Kaum dass Raphael den Raum betreten hatte, stand Lily von der Couch auf und lief zu ihm. ,,Na endlich!" seufzte sie. ,,Ich kann mir dieses Rumnörgeln nicht mehr antun. Seit du weggingst, sind jetzt schon vier Leute zu mir gekommen und meinten, sie würden einfach nichts finden. Ich hab ihnen gesagt, dass sie nicht aufhören sollen, sie zu suchen, bis wir sie haben." Raphael seufzte ebenfalls. ,,Hast du irgendwas aus den Unterlagen herausfinden können?" Lily schüttelte den Kopf. ,,Was das angeht, haben die Anderen Recht: Es ist frustrierend." Sie fuhr sich angespannt durch die schwarzen Haare; eine Geste, die man bei der Vampirin nur in besonders stressigen Situationen beobachten konnte. ,,Hilfst du mir? Vielleicht hab ich ja irgendwas übersehen." Raphael jedoch warf seiner Freundin einen entschuldigenden Blick zu und erwiderte: ,,Unsere größte Hoffnung ist Simons Verbindung zu ihr. Ich hab versucht, ihn dazu zu überreden endlich mit der Suche anzufangen, aber er wollte erst seine Mutter aufsuchen. Versteh mich nicht falsch, ich kann ihn ja verstehen, aber Camille hat gerade oberste Priorität." ,,Ich weiß." seufzte Lily. Einen Moment musterte sie ihren Gegenüber, ehe sie anmerkte: ,,Ich kenne diesen Ausdruck; was hast du vor?" ,,Simon will sich heute mit seiner Mutter in einem Café treffen. Ich werde etwas tun, was ich wahrscheinlich später bereuen werde. Aber wenn es hilft, Camille zu finden..." Im nächsten Moment war Raphael schon wieder die Tür hinaus. ,,Klar, geh nur!" sagte Lily mehr zu sich selbst. ,,Spiel dein Spielchen mit Simon, während ich die Akten einfach allein nochmal durcharbeite."
Im Café erkannte Raphael relativ schnell, wer von den Gästen Simons Mutter war. Er stellte sich ihr gegenüber und fragte vorsichtig: ,,Misses Lewis?" Die Frau sah auf und antwortete überrascht: ,,Ja?" Raphael sagte das erste, was ihm einfiel: ,,Ich bin Raphael Santiago, der Manager von Simons Band. Ich würde gern etwas mit ihnen besprechen." Er tischte der Frau die selbe Ausrede auf, wie Simon zuvor tun wollte: Dass die Band auf Tour ging. Nach ein paar Minuten Erklärung, wieso Simon in Zukunft wenig Zeit haben würde, stand er auf und holte der Frau einen weiteren Kaffee. Da hörte er, wie sich die Tür öffnete und kurz darauf Simons Stimme: ,,Mom?" ,,Simon!" Eine Weile hörte er dem Gespräch der Beiden zu, während der Barista den von ihm bestellten Kaffee zubereitete.
,,Ich dachte, es wär was Schreckliches passiert! Ich hab schon überall nach dir gesucht." ,,Das tut mir so leid!" erwiderte Simon schlicht. ,,Ich muss dir dringend etwas sagen. Und zwar, wo ich war und . . . wer ich bin." ,,Schon in Ordnung. Ich weiß es." ,,Du weißt es?" fragte Simon überrascht. ,,Hast du etwa gedacht, ich würde es nicht 'rausfinden?" ,,Aber ich..." ,,Äffchen, du hättest es mir sagen sollen." Raphael schmunzelte aufgrund des Spitznamens, da stellte der Barista ihm den Kaffee vor die Nase und nannte den Betrag. Raphael reichte ihm das Geld, nahm den Kaffee und lief langsam zurück zum Tisch. Gerade als er sich umdrehte sagte Elaine: ,,Wenn der Manager deiner Band mich nicht gefunden und mir alles erzählt hätte, weiß ich nicht, was ich getan hätte!" ,,Was? Mein Manager?!" ,,Ja..." Simons Mutter drehte sich zu ihm um und Simon folgte ihrem Blick. Als er Raphael entdeckte, setzte seine Atmung kurz aus. ,,Hallo, Simon." grinste Raphael daraufhin. ,,Du hast es meiner Mom erzählt?" fragte Simon nur. ,,Selbstverständlich." erwiderte Raphael nur, wohl wissend was Simon dachte. Jedoch fügte er kurz darauf noch hinzu: ,,Wieso hast du ihr nichts von der Tour erzählt?" , woraufhin Simons Atmung langsam wieder gleichmäßig wurde. ,,Klar." lachte Simon nervös. ,,Tut mir leid, Mom. Mein Handy-Akku ist tot. Wie so manch Anderes." Der letzte Satz war kaum lauter als ein Flüstern, doch Raphael verstand es genau. ,,Raphael hat mir Gesellschaft geleistet, bis du wieder aufgetaucht bist." erwiderte die Frau. Da meldete Raphael sich zu Wort: ,,Weißt du, Simon...Du solltest dich besser um deine Mutter kümmern. Es ist viel zu spät um noch allein unterwegs zu sein. Du würdest es dir nie verzeihen, wenn ihr was passiert." Er warf dem Frischling einen vielsagenden Blick zu. ,,Sie sind sehr nett, aber Sie müssen sich keine Sorgen um mich machen." erwiderte Elaine und musterte ihren Sohn. ,,Spätzchen, du bist so blass!" sagte sie und legte eine Hand an seine Wange. ,,Und kalt. Ich besorg was warmes zu trinken." ,,Danke, Mom." Damit ließ sie die beiden Vampire allein. Sofort beugte Simon sich zu Raphael hinüber und zischte: ,,Was soll das?!" ,,Du solltest Camille suchen, nicht deine Mutter." ,,Du bedrohst meine Familie!" ,,Und du bedrohst meine!" erwiderte Raphael. ,,Je länger Camille frei rumläuft, umso mehr Leute wird sie töten, meine Leute! Zwing mich nicht runter auf Camilles Niveau." Da kam Simons Mutter auch schon zurück und drückte ihrem Sohn eine dampfende Tasse in die Hand. ,,Also, jetzt wo Simon zurück ist," sagte Raphael. ,,ist es Zeit für mich zu gehen." ,,Wirklich?" fragte Elaine fast schon enttäuscht. ,,Ich wünschte, ich könnte Ihnen irgendwie für alles danken. Wissen Sie was: Wieso kommen Sie nicht mal zum Essen vorbei? Dann reden wir über Simons Musiker Karriere, seine Buchhalter Karriere-" ,,Mom, er kann nicht. Er hat extrem viel zu tun." fiel Simon seiner Mutter ins Wort, doch diese erwiderte nur: ,,Schätzchen, jeder deiner Freunde ist auch unser Freund." Dann wendete sie sich an Raphael und fügte noch hinzu: ,,Sie sind in meinem Haus willkommen, jederzeit." ,,Bei Ihnen Zuhause?" fragte Raphael mit einem gefährlichen Unterton. Er würde es nicht zugeben, aber irgendwie genoss er es, Simon nervös zu machen. Vor allem in Anbetracht der Tatsache, dass er seine Drohungen niemals verwirklichen würde. ,,Das ist eine sehr nette Einladung." fügte er noch hinzu und warf Simon einem Seitenblick zu. Mit einem 'Wir sehen uns, Simon' ging er und ließ die beiden wieder allein.
Er schaffte es gerade noch so vor Sonnenaufgang ins Hotel. Nachdem er sicher gegangen war, dass es auch alle wieder zurück geschafft hatten, schickte er Lily ins Bett und sah sich noch einmal die Akten an. Er bemerkte gar nicht, dass es schon wieder Nacht war, bis Stan ihn unterbrach. ,,Hey, Boss. So früh schon auf?" Perplex sah Raphael auf. ,,Wieso? Wie viel Uhr ist es?" ,,Es dämmert grade." erwiderte Stan, zuckte dann aber die Schultern und drückte ihm einen Brief in die Hand. ,,Wurde gerade hier vorbei gebracht." erklärte er, während Raphael den Brief öffnete. ,,Vom örtlichen Institut." Er las sich das Schreiben mit zusammengezogenen Augenbrauen durch, ehe er langsam sagte: ,,In Ordnung. Danke, Stan. Du kannst gehen." ,,Darf ich fragen, was los ist?" erwiderte dieser jedoch nur. Raphael zögerte einen Moment, entschied sich dann aber, dass es nicht schaden kann, es ihm zu sagen. ,,Ich wurde ins Institut vorgeladen. Mit Anwesenheitspflicht."
Als er am nächsten Abend im New Yorker Institut ankam, wurde er sofort von zwei Shadowhuntern in das Büro des Institutsleiters gebracht, wo Victor Aldertree schon auf ihn wartete. Zuerst wurde Raphael mit Fragen durchlöchert, wie er es auch erwartet hatte. Doch kurz nachdem er sich hingesetzt hatte, änderte sich die Situation rapide. Mit einem Knopf auf einer Fernbedienung schlossen sich Fesseln aus Metall um seine Handgelenke und er war den Stuhl gefesselt. ,,Was soll das?" fragte Raphael wütend. ,,Etwas neues aus unserem Forschungslabor." erklärte Aldertree und erhob sich von seinem Stuhl hinter dem Schreibtisch. ,,Damit unsere Vampir-Freunde . . . kooperieren." Mit einem weiteren Knopfdruck öffnete sich eine Klappe in der Decke und ein Laser kam hervor. Ein blauer Strahl leuchtete über dem Schreibtisch und kam immer näher Richtung Raphaels Stuhl. ,,Konzentrierte UV-Strahlen." sagte der Shadowhunter und hielt seine Hand unter den Strahl, was ihm natürlich keinerlei Schmerzen zufügte. ,,Noch intensiver als Sonnenlicht." Raphael versuchte sich zu befreien, doch selbst seine übernatürliche Stärke brachte nichts. Als der Strahl auf seine Hand traf, stöhnte er unterdrückt auf. Eine präzise Linie brannte sich tief in sein untotes Fleisch und er wusste, dass das so schnell nicht verheilen würde. ,,Stop!" ächzte er unter Schmerzen. Doch Aldertree fragte nur: ,,Wo ist Camille?" ,,Ich hab Ihnen doch gesagt, ich weiß es nicht!" erwiderte der Vampir. Der blaue Strahl war nun auf dem Ärmel, seines Anzugs, gelandet und wanderte nach oben. Solange seine Kleidung ihn von dem Strahl trennte, spürte er kaum etwas davon, doch er wusste, es würde nicht mehr lange dauern und er wäre soweit gewandert, dass er sein ungeschütztes Gesicht berührte. ,,Damit kommen sie nicht durch." keuchte Raphael. ,,Folterung von Unterweltlern ist gegen die Regeln." ,,Wir sind uns der Regeln sehr wohl bewusst." erwiderte Aldertree gelassen. ,,Wir nennen das . . . Motivation." Kurz darauf berührte der Strahl sein Gesicht und Raphael schrie unter Schmerzen auf. Stundenlang folterte man ihn, stellte ihm Fragen und folterte ihn noch mehr. Schließlich jedoch gab Aldertree auf und ließ ihn gehen. Ins Hotel zurück wollte der Clanführer nicht. Nicht so. Also ging er zu dem einzigen Ort, der ihm noch einfiel: Magnus' Loft. Es fiel ihm schwer, sich auf den Beinen zu halten, doch irgendwie schaffte er es zu dem Hexenmeister nach Hause. Er drückte auf die Klingel und erhielt sofort eine Antwort. ,,Komme!" hörte er direkt durch die Wohnung schallen. Wenig später öffnete sich die Tür und Magnus sah ihn schockiert an. ,,Raphael..." ,,Ich kann sonst nirgendwohin." erklärte er sich.

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In The Shadows
FanfictionSimon Lewis und Clary Fray waren schon immer beste Freunde. Zusammen gehen sie durch Dick und Dünn. Sie kennen einander in und auswendig. Nur eine Sache gibt es, die Clary nicht über Simon weiß. Als sie herausfindet, dass sie eine Schattenjägerin i...