VI.

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Simon rannte nach Hause.  ,,Mom?" rief er, erhielt jedoch keine Antwort. Sie schien nicht da zu sein. Er ging in sein Zimmer und setzte sich auf die Kante seines Bett. Während er ins Nichts starrte, versuchte der Vampir zu begreifen, was da gerade alles mit ihm passierte. Er war ein Vampir. Ein totes Blut saugendes Monster aus der Unterwelt. Wie konnte Raphael ihm das nur antun?! Vielleicht bedeutete er ihm ja wirklich nichts. Nein, um jemandem so Etwas anzutun musste man ihn hassen. Raphael hasste ihn anscheinend. Wie konnte er nur?!  ,,Simon, bist du das?" wurde er aus seinen Gedanken gerissen. Er sah zur Seite und sah seine Mom im Türrahmen seines Zimmers stehen. Er erhob sich vom Bett, da stürmte seine Mutter auch schon auf ihn zu.  ,,Oh, Gott sei dank!" sagte sie und zog ihren Sohn in eine feste Umarmung.  ,,Meine Güte, wo warst du bloß?!"  ,,Mom..." murmelte Simon nur und drückte seine Mutter an sich.  ,,Tut mir so leid! Ich freu mich so, dich zu sehen."  ,,Ja, ich freu mich auch." erwiderte die Frau.  ,,Ich hatte wirklich Wahnsinns Angst! Clary sagte, dir geht's gut, aber ich hab dich schon tot gesehen, irgendwo in 'ner Gasse." Fast. dachte Simon sich. Seine Mutter löste sich aus der Umarmung und sah ihn mit Tränen gefüllten Augen an.  ,,Was soll ich bloß tun, wenn dir was passiert?! Bitte ruf mich nächstes Mal an und gib mir bescheid." sagte sie und konnte es sich nicht verkneifen, den Jungen noch einmal fest an sich zu drücken. ,,Ich will nur wissen, dass es dir gut geht, das ist alles!" murmelte sie. Simon wollte schon etwas erwidern, da spürte er ihn; den Hunger. Seine Sinne schärften sich. Er konnte hören, wie das Herz der Frau Blut durch ihren gesamten Körper pumpte, konnte die süße rote Flüssigkeit deutlich riechen, ihre lebendige Wärme spüren. Da bohrten sich zwei spitze Fangzähne durch sein Zahnfleisch, während sein Kopf instinktiv immer weiter an ihren Hals rutschte. Er war kurz davor zuzubeißen, als plötzlich...  ,,Simon!" Angesprochener sah erschrocken auf, als seine beste Freundin in sein Zimmer rein marschierte.  ,,Clary..." Simons Mutter löste sich von ihm und drehte sich um.  ,,Hi, Mrs. Lewis." begrüßte die Rothaarige sie.  ,,Hi." Sie drehte sich um und sah sich ihren Sohn genauer an.  ,,Geht's dir wirklich gut?" fragte sie, ehe sie sich wieder an Clary wendete:  ,,Findest du nicht auch, dass er blass aussieht? Moment; wo ist deine Brille?" Mrs. Lewis streckte den Arm nach Simon aus, dieser jedoch wich schnell zurück.  ,,Nein, lass das!"  ,,Er hat Kontaktlinsen." rettete Clary die Situation. Doch die Frau spürte, das etwas nicht stimmte.  ,,Irgendjemand sollte mir jetzt sagen, was los ist!" forderte sie. Stille. Keiner wusste, was er sagen sollte. Während Clary sich eine Ausrede überlegte, entschied Simon sich, ihr einfach die Wahrheit zu sagen.  ,,Mom, ich bin seit gestern-"  ,,beschäftigt mir zu helfen!" fiel die Schattenjägerin ihm ins Wort.  ,,Sie werden's nicht glauben, aber . . . mein Konto wurde gehackt, mein Ausweis geklaut . . . Ich bin völlig hilflos. Ich weiß gar nicht, was ich machen soll."  ,,Das ist schrecklich! Sowas ist mir auch schon passiert, aber . . . " Die Erwachsene sah zwischen ihrem Sohn und seiner besten Freundin hin und her.  ,,ich denke nicht, dass es ihm gut genug geht, um-" Doch Clary  interessierte es offensichtlich nicht, was Simons Mutter zu sagen hatte. Stattdessen wandte sie sich an Simon.  ,,Simon, wir waren immer für einander da!" Doch Simon war sich nicht sicher, ob er seine Mom wirklich anlügen wollte.  ,,Ich weiß nicht." ,,Clary, vielleicht solltest du ein ander' Mal kommen-" Die Rothaarige  wiederum gab nicht auf.  ,,Simon . . . ohne dich krieg ich's aber nicht hin!" Schließlich gab Simon auf.  ,,Ja."  ,,Sicher, mein Liebling?" fragte seine Mutter sicherheitshalber nochmal nach. ,,Äh-ja." erwiderte der Vampir nur.  ,,Mir geht's gut, Mom. Du weißt doch was für 'n Hypochonder ich sein kann." Anstatt ihm zu antworten drehte sich die Frau zu der jüngeren um.  ,,Clary," sagte sie.  ,,lass nicht zu, dass ihm was passiert. Du weißt, wie viel er mir bedeutet!" Doch Clary meinte nur:  ,,Wir sollten jetzt wirklich gehen."  ,,Wir sehen uns später." murmelte Simon und wollte gerade gehen, als seine Mutter noch meinte:  ,,Davon geh ich aus. Und wenn du wieder nach Hause kommst, werden wir zwei uns ernsthaft darüber unterhalten, was mit dir los ist!" Simon starrte seine Mutter einen Moment wie abwesend an, ehe er einfach sagte:  ,,Hab dich lieb." und ging. Als er durch den Flur ging, hörte er noch, wie seine Mutter ihm nach rief:  ,,Ich dich auch!" 

Ein paar Minuten später ging er zusammen mit Luke und Clary die dunkle Straße entlang. ,,Ich fühl mich krank." beschwerte Simon sich, woraufhin Luke nur meinte:  ,,Keine Sorge, du kriegst, was du brauchst."  ,,Das soll endlich aufhören!"  ,,Ich weiß, wie du dich fühlst." erklärte der Werwolf.  ,,Es wird besser."  ,,Ich helf dir, das durchzustehen." versuchte Clary es nun, doch Simon wollte davon nichts hören.  ,,Nein, das geht nicht." meinte er.  ,,Ich war 'n stinknormaler Kerl, ich hatte ein stinknormales Leben. Und heute . . ." Er blieb stehen, als ihm klar wurde, was da vorhin in seinem Haus geschehen war.  ,, . . . hätte ich fast meine Mutter zerfetzt." Er sah beunruhigt zu seiner besten Freundin.  ,,Was, wenn ich das bei dir tue?"  ,,Simon, das wirst du nicht!" Clarys Selbstbewusstsein beruhigte ihn jedoch nicht. ,,Geh weg!" sagte er und bog spontan in eine Gasse ein, in der er sich an die Wand lehnte. Clary folgte ihm, während Luke schon mal das Auto holte. Vorsichtig näherte das Mädchen sich dem Vampir. Sie versuchte, ihn zu beruhigen, was ihr allerdings ganz und gar nicht gelang.  ,,Sobald du frisst-"  ,,'Frisst'?!" Simon sah sie entsetzt an.  ,,Soll das 'n Scherz sein?! So läuft das jetzt ab, ja? Mein Leben spielt ab jetzt in einem Zoo?!"  ,,Mir tut das wahnsinnig leid!" stotterte die Rothaarige. Doch Simon unterbrach sie direkt.  ,,Wieso tut's dir  leid? Raphael hat mir das angetan!" Es folgte betretenes Schweigen, ehe Clary sich zusammenraffte und ihrem Freund erzählte:  ,,Simon, es war meine Entscheidung." Er sah sie einfach nur verständnislos an, also erklärte sie sich.  ,,Du warst tot. Raphael hat dich zu uns gebracht und mich vor die Wahl gestellt. Ich konnte dich zurückholen als . . Vampir, oder aber dich pfählen." Schockiert wendete Simon den Blick ab. Es war nicht Raphael. Er hatte keine Schuld, an dem, was er nun war. Es war Clarys Entscheidung gewesen. Seine langjährige beste Freundin, hatte ihn zu diesem Monster werden lassen. Er wusste nicht, was schlimmer war. Den Blick noch immer auf die kalte Straße gerichtet fragte er:  ,,Clary, wieso?"  ,,Weil ich dich liebe, Simon!"  ,,Das nennst du Liebe?!" rief er aus und sah sie verstört an.  ,,Du hast mich zurückgeholt in dieses  . . .  dieses Nichts! Wo ich 'fresse', mich vor der Sonne verstecke und nicht mit den Menschen zusammen sein kann, die ich liebe! Hast du je drüber nachgedacht, Clary? Sowas zu sein und wie's mir damit geht?!"  ,,Simon, versuch doch zu verstehen-" Doch er wollte davon nichts hören.  ,,Lass mich bloß in Frieden!" Die Beiden wechselten kein Wort mehr miteinander, während Luke seinen Pick-up parkte, Simon sich auf die Ladefläche setzte und von dem Werwolf einen Blutbeutel in die Hand gedrückt bekam.  ,,Trink's einfach." sagte Luke, als wäre es nichts.  ,,Du kriegst das hin, Simon!" Der Vampir warf ihr einen warnenden Blick zu, den die Schattenjägerin gerade noch so mitbekam, da ihr Handy klingelte. Sie ging ran und stellte sich etwas weiter weg, um mit Jace zu telefonieren. Von sich selbst angewidert, versenkte Simon seine Zähne in dem Plastikbeutel und trank den Inhalt komplett aus.  ,,Siehst du, es ist schon besser." meinte Luke, während er den leeren Beutel wegpackte. Er hatte recht; Simon fühlte sich nicht mehr ganz so elend. Satt war er allerdings noch lange nicht. Da stieg Simon der unangenehme Geruch von verbranntem Fleisch in die Nase. Als er den Blick hob, sah er, wie Clary sich eine Rune auf den Arm zeichnete. Als er sich etwas länger auf das Mädchen fokussierte, konnte er plötzlich Jace durch das Telefon hören:  ,,Mach dir keine Sorgen.Geh irgendwohin, wo es sicher ist. Wo der Rat dich nicht suchen würde. Ich find dich schon."  Sie legte auf und kam wieder zu den beiden Anderen zurück. ,,Wir gehen ins Jade Wolf." sagte sie. Doch Luke hatte das Gespräch offensichtlich mitgehört und sagte:  ,,Du gehörst zur Familie; Da sucht der Rat zuerst." Clary seufzte und sah ihren Freund entschuldigend an.  ,,Simon, jetzt suchen wir Jemanden auf, der uns Beiden helfen kann." Sie stiegen in Lukes Wagen und fuhren los. Simon redete die ganze Zeit über kein Wort. Er war sich nicht sicher, was er von Clarys Idee halten sollte. Andererseits fiel ihm auch nichts besseres ein. Doch als der Wagen parkte, Simon ausstieg und das große Gebäude hinauf schaute, bekam er Bauchschmerzen. Und das nicht nur wegen des beißenden Hungers, der ihm den Magen umdrehte. 

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