XXXII.

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Insgesamt drei Tage blieb Simon in Florida, bis er die Beerdigung endlich hinter sich hatte. Die meiste Zeit war er damit beschäftigt, die Beerdigung vorzubereiten und seiner Schwester zu versichern, dass es nicht ihre Schuld war. Dass sie nicht auf ihre Mutter aufpassen musste und dass sie den Unfall nicht hätte verhindern können.

Nun blickte Simon auf das Grab hinab und las den Namen immer und immer wieder. Elaine Lewis. Er konnte es einfach nicht glauben. Seit sein Vater gestorben war, gab es nur noch seine Mutter, seine Schwester und ihn. Und nur weil so ein inkompetenter Vollidiot ihr die Vorfahrt genommen hatte . . .

,,Alles in Ordnung bei dir?" fragte Rebecca und legte ihrem jüngeren Bruder eine Hand auf den Arm.  ,,Geht schon." murmelte er. ,,Und bei dir?" Sie nickte nur still. Eine Weile standen die Beiden noch am Grab, bevor sie den Friedhof verließen. ,,Du kannst heute auch bei mir übernachten." bot Beccy an. ,,Du musst nicht noch allein nach Hause fahren." Simon nickte dankbar. ,,Ja, ich denke, ich-" Da sah er jemanden an Beccys Auto stehen. ,,Wer ist das?" fragte seine Schwester keine zwei Sekunden später. Simon schluckte. Gerade als er antworten wollte, beschleunigte Rebecca ihre Schritte und sprach den Mann an. ,,Entschuldigen Sie, Sir." sagte sie. ,,Kennen wir-" Plötzlich blieb sie stehen und warf Simon einen Blick über die Schulter zu. Der Latino machte einen Schritt nach vorne und streckte ihr seine Hand entgegen. ,,Ich denke, wir haben uns schon mal gesehen, wurden einander jedoch nicht vorgestellt." sagte er und lächelte freundlich. ,,Raphael Santiago." Beccy nahm vorsichtig seine Hand in ihre und musterte ihn misstrauisch. Sie hatte anscheinend nicht vergessen, was Simon ihr über ihn erzählt hatte. ,,Rebecca Lewis." sagte sie. ,,Und Simon kennen Sie ja bereits." Raphael warf Simon einen schnellen Blick zu, ehe er sich wieder an seine Schwester wandte:  ,,Ich nehme an, er hat von mir erzählt?"  ,,Das hat er." bestätigte Beccy.  ,,Was genau tun Sie hier, Mister Santiago?" Raphael verlagerte nervös sein Gewicht auf das andere Bein und Simon konnte hören, wie sich sein Puls beschleunigte.  ,,Ich bin in Auftrag von Simons Freundin hier." sagte er schließlich.  ,,Ich soll ihm etwas ausrichten."  Abrupt drehte Rebecca sich zu ihrem kleinen Bruder um.  ,,Du hast eine Freundin?!" fragte sie.  ,,Warum hast du mir nichts davon erzählt?" Simon zögerte. Er hatte es ihr erzählen wollen, aber irgendetwas daran ist ihm nicht richtig vorgekommen. Schließlich räusperte er sich und sagte nur:  ,,Das ist eine lange Geschichte. Fahr doch schon mal vor, ich komm dann nach." Beccy nickte zögerlich und setzte sich, nach einer kurzen Verabschiedung, ins Auto. Kaum dass sie vom Parkplatz verschwunden war, fragte Simon:  ,,Du bist nicht wegen Isabelle hier, richtig?" Raphael senkte den Blick.  ,,Nein." gestand er.  ,,Ich hab mir Sorgen gemacht. Wollte sehen, wie es dir geht."  ,,Meine Mutter ist tot. Wie soll's mir schon gehen?!" Stille. Eine verdammt unangenehme Stille breitete sich zwischen ihnen aus. Eine Weile standen sie sich stumm gegenüber. Simon lauschte Raphaels schnellem Herzschlag, bis er es schließlich nicht mehr aushielt und gerade zu sprechen anfangen wollte, als Raphael ihm zuvorkam:  ,,Simon, ich weiß, ich war nicht immer nett zu dir," fing er an.  ,,und das tut mir leid, wirklich. Ich will nur, dass du weißt . . . Ich hasse dich nicht. Auch wenn es manchmal so ausgesehen hat. Ich wollte dich nie wirklich verletzen. Und das, was ich über deine Mutter gesagt habe . . . Ich war frustriert, wegen der ganzen Sache mit Camille und wusste keinen anderen Ausweg. Es tut mir wirklich leid."  ,,Schon gut." erwiderte Simon.  ,,Immerhin hast du nicht gelogen." Die Bitterkeit in seiner Stimme war unbeabsichtigt, doch er konnte sie nicht aufhalten.  ,,Aber so hätte es nicht passieren dürfen." entgegnete Raphael.  ,,Das konnte keiner wissen."  ,,Aber man hätte es verhindern können." wendete Simon leise ein.  ,,Hätte ich  ihr nicht ihre Erinnerungen genommen, wäre sie nie nach Florida gegangen. Sie wäre nie . . ." Seine Stimme brach, er schloss die Augen und eine einzelne Träne bahnte sich einen Weg über seine Wange. Plötzlich legten sich sanft zwei Hände auf seine Schultern und er hörte Raphaels eindringliche Stimme:  ,,Simon, es war nicht deine Schuld. Es war ein Unfall. Okay? Sieh mich an. Simon, sieh mich an." Langsam öffnete er seine Augen wieder und starrte direkt in die dunklen Augen seines Gegenübers. Meistens sahen Raphaels Augen fast schon schwarz aus. Wie ein Meer, das drohte, einen in die Tiefe zu reißen und mit seiner Dunkelheit zu ersticken. Doch im Licht der Abendsonne, schienen seine Augen in den verschiedensten Braun- und Goldtönen zu leuchten. Der Anblick beruhigte Simon etwas und er war in der Lage, zustimmend zu nicken.  ,,Ja?" fragte Raphael vorsichtig.  ,,Du hast nichts Falsches getan. Okay?" Simon nickte.  ,,Okay."  ,,Ja?"  ,,Ja."  ,,Okay." seufzte der Ältere. Nun fing Simon wirklich an, zu weinen. Er versuchte zwar, sich zusammen zu reißen, doch er konnte seine Tränen einfach nicht aufhalten. Etwas steif zog Raphael ihn in seine Arme. Simon merkte jedes Mal wieder, dass Raphael es anscheinend nicht gewohnt war, jemanden auf diese Weise zu trösten, dennoch tat es gut, einfach nur von ihm gehalten zu werden.  ,,Danke." flüsterte er.  ,,Dass du hergekommen bist."  ,,De nada." Da klingelte plötzlich Raphaels Handy und kurz darauf auch Simons.  ,,Es ist Magnus." murmelte Raphael, bevor er ranging. Bei Simon war es Lily.   ,,Hallo?"  ,,Simon!" Sie klang aufgeregt.  ,,Ist Raphael bei dir?"  ,,Ja, wieso?" Simon zog fragend die Augenbrauen zusammen.  ,,Er muss sofort nach Hause kommen! Es gibt neue Entwicklungen. Wir haben etwas sehr Wichtiges gefunden." 

,,Ihr kennt ihren Standort?" fragte Simon ungläubig. ,,A-aber wie . . .?" Gerade wollte Magnus anfangen, zu erklären, als plötzlich die Tür zu Lilys Büro aufgerissen wurde. Einer der Hybriden stand im Türrahmen und sah die Anderen mit einer Mischung aus Schock und purer Freude an. ,,Ihr wisst, wo sie sind?" fragte er. ,,Ihr habt diese Bastarde endlich gefunden?" ,,Ja, das haben wir." antwortete Lily, woraufhin der Mann einen Freudenschrei ausstieß. ,,Und was machen wir jetzt? Werden wir mit Waffen auf sie losgehen oder-" ,,Völlig ausgeschlossen." fiel Alec ihm ins Wort.  ,,Wir sind viel zu wenige."  ,,Wir tun erstmal nichts." meldete sich nun auch Isabelle zu Wort. Die Mimik des Mannes änderte sich schlagartig. ,,Nichts?!" rief der Hybrid aus. Auch Simon war verwirrt. ,,W-warte mal." stotterte er. ,,Wie meinst du das?"   ,,Wir wissen zwar, wo sie sind, aber wir haben keine Ahnung, wie viele dort herumwuseln." erklärte Isabelle. ,,Ganz zu schweigen davon, dass sie möglicherweise Waffen besitzen, von denen wir keine Ahnung haben. Wir werden sie erstmal observieren und dann sehen wir weiter." Die Tür fiel mit einem lauten Krachen ins Schloss, als der Hybrid wütend davon stürmte. Da fasste Simon einen Entschluss. Ohne zu zögern lief er dem Hybriden nach. ,,Hey!" rief er. ,,Hey, warte mal!" Der Mann drehte sich um und sah Simon fragend an. ,,Was willst du?" fragte er. ,,Mich beruhigen? Mir sagen, dass es so sicherer ist?" ,,Nein." erwiderte Simon. ,,Ich wollte nur sagen, dass ich verstehe, dass du wütend bist." ,,Aber?"  ,,Nichts aber. Ich bin auch wütend. Und ich denke, wir sollten etwas tun." Auf dem Gesicht des Mannes breitete sich ein verstehender Ausdruck aus. ,,Wie ist dein Plan?"

,,Soweit ich weiß, schlafen Alec und Magnus in einem Gästezimmer des Hotels, Isabelle kehrt nachts zum Institut zurück, genauso wie Clary und Jace und Raphael hat sein altes Zimmer bekommen. Das heißt also, nur Lily wird wach sein, um auf die Unterlagen aufzupassen. Einer von euch wird sie ablenken müssen, während drei von uns sich zu ihrem Büro schleichen und sich die Koordinaten holen." Simon sah in die Runde von Halb-Unterweltlern, ehe er seinen Plan weiter erklärte.  ,,Mithilfe der Koordinaten können wir die Shadowhunter finden, die für diesen ganzen Scheiß verantwortlich sind und sie zur Rechenschaft ziehen."  ,,Frage;" meldete sich ein dunkelhäutiger Halb-Werwolf zu Wort.  ,,Wer wird Lily ablenken?"  ,,Und könnten wir Ärger dafür bekommen?"   ,,Ja! Was wenn sie uns rauswerfen? Dann haben wir keinen Schlafplatz!" Simon hob beschwichtigend die Hände.  ,,Leute, bitte, beruhigt euch! Wir kriegen das hin. Wir müssen nur Ruhe bewahren und objektiv denken." sagte er.  ,,Nichts tun können wir jedenfalls nicht. Mit jeder Minute, die vergeht, haben diese Mistkerle mehr Zeit, um herauszufinden, dass wir ihnen auf der Spur sind. Alleine kann ich nicht viel machen, aber wenn alle mit dem Plan einverstanden sind, haben wir eine reale Chance." Es gab noch immer einige Einwände und unentschlossene Gesichter, doch als die Einzelheiten des Plans erstmal geklärt waren, waren alle damit einverstanden.   ,,Okay." setzte Simon an.  ,,Also, Sophie lenkt Lily ab," Er zeigte auf eine blonde Halb-Vampirin, welche daraufhin kurz nickte.  ,,dann halten Chloé und James jeweils an den beiden Türen wache," Die beiden Halb-Werwölfe nickten ebenfalls.  ,,während ich die Koordinaten suche. Währenddessen hält Jack auf dem Flur ausschau nach ungeladenen Gästen." Der Halb-Werwolf nickte bestätigend.   ,,Haben wir die Koordinaten, nehmen wir den Hintereingang durch die Tunnel. Den Eingang des Tunnels bewacht Mohammad," Der Halb-Vampir sah noch immer etwas zweifelnd drein, widersprach jedoch nicht.   ,,und den Ausgang der Tunnel bewacht Jessica."  ,,Genau." sagte die Halb-Hexe und nickte.   ,,Gut. Der Rest von euch wartet vor dem Hintereingang. Ein alter Freund von mir bringt mir meinen Van vorbei."  ,,Na, dann." sagte Jack.  ,,Mischen wir diese Dreckskerle mal auf!"

In The ShadowsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt