XV.

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Simon konnte es einfach nicht fassen, dass Raphael es wagte, seine Mutter zu bedrohen. Er verstand ja, dass Camille gefährlich war und man sie schnellstmöglich finden sollte, aber seine Mutter war auch wichtig. Er konnte sein altes Leben doch nicht einfach wegwerfen! Nachdem er seine Mutter sicher nachhause gebracht hatte, überlegte er, wie er das mit Camille am besten anstellen konnte. Da fiel ihm jemand ein: Magnus Bane. Schließlich hatte der Hexenmeister ihm schon mal geholfen. Also machte Simon sich auf den Weg zu Magnus' Loft, wo er ohne zu zögern an die Tür klopfte und rief:  ,,Magnus, bist du da? Ich bin's!"  Wenig später öffnete sich auch schon die Tür und Simon stürmte in die Wohnung.  ,,Okay. Zeit, deinen Worten Taten folgen zu lassen. Hilf mir, Camille zu finden, weil Raph-" Kaum dass Simon im Wohnzimmer stand, sah er besagten Vampir auf sich zukommen. Im ersten Moment war Simon geschockt von den riesigen Narben, die sich über die Seite von Raphaels Gesicht und Kopf zogen. Keine halbe Sekunde später jedoch, überkam ihn eine intensive Wut auf den Älteren und er knurrte:  ,,Mann, du bist echt überall!"  Raphael jedoch zeigte nur auf seine Narben und sagte:  ,,Aldertree hat mir das angetan, und zwar wegen dir!"  ,,Ja, siehst kacke aus. Komm doch her, Scarface!" Die beiden gingen fauchend und knurrend aufeinander los, doch Magnus ging schnell dazwischen.  ,,Hey, hey, hey, Jungs! Ganz ruhig. Lasst uns darüber wie zivilisierte Unterweltler reden. Wer möchte einen Martini? Ich nehm' 'nen Doppelten." Langsam ging Magnus zur Küche und ließ die beiden Vampire allein.  ,,Du hast meiner Mutter gedroht!" sagte Simon aufgebracht, doch Raphael erwiderte nur:  ,,Und hättest du dich mehr angestrengt, um Camille zu finden,-"  ,,Mich mehr angestrengt?!" fiel Simon ihm ins Wort.  ,,Ich war in Indien, hab mich mit 'ner Kobra rumgeschlagen und alles nur für diese blöde Box von ihr!" Er holte das hölzerne Kästchen aus seiner Tasche und hielt es Raphael vor die Nase. Dieser riss dem Jüngeren den Gegenstand sofort aus der Hand.  ,,Diese 'blöde Box' ist heilig!" erwiderte Raphael.  ,,Weißt du wieso? Sie enthält Camilles Graberde." Da kam Magnus aus der Küche zurück.  ,,Graberde?" fragte der Hexenmeister.   ,,Ich dachte eher an Diamanten oder diesen Goldring, den sie aus Kleopatras Grab stahl." Simon hatte ähnliches gedacht, aber nein; nun durfte er herausfinden, dass sich in dem Kästchen nur Erde befand. Neben der Wut machten sich Enttäuschung und Verwirrung breit, als er fragte:  ,,All die Aufregung, wegen 'nem bisschen Dreck? Weiht ihr mich mal ein?!"  ,,Besitzt man die Graberde eines Vampirs, kann man ihn damit beschwören." erklärte Raphael.  ,,Toll." meinte Simon nur.  ,,Aber, nicht dass das wichtig wäre, das Ding ist schwerer zu öffnen als die Bundeslade!" Doch Raphael nahm nur unbeeindruckt den Swizzle Stick aus Magnus' Martini Glas und zog das scharfe Ende über Simons Handfläche.  ,,Au! Was zur Hölle?!" rief Simon aus, während der Ältere seine blutende Hand über das Schächtelchen hielt.  ,,Um die Box zu öffnen, braucht man Camilles Blut." erklärte der Vampir, während er Simons Hand etwas zusammen drückte, sodass sein Blut daran herunterlief und auf die Box tropfte.  ,,Und da sie deine Erschafferin ist..."  Das Kästchen sprang auf und der Deckel fiel zu Boden.  ,,Okay..." meinte Simon.  ,,Und was jetzt?" Die Drei entschieden sich, erst einen Schutzzauber vorzubereiten, bevor sie die Vampirin beschwören würden. Und da es bald dämmern würde, bot Magnus den beiden Jungs jeweils ein Gästezimmer an. Doch gerade als Simon zu Bett gehen wollte, bemerkte er, dass sich in dem Gästebett kein Kissen befand. Da er Magnus nicht wecken wollte, ging er stattdessen zum Zimmer nebenan, um sich von dort ein Kissen zu holen. Als er die Tür jedoch öffnete bot sich ihm ein Bild, das ihn innehalten ließ. Raphael stand oberkörperfrei vor seinem Bett und faltete gerade sein Hemd. Doch es war nicht Raphaels gut gebauter Körper, der Simons Blick in Beschlag nahm, sondern die großen und sehr schmerzhaft aussehenden Narben, die sich über seine gesamte Brust zogen.  ,,Simon!" riss Raphaels drängende Stimme ihn aus seinen Gedanken.  ,,Ja, was?" fragte Simon nur etwas aus der Bahn geworfen.  ,,Was willst du hier?"  ,,Oh, ja, richtig . . ich-ähm ich-ich wollte nur . . ." fing Simon an zu stottern.  ,,A-also, in meinem Zimmer ist kein Kissen. Ich dachte . . na ja, vielleicht-" Raphael unterbrach Simons Herumgestotter, indem er eines seiner Kissen nahm und es dem Jüngeren zuwarf. Dankend fing Simon es auf, drehte sich um und wollte gerade gehen, jedoch konnte er sich einen Blick über die Schulter nicht verkneifen.  ,,Alles okay?" fragte er, woraufhin Raphael sich umdrehte und zu seinem Bett ging.   ,,Geh schlafen, Frischling." sagte er nur. Simon tat wie ihm geheißen, jedoch schlief er nicht lange. Kurz nach Sonnenuntergang gab er es schließlich auf, wieder einschlafen zu wollen und ging nach draußen auf den Balkon, wo Magnus auf einem Stuhl saß und in die Sterne sah.  ,,Kalte Füße?" fragte Simon, woraufhin Magnus sich umdrehte und ihn einfach nur ansah. Simon schloss die Tür und trat zu Magnus auf den Balkon.  ,,Hör zu...Ich versteh ja, das ist nicht einfach nach dem was zwischen dir und Camille . . . du weißt schon." sagte der Frischling.  ,,Aber falls du dich dafür schuldig fühlst, sie dem Rat zu übergeben, zeig ich dir Handyfotos, von der Höhle, die sie geschaffen hat und die ist . . .ziemlich krass. Und-ähm...Sie hat mich getötet, also soviel dazu..."  ,,Ich gebe zu, sie wurde rücksichtsloser, die letzten zweihundert Jahren und ich kann nicht entschuldigen, was sie getan hat." erwiderte Magnus.  ,,Aber sie ist nicht nur böse."  ,,Nicht, dass ich dir nicht glauben möchte, aber dafür brauch ich einen Beweis." Der Hexenmeister zögerte, erzählte Simon jedoch schließlich eine Geschichte aus London, wie Camille ihn damals vor dem Selbstmord bewahrt hat. Dass Camille so etwas tun würde, konnte Simon sich nicht vorstellen, doch er glaubte Magnus.  ,,Wow...Und ich dachte, du wärst der Duracell-Hase unter den Hexern." sagte der Frischling, um die Stimmung etwas aufzulockern.  ,,Meistens bin ich das." stimmte Magnus ihm zu.  ,,Aber in meinen dunkelsten Momenten, hab auch ich Schwierigkeiten. Ganz genauso, wie du."  ,,Klaro."  ,,Jetzt weißt du, wieso es nicht so einfach ist." Einen Moment war es still zwischen den Beiden, da sagte Magnus plötzlich:  ,,Hättest du ein Problem damit, wenn ich das mit Camille allein regeln würde?" Simon sah ihn kurz nachdenklich an und schüttelte dann langsam den Kopf.  ,,Sie ist wirklich gefährlich." meinte er.  ,,Wir können sie nicht einfach gehen lassen und-"  ,,Das will ich auch nicht." fiel Magnus ihm ins Wort.  ,,Ich will nur noch mal mit ihr reden.  Allein. Dann liefere ich sie dem Rat aus." Simon nickte schließlich.  ,,Ja, okay."  ,,Außerdem solltest du mit Raphael sprechen." Verwirrt sah Simon zu dem Hexenmeister hinüber.  ,,Mit Raphael? Wieso? Der Kerl hasst mich!" Doch Magnus lachte nur dunkel auf.  ,,Nein, tut er nicht." erwiderte er.  ,,Vertrau mir, ich weiß wie Raphael sich gegenüber Leuten verhält, die er hasst. Auf dich ist er nur sauer."  ,,Das ist ja beruhigend!" Magnus verdrehte nur die Augen, stand auf und lief nach drinnen, während er sagte:  ,,Rede einfach nochmal mit ihm. Und versuch diesmal keine Ausreden zu finden, warum du getan hast, was du getan hast. Nach einer Entschuldigung folgt kein 'Aber'." Damit schloss sich die Glastür und Simon wurde mit seinen Gedanken draußen allein gelassen. Vielleicht hatte Magnus recht...

Ein paar Minuten später entschied Simon sich, nach drinnen zu gehen und nachzuschauen, wie weit Magnus mit dem Zauber war.  ,,Hey, ich will nicht nerven, aber ich hab meiner Mom versprochen, um acht zu Hause zu sein. Also, wenn du vielleicht..." sagte er. Magnus warf ihm nur einen entsetzten, wie auch warnenden Blick zu, woraufhin der Frischling meinte:  ,,Das kann warten. Schon gut." Da kam Raphael aus dem Flur zu den Beiden. Er war vollständig angezogen, seine Haare waren gemacht und seine Wunden im Gesicht waren verheilt.  ,,Also," setzte er an.  ,,ist alles bereit?"  ,,Fast." erwiderte Magnus und holte ein Stück Papier hervor, dass er den Beiden in die Hand drückte.  ,,Ihr Zwei müsst zu dieser Adresse gehen. Meine Freundin Catarina hat Zutaten, die den Zauber extra stark machen."  ,,Ich dachte, die Falle für Camille wär' fertig." merkte Raphael an, Simon stimmte ihm zu.  ,,Ja, ich dachte, das Zeug ist stark genug, um Hannibal Lecter aufzuhalten."  ,,Unterschätzt niemals Camilles Stärke!" erwiderte Magnus und warf Simon einen drängenden Blick zu. Dieser erinnerte sich an das Gespräch auf dem Balkon und verstand.  ,,Auf zu Catarina!" sagte er daraufhin schnell. Die beiden Vampire gingen durch die Tür nach draußen und still den Flur entlang. Erst als sie schon ein paar Minuten durch die dunkle Straße gewandert waren, brach Raphael plötzlich die Stille.  ,,Warte mal." sagte er und sah sich den Zettel genauer an.  ,,Die Zutaten hat Magnus doch Zuhause. Er muss irgendeinen Fehler gemacht haben. Ich werd schnell-" Doch gerade als er losgehen wollte, nahm Simon ihn am Arm und sagte:  ,,Nein, er hat keinen Fehler gemacht."  ,,Wovon sprichst du?" fragte Raphael verwirrt.  ,,Er-ähm... Er wollte ein paar Minuten allein mit Camille, bevor er sie dem Rat ausliefert." Einen Moment sah Raphael den Frischling an, nickte dann und sagte:  ,,Okay, dann  . . .  kann ich ja auch wieder nach Hause." 

In The ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt