamen. Neji hockte sich hin und beobachtete das Gebiet. Sakura kramte irgendwelche kleinen Flaschen aus ihrer Tasche und Kakashi stand angelehnt an der Verbindungsstelle zwischen Ast und Baumstamm und beobachtete vor allem Neji, der hoch konzentriert nach Auffälligkeiten suchte. Es war still. Ich tat es Neji gleich und folgte seinen Blicken.

Wir hatten die Karawane tatsächlich gefunden - ich weitete meine Augen, als ich den Schauplatz realisierte. Es waren drei Wagen, die wohl einiges an Fracht nach Sunagakure transportieren sollten. Sie waren durch eine beige Plane abgedeckt, diese wurde jedoch auf jedem Wagen zerschnitten und zerrissen. Einige Kisten standen noch auf den Wagen, die meisten lagen aber einfach nur verstreut und geöffnet auf dem Boden neben ihnen. Die Räder der Wagen wurden zerstört, von Bewegung keine Spur. Am meisten verstörte mich jedoch der Anblick der ganzen Menschen, die bei diesem Überfall ihr Leben hier lassen mussten. Es waren wirklich so viele Leichen, ich schluckte. Kakashi war während meiner Schockstarre bereits dabei, den anderen beiden den weiteren Plan zu erklären. Ich glaube er wusste, dass ich nicht wirklich zuhörte - beließ es aber dabei. Immerhin habe ich so etwas wirklich noch nie gesehen, geschweige denn gespürt. Sakura und Neji schienen dagegen viel ruhiger zu sein, als ich. Natürlich sah man ihnen auch an, dass sie es nicht auf die leichte Schulter nahmen, jedoch konnten die beiden sich viel besser beherrschen.

Bei Kakashi musste man da gar nicht erst anfangen. Seine halb-geschlossenen Augen und seine Körperhaltung waren genau so monoton wie immer. Er musste durch die Aufgabe als Leiter allerdings diese Ruhe auch irgendwie versprühen. Ich zumindest wäre noch viel ängstlicher gewesen, wenn Kakashi nicht so entspannt wäre, wie er es nun mal immer ist. Ich erschrak, als Sakura und Neji vom Baum sprangen, runter zum Schlachtfeld. Kakashi setzte sich neben mich und schwieg erstmal. Ich ignorierte ihn, denn dieses Bild musste ich nun wirklich erst einmal verdauen - mir wurde übel. „Nimm dir die Zeit, die du brauchst", sagte Kakashi dann leise und beobachtete Neji und Sakura, die bereits nach Hinweisen auf die Angreifer suchten. Ich schwieg. „Tut mir leid", sagte ich nur und spürte einen leichten Klos im Hals, den ich direkt wieder versuchte herunterzuschlucken. Mittlerweile war ich mir gar nicht mehr sicher, ob er mir überhaupt noch abkaufte, dass ich blind war. Aber das war mir tatsächlich gerade relativ egal. Kakashi spürte meine Angespanntheit, ließ mich damit allerdings relativ alleine. Das fand ich gut, denn zuhören konnte ich ihm momentan sowieso nicht. Und außerdem war es allein meine Aufgabe, mich mit der Situation zu eruieren. Er war wirklich ein guter Sensei. Ich atmete einmal tief ein und aus und ballte Fäuste, um meine Schockstarre im meine Hände zu verbannen. Nach einigen weiteren Sekunden schaute ich Kakashi an und nickte. Zwar nicht überzeugend, aber immerhin - ich dachte es zumindest, dass ich es war. Kakashi legte seine Hand stärkend auf meine Schulter, bevor wir beide zusammen Neji und Sakura hinterhersprangen.

Sakura war dabei einige Proben zu ergattern, Neji wiederum schaute sich die Leichen etwas genauer an. „Es war ein sehr geplanter und schneller Angriff. Die Angreifer müssen ihnen schon eine ganze Weile gefolgt sein", erklärte Neji und hockte sich über eine der Leichen. Ich erkannte, dass jede dieser Leichen fast an den selben Verletzungen starb - mit einem Schnitt über den Hals. Neji schien dies wohl auch aufgefallen zu sein. „Es konnten nicht viele Angreifer gewesen sein. Die Mehrzahl der Leichen wurde durch ein und die selbe Person getötet", ergänzte Neji und zischte. Er fuhr mit seinen Fingern über die Augen der Leiche, über der er hockte, damit sich die Augen friedlich schlossen. Er schluckte. Auch jetzt bemerkte man, dass der Junge noch eine andere Seite besaß. Natürlich nahm einen so etwas mit. Neji stand auf und schaute sich um. „Byakugan!", brummte er dann und fixierte dabei absichtlich den weiteren Weg, den die Karawane genommen hätte, wäre sie nicht überfallen worden - nichts. Ich war immer noch dabei, die Leichen zu zählen, als mir ein bisschen weiter abseits etwas auffiel. Ich spürte etwas hinter den Büschen. Dasselbe Gefühl, dass ich hatte, als ich bei meiner gestrigen Nachtwache etwas gespürt habe. Direkt begab ich mich dort hin, wütig mit den Gedanken, wer so etwas schreckliches nur tun würde - ich wurde unvorsichtig.

Ich schlug die Blätter und Äste des Gestrüpps zur Seite, bevor ich nur erschrocken den Atem anhielt. Ich war wieder in Schockstarre. Ich hatte das Gefühl, dass mein Herz aufhörte, zu schlagen - ich hatte höllische Schmerzen in der Brust. Mein Blut gefrierte in meinen Adern, meine Gliedmaßen wurden kalt und schwer. Ich spürte erneut diesen Klos im Hals. Doch diesmal konnte ich ihn nicht unterdrücken. Ich keuchte. Tränen flossen in meine Augeninnenwinkel, beim Blinzeln kullerten sie mir die Wangen hinunter - mein Verband über meinem rechten Auge wurde nass. Ich atmete schwer, ich war am zittern.

Vor mir lag ein kleines Kind, welches mit verkrampften Muskeln und Gesichtszügen aussah, als wäre es versteinert worden. Ihre Klamotten waren zerrissen, alles war voller Blut. Ich keuchte erneut und sank über dem Kind zusammen, bevor ich noch einen weiteren Schrecken bekam. Jedoch standen bereits Neji und Kakashi hinter mir, ich hatte sie überhaupt nicht kommen hören. Ich erhob meine Hand über das Kind und legte sie an ihren Hals - es war kalt. Ich bemerkte das Blut an meinem Finger, doch das war mir einerlei. Vorsichtig zog ich meinen Finger an der Schnittwunde entlang. Erst über den Hals, dann quer runter zum Unterbauch, dann...

Ich schreckte auf. Neji und Kakashi weilten immer noch hinter mir, aber vor allem Kakashi ahnte etwas - wir hatten den selben Gedanken. Ich hatte eine Hand auf meiner Schulter liegen, wusste allerdings nicht, von welchen der beiden Jungs sie letztendlich kam. Ich kramte, während ich durch meine Tränen absolut nichts sehen konnte, in meiner linken Rucksacktasche herum und packte die kleine Puppe an ihrem Kopf, als ich sie auch schon rauszog. Ich hielt sie hoch, neben das kleine Mädchen und keuchte erneut auf, als ich auch auf der roten Naht der Puppe mit meinem Finger entlang fuhr.

Asterisking - Das Sternenkind in Konoha Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt