XXXI.

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! Achtung ! 

Inhalte könnten unter Umständen verstörend wirken.

Raphael, Simon, Lily und Magnus saßen auf der Couch in Lilys Suite und schauten sich durch ein blau umrandetes Portal das Verhör an. Rechts lehnten Jace und Clary an der Wand und links standen Isabelle und Alexander. Die Vier waren mit Kratzern und Blutergüssen übersät. An der hinteren Wand stand Lydia Branwell, ebenfalls voller blauer Flecken. In der Mitte des Raumes stand ein silberner Metalltisch, an dem sich Raj und Elvana Aldertree gegenüber saßen. Die beiden Albaner hatten ein Wahrheitsserum bekommen, wobei Isabelle des öfteren erwähnte, dass sie das Bekämpfen und Festhalten der Schattenjägerin sie ihr neues Oberteil gekostet hatte. Aldertree hingegen grinste jedes Mal, wenn sie dies erwähnte. Offensichtlich war sie eine sehr starke und begabte Schattenjägerin, doch gegen fünf andere Shadowhunter kam sogar sie nicht an.
Alec rollte mit den Augen. ,,Isabelle, bitte!"  ,,Die Bluse hab ich gestern erst gekauft!" erwiderte sie. Elvana grinste erneut und murmelte: ,,Und sie war sehr schön. Da tut es mir ja fast schon leid!" ,,Das reicht," knurrte Isabelle. ,,Ich werd die Bitch kalt machen!" Alec hielt seine Schwester zurück und seufzte. ,,Izzy..."
Raphaels Gedanken schweiften ab und er fuhr sich mit der Zunge über seine scharfen Fangzähne. Er konnte sie, seit er wieder zu sich gekommen war, nicht mehr einfahren. Und jetzt wo er keine Kontrolle mehr darüber hatte, störte ihn das ungemein. Was ihm allerdings wirklich Bauchschmerzen bereitete, war die Narbe an Simons Handgelenk; der Biss verheilte nicht. ,,Ich geh kurz vor die Tür, frische Luft schnappen." entschuldigte er sich, stand auf und verschwand durch die Tür. Doch schon auf der Treppe hörte er Schritte durch die Flure hallen. Es war Simon. Als der Tageslichtler bemerkte, dass Raphael ihn ansah, blieb er stehen.  ,,I-Ich wollte- . . . ähm  . . . Geht's  . . Geht's dir gut?" stotterte er.  ,,Den Umständen entsprechend." Stille. Diese verdammt unangenehme Stille, die in letzter Zeit viel zu oft zwischen ihnen herrschte. Nach einer kurzen Weile seufzte Simon schließlich und ging ein paar Stufen hinunter, sodass er direkt vor dem Älteren, eine Stufe über ihm, stand.  ,,Wenn diese ganze Sache hier vorbei ist-"  ,,-dann sehen wir weiter." fiel Raphael ihm ins Wort.  ,,Rede zuerst mit Isabelle. Versuch das in Ordnung zu bringen. Wer weiß, vielleicht bereust du deine jetzige Entscheidung irgendwann." Simon wollte gerade etwas erwidern, doch Raphael hob eine Hand und sagte:  ,,Wenn du mich nun entschuldigen würdest, ich brauch einen Moment für mich." Damit stürmte er die Treppe hinunter und durch den Lieferanteneingang nach draußen. Er atmete ein paar Mal tief ein. Die kühle Abendluft brannte in seiner Lunge und die untergehende Sonne stach ihm unangenehm in den Augen. Der Schmerz beruhigte ihn, verschaffte ihm wieder einen klaren Kopf. Seine Hand wanderte zu seinem Hals, wo die Kette mit dem Kreuz hing. 

Als er wieder zu den Anderen zurückkehrte, war das Verhör im vollen Gange. Magnus und Lily saßen auf der Couch und hörten gespannt zu, während Simon nirgendwo zu entdecken war. Raphael setzte sich neben Lily und flüsterte:  ,,¿Dónde está Simon?"  ,,Ich weiß es nicht." antwortete sie genauso leise.  ,,Er hat einen Anruf bekommen und meinte dann nur, er würde bald zurückkommen." Raphael nickte. Genaugenommen ging ihn Simons Privatleben nichts an. Also zwang er sich dazu, dem Verhör der Shadowhunter zuzuhören.  ,,Weißt du was das ist?" fragte Alec gerade und warf das kleine in Leder gebundene Buch auf den Tisch. Elvanas ganzer Körper verkrampfte sich bei dem Versuch, gegen das Wahrheitsserum anzukämpfen, doch es brachte nichts. ,,Po." sagte sie. Raj, der ihr gegenüber saß nickte. ,,Ja, tut sie." Isabelle schnaubte, stützte ihre Arme auf den Tisch und fragte: ,,Was ist das deines Erachtens genau?" ,,Ky është ditari i Josephine Aldertree, një prej paraardhësve të mi." Isabelles Kopf schoss in Rajs Richtung, woraufhin dieser übersetzte: ,,Das ist das Tagebuch von Josephine Aldertree, eine ihrer Vorfahren." Da schossen Elvanas zusammengekettete Hände plötzlich nach oben, krallten sich in Isabelles Haare und knallten ihren Kopf auf den harten Metalltisch. Sofort stürmten die anderen Shadowhunter auf Aldertree zu und verkürzten die Ketten an ihren Handschellen, sodass sie ihre Hände kaum mehr vom Tisch heben konnte, während Izzy sich die blutige Nase hielt. Nachdem Jace seiner Schwester eine Heilrune aufgetragen hatte, verpasste diese der Albanerin einen heftigen Schlag auf die Nase, bevor Alec mit dem Verhör fortfuhr. ,,War Josephine die Erste, die mit himmlischen Feuer experimentiert hat?" fragte er.  ,,Jo." ,,Nein." übersetzte Raj. ,,Und wer war es dann?" meldete Jace sich nun zu Wort. ,,Një nga të parët në familjen Aldertree."   ,,Einer der ersten Aldertrees."   ,,Kennst du seinen oder ihren Namen?" fragte Alec. Elvana schüttelte den Kopf.  ,,Jo." Isabelle, die das Mädchen noch immer wütend anfunkelte, fragte dann: ,,Und machst du Experimente mit himmlischen Feuer?" Elvana zögerte. Erneut verkrampfte sich ihr ganzer Körper, bis ihre Nase schließlich anfing zu bluten und sie antwortete: ,,Po." Raj nickte. ,,Hast du Komplizen?" fragte Jace. ,,Oder kennst du jemanden, der dieselben Experimente macht?"  ,,Po." Nun beugte Alec sich über den Tisch und stützte die Hände darauf ab. ,,Wer?" fragte er, den Blick fest auf ihre dunklen Augen geheftet. ,,Të afërmit e mi  . . .  dhe një familje tjetër."  ,,Ihre eigene Familie und noch eine andere." sagte Raj vorsichtig. Es schien fast, als mache er sich Sorgen. ,,Welche?" fragte Izzy sofort. ,,Welche Familie?" Elvana warf ihr einen Blick durch ihre dichten dunklen Haare zu und sagte: ,,Branwell." Sofort schossen alle Blicke zu Lydia, die nun auch einen verwirrten und aufgebrachten Eindruck machte. ,,Lydia Branwell," setzte Alec nach einem kurzen Moment der Stille an. ,,aufgrund von Ihnen bekannten Indizien, sehe ich mich gezwungen, Sie vorläufig festzunehmen und einer Befragung zu unterziehen."   ,,Was?!" rief die Blondine aus.  ,,Alec, ich hatte keine Ahnung-" Doch dieser hatte ihr schon die Handschellen angelegt und bat Izzy, sie in einem anderen Raum zu verhören.  ,,Jace, Clary, ihr geht los und bringt jeden Branwell her, den ihr finden könnt." Das Paar nickte und machte sich auf den Weg. Was jedoch anscheinend niemand mitbekommen hatte, war dass Elvana während der ganzen Unruhe begonnen hatte, heftig aus dem Mund zu bluten. Als Alec sich nun wieder zu ihr umdrehte, hatte sie glasige Augen.  ,,Wo werden die Experimente durchgeführt?" fragte er.  ,,Wo ist euer Versteck?" Doch als die Albanerin antworten wollte kam nur ein Schwall Blut aus ihrem Mund und kurz darauf spuckte sie ihre abgekaute Zunge auf den Tisch. Raj sprang auf und ging ein paar Schritte zurück, während Alec fluchend durch den Raum lief.  ,,Das war's wohl mit dem Verhör." meinte Magnus etwas schockiert und vergrößerte das Portal, sodass Alec hindurch treten konnte. Da vibrierte Lilys Handy. Die Schwarzhaarige holte das Gerät aus der Tasche ihres Hosenanzugs und schaute auf den Bildschirm, ehe sie es Raphael hinhielt. Dieser runzelte die Stirn und las die Nachricht. 

Simon

Ich muss für ein paar Tage weg. Viel Glück bei den Untersuchungen. Und macht euch keine Sorgen. Falls etwas passiert, schreib mir.

Verwirrt sah Raphael wieder auf, doch auch Lily zuckte nur mit den Schultern.  ,,Ich fahre mal zu seiner Wohnung." sagte der Latino schließlich.  ,,Vielleicht hab ich ja Glück und erwische ihn noch." Lily nickte.  ,,Dein Motorrad steht noch in der Tiefgarage." meinte sie.  ,,Damit bist du schneller." Mit einem Nicken machte Raphael sich auf den Weg. Zu seinem Glück war es dunkel draußen, sodass er ohne Bedenken mit seinem Vampir-Motorrad zu Simons Appartement fliegen konnte. Dort angekommen klopfte er gar nicht erst, sondern öffnete die Tür mit einem festen Tritt.  ,,Simon?" rief er. Mit einem verwirrten Gesichtsausdruck kam dieser aus dem Schlafzimmer.  ,,Raphael?" fragte er.  ,,Was machst du hier?" Raphael warf die Tür hinter sich zu und machte ein paar Schritte in den Raum hinein.  ,,Du meintest, du müsstest für ein paar Tage weg." erklärte er sich.  ,,Wohin?" Da wechselte Simons Gesichtsausdruck von Verwirrt zu Verkniffen.  ,,Das geht dich nichts an." sagte er kalt, drehte sich um und ging zurück in sein Schlafzimmer. Doch Raphael ließ nicht locker. Er folgte dem Jüngeren und fragte:  ,,Wieso? Ist etwas passiert?"  ,,Wie schon gesagt: Das geht dich nichts an." Simon packte einfach weiter seine Sachen in den Koffer, während Raphael ihn weiterhin vom Türrahmen aus löcherte. Er wusste, dass man Leute normalerweise nicht so bedrängt, aber das hier war Simon. Der Simon, der immer über seine Gefühle redete. Der Simon, der nie kurze Antworten gab oder gar still war. Ihn so introvertiert zu sehen, machte Raphael wirklich Sorgen.  ,,Simon, ich will doch nur verstehen, was los ist. Ich mach mir Sorgen um-"  ,,Schön!" unterbrach der Amerikaner ihn etwas laut.  ,,Meine Mom ist tot. Zufrieden?! Ich hab's dir gesagt, kannst du jetzt gehen? Ich muss meine Sachen packen, um meiner Schwester in Florida bei der Beerdigung zu helfen." Raphael schnappte nach Luft, doch Simon packte einfach still seine Sachen in den Koffer. Langsam ging Raphael auf den Jüngeren zu und legte vorsichtig eine Hand auf dessen Schulter. Als Simon dies bemerkte, hielt er inne. ,,Raphael..." setzte er mit brüchiger Stimme an. ,,Es tut mir leid, dass ich dich so angeblafft hab. Ich wollte nicht-" ,,Schon gut." unterbrach der Latino ihn. Da drehte Simon sich plötzlich um und zog Raphael an sich, der die Umarmung fast sofort erwiderte.  ,,Du musst den Anderen helfen." murmelte Simon an Raphaels Nacken. ,,Sie brauchen dich. Und meine Schwester braucht mich."

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